Normen
AVG §66 Abs4;
BFA-VG 2014 §22a;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §35;
VwGVG 2014 §9;
AVG §66 Abs4;
BFA-VG 2014 §22a;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §35;
VwGVG 2014 §9;
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses wird insoweit, als damit über die Festnahme des Mitbeteiligten am 13. August 2016 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, wurde am 13. August 2016 nach dem BFA-VG festgenommen, nachdem er in Österreich aufgegriffen worden war und eine Prüfung ergeben hatte, dass er bereits am 27. Juli 2016 in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und, ohne das dortige Verfahren abzuwarten, über Ungarn nach Österreich weitergereist war.
2 Am 15. August 2016 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) mit sofort in Vollzug gesetztem Mandatsbescheid die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie der Abschiebung des Mitbeteiligten an. Ein Konsultationsverfahren mit Bulgarien wurde eingeleitet.
3 Am 16. August 2016 stellte der Mitbeteiligte nach Rechtsberatung während seiner Anhaltung in Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA hielt mit Aktenvermerk desselben Tages gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, dass die verhängte Schubhaft aufrecht bleibe.
4 Mit Schriftsatz vom 23. August 2016 erhob der Mitbeteiligte gegen den Schubhaftbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde statt und erklärte die Festnahme am 13. August 2016, den Schubhaftbescheid vom 15. August 2016 sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 15. August 2016 für rechtswidrig (Spruchpunkt A.I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG stellte es fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG verpflichtete es den Bund zum Kostenersatz gegenüber dem Mitbeteiligten (Spruchpunkt A.III.). Mit Spruchpunkt A.IV. wies es den Antrag des Mitbeteiligten auf Befreiung von der Eingabegebühr zurück. Mit Spruchpunkt B. sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 Begründend legte das BVwG näher dar, der Mitbeteiligte habe seinen früheren Plan, nach Frankreich, wo sich seine Angehörigen aufhielten, weiterzureisen, nach Rechtsberatung fallen lassen. Er verhalte sich kooperativ und wolle sein anhängiges Verfahren in Österreich führen. Infolge seines bisherigen Verhaltens sei ein Sicherungsbedarf zwar zu bejahen, wobei jedoch durch die Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden könne. Für die Verhängung von Schubhaft als "ultima ratio" fehlten daher die erforderlichen Voraussetzungen.
7 Gegen die Spruchpunkte A.I. bis A.III. richtet sich die vorliegende Revision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
8 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG macht das BFA zunächst geltend, dass das BVwG über die vom Mitbeteiligten nicht bekämpfte Festnahme abgesprochen habe.
Insoweit ist die Revision zulässig und berechtigt:
9 Der Mitbeteiligte hat mit seiner Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG ausdrücklich nur den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab dem 15. August 2016 bekämpft. Gegen die vorangegangene Festnahme vom 13. August 2016 (sowie die Anhaltung auf Grund dieser Festnahme) richtete sich die Beschwerde nicht. Das BVwG hat daher, soweit es die genannte Festnahme für rechtswidrig erklärte, die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0186).
10 In diesem Umfang war Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.
11 Im Übrigen war die Revision aber wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen:
12 Die Revision macht insoweit geltend, dass das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen abgewichen sei. Es ist im vorliegenden Fall aber, soweit die Revision nicht ohnehin auf den aufgehobenen Teil des Spruchpunktes A.I. Bezug nimmt, jedenfalls ausreichend erkennbar, von welchen Tatsachenfeststellungen das BVwG auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Sinn neuerlich etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/21/0186, mwN).
13 Soweit die Revision in Abrede stellt, hinsichtlich des Sicherungsbedarfs könne durch Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden, spricht sie im Ergebnis einzelfallbezogene Fragen der aus den Feststellungen getroffenen wertenden Entscheidungen des BVwG an, ohne auf die zentrale Frage des Ausreichens gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FPG zur Abdeckung des - unbestritten bejahten - Sicherungsbedarfs auch nur einzugehen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird insoweit daher nicht aufgezeigt.
14 Zur in Spruchpunkt A.III. getroffenen Kostenentscheidung verweist die Revision nur auf die "Rechtswidrigkeit der Beschwerdestattgebung (Spruchpunkt A.I.)" des angefochtenen Erkenntnisses. Das trifft aber nicht zu, weil der genannte Spruchpunkt nur teilweise aufzuheben war. Auch kann die Überschreitung des Beschwerdegegenstandes durch das BVwG nichts daran ändern, dass der Mitbeteiligte mit seiner gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft gerichteten Beschwerde vollständig obsiegt hat, sodass der Zuspruch von Aufwandersatz gemäß § 35 VwGVG zu Recht erfolgt ist.
Wien, am 11. Mai 2017
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