Normen
AsylG 1997 §11;
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs10;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §55;
MRK Art8 impl;
StbG 1985 §10 Abs3 Z1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein der tschetschenischen Volksgruppe zugehöriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im November 2011 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 30. Jänner 2012 wies das Bundesasylamt diesen Antrag vollinhaltlich ab; außerdem wies es den Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus.
2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, der das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 1. September 2014 in den Punkten Asyl und subsidiärer Schutz keine Folge gab. Im Übrigen verwies es gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.
3 Mit Bescheid vom 12. Februar 2016 sprach das BFA sodann aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG werde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde außerdem die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 28. Juni 2016 gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 FPG als unbegründet ab. Dieser Entscheidung legte es sachverhaltsmäßig zugrunde, dass der Revisionswerber (seit 9. Februar 2012) "nach traditionellem islamischem Ritus" verheiratet sei. Seine (1990 geborene) Partnerin sei (seit Juli 2014) österreichische Staatsbürgerin. Der Beziehung entstamme eine am 13. Oktober 2014 in Wien geborene Tochter, die gleichfalls österreichische Staatsbürgerin sei und mit ihrer Mutter und dem Revisionswerber im gemeinsamen Haushalt lebe. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber hauptsächlich mit der Kinderbetreuung oder dem Haushalt befasst wäre oder dass seine Lebensgefährtin diesbezüglich auf ihn angewiesen wäre, er unterstütze sie allerdings hiebei. Sie stamme aus dem selben Dorf wie der Revisionswerber und habe bis 2001 in der Russischen Förderation gelebt. Seit 2003 befinde sie sich in Österreich, wo ihr (zunächst) im Jahr 2004 gemäß § 11 Asylgesetz 1997 durch Erstreckung nach ihrem Vater Asyl gewährt worden sei. Diesen Status habe sie bis zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft innegehabt, eine "eigene Gefährdung" sei allerdings nicht festgestellt worden. Im Falle ihrer Rückkehr drohe der Partnerin des Revisionswerbers aktuell keine asylrelevante Gefährdung.
5 Das BVwG hielt u.a. noch fest, dass die Partnerin/Lebensgefährtin des Revisionswerbers deutsch, tschetschenisch und russisch spreche und vor der Geburt ihrer Tochter - nach der Aktenlage in einem Wiener Hotel - als Rezeptionistin gearbeitet habe. Nunmehr beziehe sie Arbeitslosengeld.
6 Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG knüpfte das BVwG an die festgestellten familiären Verhältnisse des Revisionswerbers an und hielt fest, dass sich sowohl er als auch seine Lebensgefährtin bei Eingehen der Beziehung des unsicheren Aufenthaltsstatus des Revisionswerbers bewusst gewesen seien. Insbesondere deshalb erweise sich die Verhängung einer Rückkehrentscheidung gegen den in Österreich sonst nur schwach integrierten Revisionswerber als nicht unverhältnismäßig. In diesem Zusammenhalt führte das BVwG dann u.a. noch aus, es wäre der Lebensgefährtin und der Tochter des Revisionswerbers auch zumutbar, ihn in die Russische Föderation zu begleiten. Die Partnerin/Lebensgefährtin stamme aus seinem Dorf, ihre Verwandten lebten ebenfalls noch dort; sie spreche die Landessprachen russisch und tschetschenisch und habe die ersten elf Jahre ihres Lebens in diesem Dorf verbracht. Auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse des Revisionswerbers stehe fest, dass im gemeinsamen Haushalt russisch und tschetschenisch gesprochen werde, weshalb auch das gemeinsame Kind "mit den Landessprachen sowie der Landeskultur vertraut" sei; auch die Großeltern des Kindes väterlicherseits lebten dort.
7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG dann noch aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber geltend, das BVwG sei im Rahmen seiner Interessenabwägung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Dabei bezieht er sich insbesondere auf das Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/21/0010.
11 Der dem genannten Erkenntnis zugrunde liegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass es um die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen ging, der mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war, die von ihm ein Kind erwartete. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, der Umstand, dass die Eheschließung des Revisionswerbers in Kenntnis seines unrechtmäßigen Aufenthalts erfolgte, reiche noch nicht aus, eine Trennung von der österreichischen Ehefrau und dem (erwarteten) gemeinsamen österreichischen Kind zu rechtfertigen. Die Rückkehrentscheidung sei daher rechtswidrig.
12 Das basierte allerdings darauf, dass auch die damals belangte Behörde (der Unabhängige Verwaltungssenat Wien) nicht davon ausging, der Ehefrau des Revisionswerbers sei ein Verlassen des Bundesgebietes mit dem Revisionswerber (in den Herkunftsstaat des Revisionswerbers, nach Algerien) zuzumuten. Im vorliegenden Fall indes - und das unterscheidet ihn wesentlich von jenem, der dem genannten Erkenntnis Ro 2014/21/0010 zugrunde lag - nahm das BVwG an, es wäre der Lebensgefährtin und der Tochter des Revisionswerbers zumutbar, ihn in die Russische Föderation zu begleiten, ohne dazu freilich faktisch gezwungen zu sein.
13 Diese Beurteilung erscheint auf Basis der vom BVwG getroffenen Sachverhaltsannahmen (siehe insbesondere oben Rz 4) nicht unvertretbar. Auch die Revision hält ihr substanziell nur entgegen, dass die Lebensgefährtin des Revisionswerbers vor Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft den Status einer Asylberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation innegehabt habe; es bestehe weiterhin "Furcht vor Verfolgung" und es sei kein Grund ersichtlich, weshalb ihr nun eine - wenn auch nur vorübergehende - Niederlassung in der Russischen Föderation möglich sein sollte.
14 Dieses Vorbringen berücksichtigt nicht, dass die Lebensgefährtin des Revisionswerbers - wie vom BVwG betont - den seinerzeitigen Asylstatus nur im Wege der Erstreckung nach ihrem Vater gemäß dem ehemaligen § 11 Asylgesetz 1997 erhalten hatte. Dass in Bezug auf sie persönlich selbstständig Asylgründe vorgelegen hätten, wurde daher nie festgestellt. Umgekehrt ging das BVwG gerade davon aus, dass ihr in der Russischen Föderation aktuell keine asylrelevante Gefährdung drohe, was es - vom Revisionswerber unbestritten - nicht unschlüssig und auf Grund der eigenen Angaben der Lebensgefährtin in der durchgeführten Beschwerdeverhandlung damit begründete, dass (zuletzt) 2010 Cousins (lediglich) nach dem Aufenthalt ihres Vaters befragt worden seien.
15 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus dem in den Zulassungsausführungen der gegenständlichen Revision weiter genannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 2015, E 426/2015, nichts für den Revisionswerber gewinnen. Dass einer nur "abgeleitetes" Asyl innehabenden Person die Rückkehr in den Herkunftsstaat schon per se nicht möglich sei, wird darin nämlich (im Hinblick auf die Ausführungen zur Tochter der dortigen Beschwerdeführerin, die offenkundig nach ihrem Vater Asyl erhalten hatte und in Bezug auf die der Verfassungsgerichtshof Überlegungen zur Rückkehr in den Herkunftsstaat anstellte) nicht zum Ausdruck gebracht (Punkt II.2.2. der Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses). Wenn in der Revision weiter darauf hingewiesen wird, dass die Lebensgefährtin des Revisionswerbers im Staatsbürgerschaftsverfahren ihre russische Staatsangehörigkeit auf Grund der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Kontaktaufnahme mit russischen Behörden nicht habe zurücklegen müssen, so nimmt sie offenbar auf § 10 Abs. 3 Z 1 StbG Bezug. Auch aus dieser - nicht bindenden - Beurteilung der Staatsbürgerschaftsbehörde lässt sich für den vorliegenden Fall aber nicht ableiten, die Lebensgefährtin des Revisionswerbers habe in ihrer ursprünglichen Heimat Verfolgungsgefahr zu befürchten, weshalb ihr eine Rückkehr dorthin unzumutbar sei. Dass sie, wie in der Revision ausgeführt, weiterhin die russische Staatsangehörigkeit besitze, bekräftigt im Übrigen die Annahme, dass ihr auch rein faktisch eine Rückkehr mit dem Revisionswerber in die russische Föderation möglich sei. Dass das für das gemeinsame Kind nicht gelte, wird in der Revision gar nicht behauptet. Was die Verhältnisse in Bezug auf dieses Kind anlangt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass es infolge seines Alters noch als anpassungsfähig anzusehen ist.
16 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde. Vor allem im Hinblick auf die antragsgemäß durchgeführte Beschwerdeverhandlung, in der der Revisionswerber, seine Lebensgefährtin und seine Schwester einvernommen wurden, beruht sie auch auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage, weshalb sie sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht revisibel erweist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0122, mwH).
17 Wenn in der Revision weiter darauf verwiesen wird, dass in Anbetracht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung der vom BFA vorgenommene amtswegige Abspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 vom BVwG nicht hätte bestätigt werden dürfen, so trifft dies zwar zu (so schon das Erkenntnis vom 20. November 2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 3.4.2. der Entscheidungsgründe). In Anbetracht dessen, dass die Rechtskraftwirkungen dieses Abspruchs über jene der erlassenen Rückkehrentscheidung nicht hinausgehen (vgl. insbesondere § 58 Abs. 10 AsylG 2005), ist aber nicht zu sehen, inwieweit der Revisionswerber dadurch in Rechten verletzt wurde. Auch unter diesem Gesichtspunkt war die vorliegende Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2016
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