VwGH Ra 2016/16/0108

VwGHRa 2016/16/010824.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der G & W AG in Wien, vertreten durch die TPA Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62- 64, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 29. Juli 2016, Zl. RV/7102465/2010, betreffend Gesellschaftsteuer, den Beschluss gefasst:

Normen

61999CJ0339 Energie Steiermark Holding VORAB;
62000CJ0071 Develop VORAB;
BAO §115 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §21 Abs1;
KVG 1934 §2 Z4 lita;
KVG 1934;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016160108.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Den unbestrittenen Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge war H R S Erststifter der C-PRIVATSTIFTUNG, auf seine Lebenszeit Alleinbegünstigter und Mitglied des Stiftungsbeirates. Weiters war er Alleingesellschafter und Geschäftsführer der C GmbH (in der Folge kurz: CC). Mit Erklärung vom 22. Februar 2006 errichtete diese Gesellschaft die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin, die COP GmbH (kurz: COP) mit einem volleinbezahlten Stammkapital vom EUR 35.000,--; die Eintragung der COP in das Firmenbuch erfolgte am 10. März 2006. Am 27. Februar 2006 leistete H R S an die COP einen "Großmutterzuschuss" in Höhe von EUR 5.000.000,--. Mit notariellem Abtretungsvertrag vom 28. Februar 2006 veräußerte er seinen Geschäftsanteil an der CC an die C-PRIVATSTIFTUNG. In Vorbereitung der Verschmelzung der COP mit der G & W Liegenschaften- und Vermögensverwaltung AG erwarb H R S mit Abtretungsvertrag vom 14. November 2006 einen Geschäftsanteil entsprechend rund 1% des Stammkapitals der COP. Aufgrund des am selben Tag errichteten Verschmelzungsvertrages wurde die COP als übertragende Gesellschaft mit der Revisionswerberin als übernehmende Gesellschaft mit Stichtag 22. Februar 2006 verschmolzen; die Eintragung dieses Vorganges erfolgte am 25. November 2006 in das Firmenbuch. Der am 27. Februar 2006 geleistete Zuschuss vom EUR 5.000.000,-- wurde in der steuerlichen Verschmelzungsbilanz (zum 22. Februar 2006) als Einlage gemäß § 2 Abs. 4 UmgrStG ausgewiesen. Für einen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Zuschuss vom 27. Februar 2006 an die G & W Liegenschaften- und Vermögensverwaltung AG und einer späteren Gesellschafterstellung von H R S an dieser bestehen keine Anhaltspunkte. Den abschließenden Feststellungen zufolge erfolgte die Zuschussleistung vor allem in Interesse der CC, insbesondere, um die COP mit dem zur Erfüllung des Gesellschafterzweckes erforderlichen Kapital auszustatten und somit letztlich, um den Wert der Gesellschaftsrechte an der COP zu erhöhen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen die Festsetzung von Gesellschaftsteuer in Höhe von EUR 50.000,-- für den Zuschuss vom 27. Februar 2006 an die COP als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes begründete das Gericht seine Feststellungen im Kern damit, dass die Zuschussleistung (vom 27. Februar 2006) vor allem im Interesse der CC gelegen sei und kein den Interessen der CC übergeordnetes konzernstrategisches Interesse von S im Vordergrund bestanden habe, ergebe sich aus der Tatsache, dass die Finalisierung der Abtretung der Geschäftsanteile an der CC, der Muttergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin, zum Zeitpunkt der Leistung unmittelbar bevorgestanden habe und S zu diesem Zeitpunkt nicht mehr davon habe ausgehen können, dass er die einem Gesellschafter bzw. indirektem Gesellschafter zukommende Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit der Rechtsvorgängerin haben werde, um übergeordnete Konzerninteressen durchsetzen zu können. Mit der Abtretung der Geschäftsanteile habe sich seine Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin in seinen weisungsgebundenen Tätigkeiten als Geschäftsführer der CC bzw. der Rechtsvorgängerin und in seiner beschränkten Einflussmöglichkeit auf die Stiftung erschöpft. Als Geschäftsführer der CC sowie als Geschäftsführer der COP habe er deren Interessen zu verfolgen gehabt.

In rechtlicher Hinsicht schloss das Gericht unter Wiedergabe von Rechtsprechung des EuGH sowie des Verwaltungsgerichtshofes, die Zuschussleistung sei im Interesse der Gesellschafterin der Leistungsempfängerin, der CC, gelegen, womit dieser Zuschuss in wirtschaftlicher Betrachtung des Sachverhaltes im Sinne der wiedergegebenen Judikatur der CC als Leistende zuzurechnen gewesen sei. Die Tatsache, dass S ebenfalls ein Interesse an der Kapitalausstattung der Rechtsvorgängerin gehabt hätte, weil er ansonsten den Zuschuss wohl nicht geleistet hätte, stehe dem nicht entgegen. Dass es sich beim gegenständlichen Zuschuss um eine freiwillige Leistung ohne gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Zwang gehandelt habe, die geeignet sei, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, sei unbestritten. Da diese Leistung der alleinigen Gründungsgesellschafterin als Leistende zuzurechnen sei und es sich bei der Rechtsvorgängerin, der COP, die den Kapitalzuschuss erhalten habe, um eine inländische Kapitalgesellschaft handle, unterliege dieser Zuschuss gemäß § 2 Z. 4 lit. a KVG der Gesellschaftsteuer. Zum Einwand der "Sperrwirkung" der "Kapitalansammlungsrichtlinie" sei zu sagen, dass im Revisionsfall nicht der Großmutterzuschuss besteuert werde, sondern die Leistung des Gesellschafters, der CC, dem die Leistung in wirtschaftlicher Betrachtung zuzurechnen sei. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Gericht damit, es entspreche ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes, dass anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen sei, wem die Zahlung von - der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen sei.

3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision begründet ihre Zulässigkeit darin, das Bundesfinanzgericht habe verkannt, dass es sich beim vorliegenden Großmutterzuschuss um einen Zuschuss eines mittelbar beteiligten Gesellschafters handle. Das Gericht habe sein Argumentation lediglich darauf gestützt, dass der gegebene Zuschuss nur im wirtschaftlichen Interesse der direkten Gesellschafterin stehen könne. Diese Argumentation sei erstmals in der Verhandlung vom 26. Juli 2016 vorgebracht worden, wobei nicht begründet worden sei, warum das Gericht zu dieser Einschätzung gelange. Es sei nicht ermittelt worden, ob andere außersteuerliche Gründe für den Großmutterzuschuss vorgelegen haben könnten. Weiters sei auf die anderen vorgebrachten außersteuerlichen Argumente der Revisionswerberin nicht eingegangen worden. Der Sachverhalt sei somit aktenwidrig ermittelt worden, ohne der Revisionswerberin hinreichend Gelegenheit zu geben, die Aktenwidrigkeit darzulegen. Im Übrigen habe das Gericht die zu vergleichbaren Streitfragen ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "falsch" angewendet, denn in der bisherigen Judikatur sei prinzipiell festgehalten worden, dass das Kapitalverkehrsteuergesetz an bestimmte Rechtsvorgänge anknüpfe und nur bei Sachverhalten, die bei einer rein formal-rechtlichen Beurteilung zu Ergebnissen führten, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwider laufen würden, eine wirtschaftliche Betrachtung ausnahmsweise in Frage komme. Das Gericht habe sich in völliger Verkennung des Grundsatzes mit seiner Entscheidung im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt, wonach Großmutterzuschüsse im Allgemeinen nicht gesellschaftsteuerpflichtig seien "(z.B. VwGH 29. 01. 1975, 607- 633/74; VwGH 14. 05. 1975, 531,532/74; VwGH 19. 12. 2002, 2001/16/0273; uva). Die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 133 Abs. 4 B-VG) lauten:

1. Sind Großmutterzuschüsse deswegen wie Zuschüsse eines

Gesellschafters zu behandeln und damit steuerpflichtig, weil sie (auch) im Interesse des Gesellschafters liegen, insbesondere weil sich dadurch der Wert seiner Beteiligung am Enkelunternehmen erhöht?

2. Genügt es dem § 269 BAO, wenn im finanzgerichtlichen Verfahren, das Interesse eines Gesellschafters an Großmutterzuschüssen, ohne Sachverhaltssubstrat angenommen wird, oder liegt darin eine Verletzung des § 269 BAO und der amtswegigen Ermittlungspflicht vor?"

4 Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

6 Gemäß § 2 Z 4 lit. a KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer Zuschüsse, wenn sie als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

7 Nach § 5 Abs. 2 KVG gelten als Gesellschafter jene Personen, denen die in § 5 Abs. 1 leg.cit. genannten Gesellschaftsrechte zukommen. Nach § 5 Abs. 1 KVG gelten als Gesellschaftsrechte:

1. Aktien und sonstige Anteile, ausgenommen die Anteile der

persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft

oder einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft,

2. Genussrechte,

3. Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder

Liquidationserlös der Gesellschaft gewähren.

8 Gemäß § 38 Abs. 3e KVG, eingefügt durch Art. 7 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 13, tritt Teil I (Gesellschaftsteuer) mit Ablauf des 31. Dezember 2015 außer Kraft. Diese Vorschriften sind letztmalig auf Rechtsvorgänge anzuwenden, bei denen die Steuerschuld vor dem 1. Jänner 2016 entstand.

9 Nach der Rechtsprechung des EuGH und der dieser folgenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Leistung von - der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. die Urteile des EuGH vom 17. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-339/99 Energie Steiermark Holding AG, Rn 37 und 38, sowie C-71/00  - Develop, Rn 25, sowie die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2001, 2001/16/0448, vom 19. Dezember 2002, 2002/16/0239, vom 23. November 2005, 2005/16/0004, vom 24. Jänner 2013, 2012/16/0104, sowie vom 11. September 2014, 2013/16/0025).

Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gilt auch im Bereich des Verkehrsteuerrechtes immer dann, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formal-rechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwider laufen würden (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 11. September 2014 zur Frage der Leistung von Zuschüssen durch einen Treuhänder eines Gesellschafters).

10 Soweit die vorliegende außerordentliche Revision ihre Zulässigkeit in der Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere in einer Aktenwidrigkeit erblickt, ist dem entgegen zu halten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn sich die Behörde oder das Gericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch setzt, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber wenn Feststellungen getroffen wurden, die aufgrund der Beweiswürdigung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa den Beschluss vom 25. Februar 2016, Ra 2016/16/0006, mwN). Schon deshalb kann in der behaupteten Außerachtlassung von Argumenten oder von Ermittlungsschritten keine Aktenwidrigkeit im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG liegen.

11 Schließlich entbehrt die Behauptung, das Bundesfinanzgericht habe "Judikatur des VwGH falsch angewandt", auch mit Blick auf das abschließende Klammerzitat einer konkreten Darlegung, in welchen Punkten die rechtlichen Schlussfolgerungen des Gerichts eine Rechtfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwarfen, insbesondere weil das angefochtene Erkenntnis von der (in der Darlegung nach § 28 Abs. 3 VwGG leitsatzartig wiedergegebenen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abwich; die weiteren Fälle des Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG (das Fehlen von solcher Rechtsprechung oder die uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) können außer Betracht bleiben. Allein die eingangs wiedergegebenen rechtlichen Schlussfolgerungen bringen zum Ausdruck, dass das Gericht im angefochtenen Erkenntnis unter Zugrundelegung des nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes gebotenen Maßstabes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus der Interessenlage an der Zuschussleistung die Zurechnung des Zuschusses an die CC folgerte. Wie weit diese Schlussfolgerung mit den - bloß nach Zahlen und Daten zitierten - Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch steht, legt die Revision nicht dar.

12 Soweit die Revision abschließend allgemein "Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung" formuliert, genügt es, auf die wiedergegebene Rechtsprechung zu verweisen; die abschließende Frage im Hinblick auf § 269 BAO entfernt sich von der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, das die für die Zurechnung des Zuschusses maßgebliche Interessenlage vor dem Hintergrund des zeitlichen Ablaufes ausführlich und nachvollziehbar darlegte.

13 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 24. November 2016

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