Normen
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 lita;
EStG 1988 §47 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150070.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war im streitgegenständlichen Jahr 2013 als Universitätsassistent ("praedoc") beschäftigt.
2 In der gegen den Einkommensteuerbescheid für 2013 erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber - soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren noch von Bedeutung - geltend, dass von seinem Gehalt für eine nicht steuerpflichtige Zahlung seines Arbeitgebers zu Unrecht Lohnsteuer abgeführt worden sei. Es handle sich dabei um ein Stipendium der S Bank, die in Zusammenarbeit mit der Universität seine Dissertation fördere. Er beziehe dieses Stipendium monatlich seit Oktober 2013. Solange er bei der Universität beschäftigt sei, erfolge die Auszahlung des Stipendiums gemeinsam mit seinem Gehalt.
3 Der Revisionswerber betreibe seit dem Wintersemester 2010/2011 das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften und sei seit Juni 2012 für 20 Wochenstunden als Universitätsassistent beschäftigt. Im März 2013 habe er sich mit seinem Dissertationsprojekt für das gegenständliche Stipendium beworben, welches ihm im September 2013 zuerkannt worden sei. Die Mittel dafür würden von der S Bank stammen, die Auszahlung erfolge über die Universität. In der Stipendiatenvereinbarung werde ausdrücklich festgehalten, dass durch die Gewährung des Stipendiums kein Dienstverhältnis zur Universität begründet werde. Die Universität behandle allerdings - inkonsequenter Weise - das Stipendium solange als Gehaltsbestandteil und führe davon Lohnsteuer ab, als auf Grund eines anderen Rechtstitels ein Dienstverhältnis zu ihr bestehe.
4 Seine Arbeit als Universitätsassistent werde durch den Bezug des Stipendiums nicht berührt. Aus der Stipendiatenvereinbarung schulde er keinen Erfolg und müsse das Stipendium im Fall des Scheiterns des Dissertationsprojekts auch nicht zurückzahlen. Gemäß den Ausschreibungsbedingungen dürfe neben dem Stipendium ein Erwerbseinkommen bezogen werden, wenn der Arbeitsbereich zum Forschungsbereich des Dissertationsprojektes gehöre und dieses dadurch nicht gefährdet werde. Dies sei bei Universitätsassistenten typischerweise der Fall. Die Gewährung des Stipendiums sei unabhängig vom Bestand eines Dienstverhältnisses zur Universität. Das Stipendium sei weder ein durch sein Dienstverhältnis veranlasster Bezug noch habe es Einkommensersatzfunktion.
5 Laut der dem Finanzamt vorgelegten Stipendiatenvereinbarung vom 6. September 2013 gewährte die Universität dem Revisionswerber ein Forschungsstipendium aus dem JungforscherInnenfonds der S Bank in Höhe von insgesamt 24.000 EUR. Das Stipendium werde vom 1. Oktober 2013 bis 31. August 2015 in Höhe von monatlich 857,14 EUR vierzehnmal jährlich ausbezahlt. Das Stipendium diene der Förderung des vom Revisionswerber durchgeführten Dissertationsprojektes. Der Stipendiat erkläre sich bereit, ein Exemplar der durch das Stipendium geförderten Dissertation zur Dokumentation der Universität zur Verfügung zu stellen. Punkt 8 dieser Vereinbarung lautet: "Für die Dauer eines Dienstverhältnisses zur Universität (...) und dem gleichzeitigen Bezug eines Stipendiums erhält der Stipendiat das Stipendium unter Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen."
6 Das Finanzamt gab der Beschwerde in einem nicht revisionsgegenständlichen Punkt statt. Dem Begehren des Revisionswerbers auf Steuerfreistellung des Stipendiums entsprach das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung jedoch nicht.
7 Aufgrund des Vorlageantrags des Revisionswerbers führte das Bundesfinanzgericht ergänzende Ermittlungen durch.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde (lediglich) im Umfang der Beschwerdevorentscheidung statt und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.
9 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, es bestehe eine finale Verknüpfung zwischen dem im Streitjahr aufrechten Dienstverhältnis des Revisionswerbers zur Universität und dem Stipendienbezug. Der JungforscherInnenfonds sei ursprünglich durch eine Initiative von Mitgliedern des Universitätsrates, der zu den obersten Leitungsorganen der Universität gehöre, ins Leben gerufen worden. Es habe zwar zur besseren Finanzierung eine Bank als Förderpartner gewonnen werden können, doch habe laut Stipendiatenvereinbarung die Universität dem Revisionswerber das Forschungsstipendium aus dem JungforscherInnenfonds der S Bank gewährt. Der Revisionswerber habe sich vertraglich mit dem Abzug von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen einverstanden erklärt, sowohl die Verwaltung der Stipendien als auch die Auszahlung an den Revisionswerber sei durch seinen Arbeitgeber erfolgt. Darüber hinaus fiele das Verfassen der Dissertation laut Arbeitsvertrag zumindest teilweise in die Arbeitszeit und der Revisionswerber habe genau für diese Tätigkeit das Stipendium erhalten. Das Thema der Dissertation stehe nach Angaben des Revisionswerbers zwar nicht in Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt des Institutes. Durch die Möglichkeit, im Rahmen der Arbeitszeit als Universitätsassistent auch für das Verfassen der eigenen Dissertation Zeit eingeräumt zu erhalten, stehe nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts der Bezug des Stipendiums für das Verfassen der Dissertation mit der unselbständigen Haupttätigkeit des Revisionswerbers in wirtschaftlichem Zusammenhang, sodass es aus diesem Grund zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 EStG 1988 zu zählen sei und somit der Einkommensteuer unterliege. Im Übrigen sei den Ausschreibungsunterlagen des Stipendiums zu entnehmen, dass bei einer Tätigkeit des Stipendiaten der Arbeitsbereich zum Forschungsbereich des Projektes gehören müsse.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach für die Abfassung einer Dissertation bezogene Stipendien grundsätzlich nicht der Einkommensteuer unterlägen. Dem Erkenntnis vom 29. Juli 2014, 2011/13/0060, sei zu entnehmen, dass Stipendien für die Abfassung einer Dissertation grundsätzlich steuerfrei seien. Im Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2006/15/0171, habe der Verwaltungsgerichtshof ein für die Abfassung einer Habilitationsschrift gewährtes Stipendium der Einkommensteuer unterworfen. Ein vergleichbarer Fall liege gegenständlich jedoch nicht vor. Das vorliegende Stipendium habe kein Einkommen aus einem Dienstvertrag verdrängt oder ersetzt. Das Stipendium sei auch nicht für die Mitarbeit an einem Forschungsprojekt des Förderers gewährt worden. Es habe auch keine Verbindung zu Projekten bestanden, die am Universitätsinstitut ausgeführt worden seien. Das Stipendium sei vielmehr vom Dienstverhältnis zur Universität in jeder Hinsicht unabhängig.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 Der Revisionswerber bringt - wie schon im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht - vor, die Zahlungen beruhten auf verschiedenen, voneinander unabhängigen Rechtsgründen. Es liege keine kausale Verknüpfung zwischen seinem Dienstvertrag als Universitätsassistent und dem Stipendienbezug vor. Die eingeschränkte Möglichkeit, während der Dienstzeit an der Dissertation zu arbeiten, habe nicht auf einem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an der Abfassung der Dissertation beruht, sondern gehöre zum Charakter eines Dienstverhältnisses als Universitätsassistent, welches auch der Förderung von Doktorratsstudenten diene. Der Revisionswerber hätte das Stipendium auch zugesprochen bekommen, wenn er in keinem Dienstverhältnis zur Universität gestanden wäre. Auch wäre die Auflösung des Dienstverhältnisses ohne Einfluss auf den (Weiter‑)Bezug des Stipendiums gewesen. Das Dissertationsprojekt sei nicht vom Dienstvertrag veranlasst gewesen; vielmehr habe der Revisionswerber bereits lange Zeit vor Beginn des Dienstverhältnisses am Dissertationsprojekt gearbeitet. Das Thema der Dissertation habe sich in kein Projekt des Instituts gefügt, an dem der Revisionswerber teilzeitbeschäftigt gewesen sei. Der Bezug des Stipendiums sei somit vom Dienstverhältnis zur Universität in jeder Hinsicht unabhängig gewesen. Die Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen dem Revisionswerber und jenen Stipendiaten, die das gleiche Stipendium ohne gleichzeitig aufrechtes Dienstverhältnis zur Universität steuerfrei beziehen würden.
14 Gemäß § 25 Abs. 1 lit. a EStG 1988 zählen Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
15 Die Einkünfte müssen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben (vgl. VwGH 15.12.2009, 2006/13/0136, und 1.9.2015, Ro 2014/15/0029).
16 Ein Vorteil wird dann für ein Dienstverhältnis gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird.
17 Auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können neben dem Dienstverhältnis gesonderte Rechtsbeziehungen bestehen. Sie sind dann steuerlich grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Arbeitslohn liegt nicht vor, wenn eine Zuwendung wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruhen. Voraussetzung für die gesonderte Beurteilung einer solchen Rechtsbeziehung ist, dass zu gleichen Bedingungen, unabhängig davon, ob ein Dienstverhältnis besteht, auch mit Dritten ein derartiges Vertragsverhältnis zu Stande kommt (vgl. VwGH 26.1.2006, 2002/15/0188; Doralt, EStG12, § 25 Tz 12; Fellner in Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer-Kommentar 66. Lfg § 25 Tz 15).
18 Gegenständlich hat sich der Revisionswerber nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend an Lehre, Forschung und Administration der Organisationseinheit ausgewogen zu beteiligen. Sein Aufgabenbereich umfasst auch die selbständige Forschungstätigkeit. Dem Revisionswerber war im Rahmen der Normalarbeitszeit Zeit für die Erbringung eigener wissenschaftlicher Leistungen einzuräumen. Eine Verpflichtung zum Verfassen einer Dissertation bestand nicht. Der dienstlichen Verpflichtung zur eigenen Forschungstätigkeit konnte auch auf andere Art und Weise entsprochen werden. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Revisionswerbers hätte er das Stipendium in gleicher Weise erhalten, wäre er nicht in einem Dienstverhältnis zur Universität gestanden.
19 Ziel der Dissertation ist die Erlangung eines akademischen Grades. Ein Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer einen (weiteren) akademischen Grad erwirbt, kann im Einzelfall gegeben sein und den Arbeitgeber dazu veranlassen, dem Arbeitnehmer aus diesem Grund als zusätzliches Entgelt aus dem Dienstverhältnis zu qualifizierende "Beihilfen" zu gewähren. Anhaltspunkte dafür, dass im Revisionsfall ein derartiger Veranlassungszusammenhang vorliegen könnte, lassen sich dem vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt jedoch nicht entnehmen. Im gegenständlichen Dienstvertrag des Revisionswerbers wird festgehalten, dass "das Erreichen einer weiteren wissenschaftlichen Qualifikation (zB Doktorat)" während der Vertragslaufzeit keine dienstrechtlichen Auswirkungen hat. Zudem war das Arbeitsverhältnis auf vier Jahre befristet und endete mit Zeitablauf.
20 Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von jenem der dem Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2006/15/0171, zugrunde lag, in dem der Steuerpflichtige für die Zeit des Bezugs eines Forschungsstipendiums nach § 160 BDG mit der Rechtsfolge freigestellt war, dass diese Zeiten für die Vorrückung und den Ruhegenuss zu berücksichtigen waren.
21 Das Vorliegen eines Veranlassungszusammenhanges zwischen dem Dienstverhältnis zur Universität und dem Bezug des Stipendiums bejahte das Bundesfinanzgericht mit der Begründung, dass der Dienstvertrag dem Revisionswerber die Möglichkeit einräume, im Rahmen der Arbeitszeit als Universitätsassistent an seiner Dissertation zu arbeiten. Das Bundesfinanzgericht beachtet dabei nicht, dass der Revisionswerber das Stipendium in gleicher Weise ohne Vorliegen dieses Dienstvertrages erhalten hätte. Der Umstand, dass der Revisionswerber einen (kleinen) Teil seiner Dienstzeit zum Verfassen der Dissertation verwenden durfte, steht einer getrennten Beurteilung der Tätigkeiten dann nicht entgegen, wenn die Arbeit an der Dissertation im (nahezu) ausschließlichen Interesse des Revisionswerbers gelegen war. Eine andere Beurteilung ist allerdings dann geboten, wenn zwischen den Projekten des Arbeitgebers (oder Projekten von Vertragspartnern des Arbeitgebers) und dem Gegenstand der Dissertation ein inhaltlicher Zusammenhang besteht, sodass die Zahlung zur Förderung der Dissertation in wirtschaftlicher Betrachtung einem weiteren Entgelt für die Mitwirkung an den Projekten des Arbeitgebers oder von Projekten dritter, in Beziehung zum Arbeitgeber stehender Personen gleichkommt.
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. Oktober 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)