VwGH Ra 2016/15/0055

VwGHRa 2016/15/005517.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der L OG in B, vertreten durch MMag. Dr. Hans-Jörgen Aigner, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 47/3/5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 31. März 2016, Zl. RV/5100368/2016, betreffend Umsatzsteuer 2013, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
BAO §280 Abs1 lite;
BAO §93 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht der revisionswerbenden L OG (im Folgenden OG) im Instanzenzug Umsatzsteuer für 2013 vorgeschrieben. Begründend führte es auf Feststellungsebene u.a. aus, Dr. K habe zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung eine Facharztpraxis für Lungenkrankheiten betrieben. Aus dem zwischen Dr. K und Dr. H abgeschlossenen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer offenen Gesellschaft gehe hervor, dass die beiden Gesellschafter eine Facharztpraxis für Lungenkrankheiten errichtet hätten. Gemäß Punkt III des Gesellschaftsvertrages beginne die Gesellschaft am 1.1.2013 und ende am 31.3.2013, ohne dass es einer besonderen Auflösungserklärung der Gesellschaft bedürfe. Gemäß Punkt IV des Gesellschaftsvertrages bringe Dr. K in die Gesellschaft die Ordinationsräume, bestehend aus Ordinationsausstattung, medizinischen Geräten und Patientendokumentation, ein, während Dr. H der Gesellschaft seine Arbeitsleistung widme. In Punkt VII des Gesellschaftsvertrages der OG habe Dr. K die Erklärung abgegeben, dass er mit Ende des ersten Quartals des Jahres nach der Vollendung des 65. Lebensjahres, somit mit Ablauf des 31.3.2013, die Pension antreten werde. Weiters gehe aus diesem Vertragspunkt hervor, dass sich Dr. H verpflichtet habe, an Dr. K einen Ablösebetrag von EUR 121.011,21 nach Beendigung dieses Vertrages und Meldung des Einzelvertrages durch Dr. H zu bezahlen. Dieser Betrag setzte sich aus einer Sachablöse von EUR 21.818,86 und einer Firmenwertablöse von EUR 99.192,35 zusammen. Die Löschung der OG sei am 27.3.2013 im Firmenbuch eingetragen worden.

2 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesfinanzgericht hinsichtlich der Firmenwertablöse ("des gegenständlichen Verkaufs des Patientenstocks"), dass die übergebenen Informationen im Patientenstock eine Hilfe für die reibungslose Fortführung der Ordination durch Dr. H darstellten. Der Verkauf sei daher als ein Hilfsgeschäft zu qualifizieren, welches nicht unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 falle. Hilfsgeschäfte, die nicht nach § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 befreit seien, könnten gemäß § 6 Abs. 1 Z 26 UStG 1994 steuerfrei sein. Dieser Befreiungstatbestand setze jedoch die Lieferung eines Gegenstandes voraus. Ein Patientenstock stelle keinen körperlichen Gegenstand dar, der unter den Begriff der "Lieferung von Gegenständen" nach der Mehrwertsteuersystem-RL falle. Der wirtschaftliche Gehalt des Kaufs eines Patientenstocks liege im Erwerb von Informationen über Patienten. Der Umsatz, welcher sich aus dem Verkauf eines nicht körperlichen Gegenstandes ergebe, stelle damit einen steuerpflichtigen Umsatz aus einer Dienstleistung dar.

3 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit bringt diese vor, dass bei richtiger Würdigung des Sachverhalts ein steuerbarer Umsatz durch die Übertragung des Unternehmensvermögens einschließlich der Patientenkartei und des Firmenwertes hätte verneint werden müssen, weil bei einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OG das Ausscheiden eines Gesellschafters weder zu einem (steuerfreien) Umsatz von Gesellschaftsanteilen noch zu einer steuerpflichtigen Geschäftsveräußerung, sondern zu einer nichtsteuerbaren Vereinigung der Gesellschaftsrechte in einer Hand durch Anwachsung iSd § 142 UGB führe. Das Bundesfinanzgericht habe dazu seiner Entscheidung in einem wesentlichen Punkt einen aktenwidrigen Inhalt zu Grunde gelegt, indem es von einer Veräußerung von Vermögen einschließlich der Patientenkartei durch die OG an Dr. H ausgegangen sei. Ein solcher Veräußerungsvorgang sei den Verfahrensakten nicht zu entnehmen.

4 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist zulässig und begründet.

7 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach zum Ausdruck gebracht hat (vgl. grundlegend VwGH 28.5.1997, 94/13/0200), muss die Begründung eines Erkenntnisses erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist.

8 Diesen Anforderungen an eine Begründung genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.

9 Das Bundesfinanzgericht ist im Revisionsfall von einer Veräußerung des Patientenstocks von der revisionswerbenden OG an Dr. H ausgegangen. Diese Sachverhaltsfeststellung stützte es auf Art. VII des Gesellschaftsvertrages.

10 Gemäß Art. VII des in den Verwaltungsakten einliegenden Gesellschaftsvertrages "verpflichtet sich Dr. (H) an Dr. (K) einen Ablösebetrag von EUR 121.011,21 ... brutto nach Beendigung dieses Vertrages und Meldung des Einzelvertrages durch Dr. (H) zu bezahlen". Aus der Formulierung dieser Vertragsbestimmung, die prima facie Verpflichtungen zwischen den beiden Gesellschaftern für die Zeit nach Beendigung der OG regelt, ist aber nicht ohne Weiteres abzuleiten, dass die OG als Verkäuferin der Ordination auftreten würde. Damit bleibt das Bundesfinanzgericht eine nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, dass es in diesem Zusammenhang einen Umsatz der OG angenommen hat.

11 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich sohin als mit Verfahrensmängeln belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

12 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz ergibt sich aus den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Oktober 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte