VwGH Ra 2016/10/0083

VwGHRa 2016/10/008323.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der M S in G, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 21A, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Juni 2016, Zl. LVwG-AV-1038/001-2015, betreffend Apothekenkonzession (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf; mitbeteiligte Parteien: 1. E KG, Apotheke in Z, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nußdorfer Straße 10-12, 2. S W, Apotheke in G, vertreten durch Dr. Karl Newole, in 1010 Wien, Zelinkagasse 6), den Beschluss gefasst:

Normen

62015CO0634 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs6a idF 2016/I/30;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106, 40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Juni 2016 (zugestellt am 9. Juni 2016) hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der von den mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. August 2015 erhobenen Beschwerde Folge gegeben und den Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke an einem näher genannten Standort in B abgewiesen. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sich dem eingeholten Bedarfsgutachten der Apothekerkammer zufolge durch die beantragte neue Apotheke das Mindestversorgungspotenzial der bestehenden Apotheke der zweitmitbeteiligten Partei auf weniger als 5.500 (auf 4.439) Personen verringern würde. Die Entfernung der Betriebsstätte der neuen Apotheke zur nächstgelegenen Apotheke (jener der zweitmitbeteiligten Partei) betrage 2,382 Straßenkilometer. Es sei daher auszuschließen, dass die Errichtung der beantragten Apotheke erforderlich sei, um der Bevölkerung eines bestimmten abgelegenen ländlichen Gebietes einen zumutbaren Anfahrtsweg zu gewährleisten. Die Voraussetzungen für ein Unterschreiten des in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG normierten Mindestversorgungspotenzials von 5.500 Personen gemäß § 10 Abs. 6a ApG (idF BGBl. I Nr. 30/2016) lägen daher nicht vor.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstatteten die mitbeteiligten Parteien je eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

4 Die Revision bringt in den Zulässigkeitsgründen - unter Bezugnahme auf den Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), sowie ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. Juli 2016 - vor, das Landesverwaltungsgericht habe die Erteilung der Konzession zu Unrecht verweigert; es hätte die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z 3 ApG unangewendet lassen und die Apothekenkonzession ohne Rücksicht auf eine allfällige Einschränkung des Kundenpotenzials einer benachbarten Apotheke auf unter 5.500 zu versorgende Personen erteilen müssen. Es sei nämlich jede dem Unionsrecht entgegen stehende nationale Bestimmung, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, unangewendet zu lassen. Die unionsrechtswidrige Regelung bzw. Auslegung der Bedarfsprüfung begründe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision ist nicht zulässig.

9 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Zl. Ra 2014/10/0054, mwN).

10 Die in den Zulässigkeitsausführungen aufgeworfene Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. März 2017, Zl. Ra 2016/10/0141, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, geklärt. Demnach geht aus dem erwähnten Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016 klar hervor, dass der EuGH nicht die Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke als solche, sondern lediglich die "allgemeine" Zugrundelegung einer unveränderlich festgelegten Anzahl von "weiterhin zu versorgenden Personen" als unionsrechtswidrig erachtet. Die Berücksichtigung des in § 10 Abs. 2 Z 3 ApG normierten Bedarfskriteriums (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltenden § 10 Abs. 6a ApG) entfaltete auch keine (unsachliche) inländerdiskriminierende Wirkung.

11 Das Verwaltungsgericht ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall keine solchen örtlichen Besonderheiten vorliegen, die eine Außerachtlassung von § 10 Abs. 2 Z 3 ApG gerechtfertigt hätten. Es ist von der hg. Rechtsprechung nicht abgewichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2014, Zl. 2013/10/0209, sowie z.B. die hg. Beschlüsse vom 11. August 2015, Ro 2014/10/0112, und vom 30. September 2015, Ro 2014/10/0081, jeweils mwN).

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Mai 2017

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