VwGH Ra 2016/08/0145

VwGHRa 2016/08/014524.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Salzburger Gebietskrankenkasse in Salzburg, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. August 2016, Zl. L511 2127494- 1/2E, betreffend Beitragszuschlag nach dem ASVG (weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Partei: Mag. C S in S), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §14;
VwGVG 2014 §15;
VwGVG 2014 §14;
VwGVG 2014 §15;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 25. Februar 2016 verpflichtete die revisionswerbende Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GKK) den Mitbeteiligten als Dienstgeber gemäß § 35 Abs. 1 ASVG zur Zahlung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG in der Höhe von EUR 2.300,--. Bei einer Überprüfung durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes seien die Dienstnehmer SS, DR und NR für den Mitbeteiligten arbeitend angetroffen worden, ohne bei der GKK angemeldet gewesen zu sein.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und brachte vor, dass es sich bei den Arbeitern um Verwandte seiner aus Serbien stammenden Lebensgefährtin MB handle; es sei in Serbien üblich, dass sich Verwandte an einem Renovierungsprojekt beteiligten.

3 Die GKK wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. Mai 2016 ab. Sie stellte im Wesentlichen fest, dass SS, DR und NR bei Umbauarbeiten an einem im Alleineigentum des Mitbeteiligten stehenden Haus angetroffen worden seien, wobei SS mit dem Verlegen von Fliesen und die beiden anderen Arbeiter mit Entrümpelungsarbeiten beschäftigt gewesen seien. Der Mitbeteiligte und MB seien Geschäftsführer der A. GmbH. MB sei verheiratet und Mutter zweier Kinder. Sie sei weder an der Wohnadresse des Mitbeteiligten noch an der Adresse der Baustelle gemeldet, sondern ebenso wie ihre Kinder an der Adresse ihres Ehemannes. Der Vater von MB habe die Arbeiten auf der Baustelle koordiniert und auch die drei angetroffenen Personen vermittelt, mit denen MB und ihr Vater weitschichtig verwandt seien. Der Mitbeteiligte habe keinerlei Nahebeziehung zu diesen Personen. In der Folge stellte die GKK die Arbeitszeiten von SS, DR und NR fest (von Montag, dem 14. Dezember 2015, bis zur Betretung am Mittwoch, dem 16. Dezember 2015, zumeist von morgens bis abends). Beweiswürdigend kam die GKK zum Ergebnis, dass MB nicht als Lebensgefährtin, sondern nur als Geschäftspartnerin des Mitbeteiligten anzusehen sei. Daraus schloss sie in weiterer Folge, dass keine familienhafte Mitarbeit vorliegen habe können. Ebenso wenig habe es sich um unentgeltliche Freundschaftsdienste gehandelt: Eine Beziehung zwischen den drei angetroffenen Personen und dem Mitbeteiligten bestehe offensichtlich nicht; es gebe aber auch keine nähere Beziehung der Arbeiter zu MB, deren Nachnamen SS nicht einmal gekannt habe.

4 Auf Grund eines Vorlageantrags des Mitbeteiligten erließ das Bundesverwaltungsgericht den nunmehr angefochtenen Beschluss. Laut dem Spruch dieses Beschlusses entschied es über die Beschwerde des Mitbeteiligen "gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 18.05.2016", indem es den "bekämpften Bescheid" behob und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GKK zurückverwies.

5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es sei von Beginn des Verfahrens an der Hinweis auf eine Lebensgemeinschaft des Mitbeteiligten mit MB vorgelegen, welche durch eine grundbücherliche Eintragung des Wohnungsgebrauchsrechtes von MB auch nicht "per se unplausibel" erscheine. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes widerspreche es nicht der "heutigen Lebenserfahrung", wenn getrennte Paare - insbesondere, wenn gemeinsame Kinder da seien - weiterhin in einer Wohnung oder einem Haus lebten. Der Mitbeteiligte habe darüber hinaus bereits gegenüber der Finanzpolizei angegeben, dass MB in Scheidung lebe. Die Verneinung der Lebensgemeinschaft könne daher nicht allein aus den Eintragungen im Melderegister begründet werden. Ausgehend von der Annahme, dass keine Lebensgemeinschaft vorläge, habe die GKK dann aber jegliche Ermittlungstätigkeit im Hinblick auf das ausreichend substantiierte Vorbringen der unentgeltlichen auf Verwandtschaftsverhältnissen beruhenden Erbringung der Arbeit unterlassen. Diese fehlenden Ermittlungen seien schon deshalb von entscheidender Bedeutung, weil auf Grund der Angaben der Finanzpolizei nicht ausgeschlossen werden könne, dass tatsächlich Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienste unter Verwandten vorgelegen seien. Die GKK habe somit all jene Ermittlungstätigkeiten unterlassen, welche für die Beurteilung des Sachverhaltes unabdingbar seien, weshalb auch "überhaupt keine Ermittlungsergebnisse" vorlägen, die das Bundesverwaltungsgericht allenfalls ergänzen könnte; es wäre das "gesamte erforderliche Ermittlungsverfahren" erstmalig durch das Bundesverwaltungsgericht durchzuführen.

6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der GKK.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine "nicht erhobene Beschwerde" entschieden habe, weil es von einer Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung ausgegangen sei. Daran ist richtig, dass sich die Beschwerde auch im Fall einer Beschwerdevorentscheidung und eines darauf folgenden Vorlageantrags stets nur gegen den Ausgangsbescheid und nicht gegen die Beschwerdevorentscheidung richtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2015, Ro 2015/08/0026). Dass im Spruch des angefochtenen Beschlusses in diesem Sinne verfehlt von der Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Mai 2016, also die Beschwerdevorentscheidung, die Rede ist, schadet aber nicht, weil dessen ungeachtet völlig eindeutig ist, über welche Beschwerde das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat.

9 Die Revision macht weiters geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es mit Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG vorgegangen sei. Damit ist die Revision im Recht, weshalb sie sich als zulässig und berechtigt erweist.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. April 2016, Ra 2015/08/0077, mwN). Im vorliegenden Fall konnte von einer dürftigen Begründung der Beschwerdevorentscheidung der GKK allerdings ohnedies keine Rede sein. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in erster Linie die Beweiswürdigung der GKK nicht geteilt; dies konnte die Zurückverweisung keinesfalls rechtfertigen, gehört doch die Beweiswürdigung in Bezug auf strittige Sachverhaltselemente zu den zentralen Aufgaben der Verwaltungsgerichte selbst (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/08/0178). Es trifft auch nicht zu, dass bei Annahme einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Mitbeteiligten und MB ergänzende Ermittlungen in einem erheblichen, eine Zurückverweisung rechtfertigenden Umfang vorzunehmen wären; vielmehr hat schon die GKK Feststellungen zu weiteren Umständen getroffen, die im Übrigen gegen die Annahme von bloßen (indirekten) Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten sprechen. Die allfällige Ergänzung der Ermittlungen und die rechtliche Beurteilung des letztlich festgestellten Sachverhalts obliegen aber dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer meritorischen Entscheidung.

11 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 24. November 2016

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