VwGH Ra 2016/08/0034

VwGHRa 2016/08/003425.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision des C G in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Dezember 2015, Zlen. W216 2108001-1/7E und W216 2108043-1/7E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices Wien, 1100 Wien, Laxenburger Straße 18 - im Folgenden: AMS), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das auf Ersatz einer weiteren Eingabegebühr gerichtete Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Zuerkennung von Arbeitslosengeldes bzw. Notstandshilfe durch den Revisionswerber für näher angeführte Zeiträume gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen werde. Der Revisionswerber habe das unberechtigt empfangene Arbeitslosengeld von EUR 843,78 und die unberechtigt empfangene Notstandshilfe von EUR 1.621,38 gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zurückzuzahlen. Er habe die genannten Leistungen zu Unrecht bezogen, weil er bei der S GmbH und bei Ing. E. geringfügig beschäftigt gewesen sei, diese Dienstverhältnisse jedoch dem AMS nicht bekannt gegeben habe. Wegen der Überschneidung der geringfügigen Beschäftigungen liege Vollversicherung vor, weshalb er für diese Zeiträume nicht als arbeitslos gelte.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

3 Der Revisionswerber macht u.a. geltend, er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, und zwar in seiner Beschwerdeergänzung vom 1. April 2015 sowie in seinem Vorlageantrag vom 22. Mai 2015, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragt. Im Vorlageantrag sei darüber hinaus der Zeuge T. R. zum Beweis dafür namhaft gemacht worden, dass der Revisionswerber sowohl die geringfügige Beschäftigung bei Ing. E. als auch das "therapeutische Taschengeld" bei der S GmbH dem AMS gemeldet habe. Der Revisionswerber habe konkrete Umstände vorgebracht, welche von den Tatsachenfeststellungen des AMS abgewichen seien. Zur Klärung dieser Fragen hätte das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündlichen Verhandlung anzuberaumen gehabt, in welcher nicht nur der Revisionswerber und der genannte Zeuge zu vernehmen, sondern auch alle übrigen Beweise unmittelbar aufzunehmen gewesen wären (§ 25 Abs. 6 VwGVG). Im konkreten Fall stehe dem Entfall einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Art. 6 EMRK entgegen.

4 Die Revision ist zulässig und berechtigt. Der Revisionswerber hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht beantragt. Daher durfte das Verwaltungsgericht iSd § 24 Abs. 4 VwGVG von der Verhandlung nur dann absehen, wenn die Akten erkennen ließen, dass durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstanden. Es gibt im vorliegenden Fall, in dem es sich um die Geltendmachung von "civil rights" handelt, keinen Hinweis darauf, dass von vornherein anzunehmen wäre, die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung könnte nichts zur Klärung der Rechtssache beitragen, zumal es sich nicht bloß um eine Frage technischer Natur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2015, Ra 2015/11/0004), sondern um die abwägende Beurteilung einer Dienstnehmereigenschaft handelt.

5 Es gehört gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des Verwaltungsgerichts, dem auch in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen, um sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. zum Erfordernis einer sogar amtswegigen Durchführung der mündlichen Verhandlung das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2015, Ra 2015/08/0101, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. April 2015, Ra 2015/11/0004).

6 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne dass in Anbetracht der nicht geklärten sachverhaltsmäßigen Grundlage auf die anderen Revisionspunkte näher einzugehen war.

7 Die Zuerkennung von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren auf Ersatz einer weiteren Eingabegebühr war abzuweisen, weil im vorliegenden Fall nur eine Eingabegebühr gemäß § 24a Z 1 VwGG zu entrichten war.

Wien, am 25. April 2016

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