VwGH Ra 2016/07/0020

VwGHRa 2016/07/002031.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision des S H in F, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 15. Dezember 2015, Zl. LVwG-1/301/10-2015, betreffend Sonderteilung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Agrarbehörde Salzburg; mitbeteiligte Parteien: 1. O S in F, 2. A S in F, 3. P E in F, 4. A S in F, 5. M

S in F, 6. A L in F, 7. S V in F, 8. J R in F, 9. E R in F und

10. G & Co KG in B), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13a;
AVG §53 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6 Abs3 litd;
MRK Art6 Abs3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016070020.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem mit der vorliegenden außerordentlichen Revision angefochtenen Erkenntnis vom 15. Dezember 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg im Beschwerdeverfahren einen Antrag des Revisionswerbers auf Ausscheidung seiner Stammsitzliegenschaften aus der Agrargemeinschaft "F.W." gemäß §§ 41 Abs. 1 und 5, 42 Abs. 1 und 4 sowie 45 und 46 Salzburger Flurverfassungs-Landesgesetz 1973 - Sbg. FLG 1973 ab, wobei das Landesverwaltungsgericht die Revision nicht zuließ.

2 Zur Begründung stützte sich das Landesverwaltungsgericht insbesondere auf § 45 Abs. 2 Sbg. FLG 1973, wonach eine Sonderteilung lediglich durch Ausscheidung einzelner Mitglieder der Agrargemeinschaft unter Aufrechterhaltung der Gemeinschaft zwischen den übrigen Mitgliedern "nur unter der weiteren Voraussetzung zulässig" ist, "daß der verbleibenden Gemeinschaft durch das Ausscheiden kein wirtschaftlich erheblicher Nachteil erwächst".

3 Mit Blick auf diese Bestimmung stellte das Landesverwaltungsgericht fest, die "Ausscheidungsfläche" beziehe sich auf einen Bereich des gesamten Besitzkomplexes der Agrargemeinschaft, der für diese im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Bildung eines Eigenjagdgebietes essentiell erforderlich sei; im Fall der Realisierung der beantragten Sonderteilung wäre eine Eigenjagdbildung für die Agrargemeinschaft in diesem Bereich de facto ausgeschlossen, weil damit das Mindestausmaß von 115 ha als Voraussetzung für die Bildung einer Eigenjagd vereitelt wäre. Bereits darin erblickte das Landesverwaltungsgericht einen erheblichen Nachteil für die verbleibende Gemeinschaft im Sinn des § 45 Abs. 2 Sbg. FLG 1973.

4 Dazu komme, dass eine monetäre Bewertung der Jagdpachterlöse einen Betrag ergebe, der für die Agrargemeinschaft als wesentliche Ertragskomponente zu bezeichnen sei, vor allem weil die Einnahmenseite der Agrargemeinschaft - insbesondere wegen der reduzierten Ertragslage aus der Forstwirtschaft - ansonsten "überschaubar" sei. Darüber hinaus seien Jagdeinnahmen ein im Wesentlichen konstanter und vorhersehbarer Ertragszweig.

5 "In Ansehung der unabdingbaren Voraussetzung" des § 45 Abs. 2 Sbg. FLG 1973 könnten die in der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den abweisenden Bescheid der belangten Behörde - auch in kritischer Auseinandersetzung mit dem agrarbehördlicherseits eingeholten Gutachten - vorgebrachten agrarstrukturellen Aspekte im Ergebnis nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein.

6 Die Revision ließ das Landesverwaltungsgericht insbesondere deshalb nicht zu, weil es keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage in dem Sinne gebe, dass sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße.

7 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 3. In den Zulassungsausführungen der außerordentlichen Revision wird eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

11 3.1. Zunächst behauptet der Revisionswerber, das Landesverwaltungsgericht habe entgegen der "bisherigen Rechtsprechung der Höchstgerichte" eine Befangenheit des sowohl von der belangten Behörde als auch vom Landesverwaltungsgericht beigezogenen agrartechnischen Amtssachverständigen DI P.E. nicht aufgegriffen; richtigerweise hätte das Landesverwaltungsgericht auch mit Blick auf die in der Beschwerde vorgebrachte Widersprüchlichkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren einen weiteren agrartechnischen Amtssachverständigen beiziehen müssen.

12 In diesem Zusammenhang zieht die Revision "einen Vergleich zum Strafrecht", indem sie auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 10. März 2015, Zl. G 180/2014 u.a., verweist. Darin sprach der Verfassungsgerichtshof zum gerichtlichen Strafverfahren aus, dass eine bestimmte Norm der Strafprozessordnung, die es dem Angeklagten im Hauptverfahren - in dem der Staatsanwalt dem Angeklagten als Anklagevertreter gegenübertritt - von vornherein und ausnahmslos verbat, den vom Staatsanwalt im Ermittlungsverfahren beauftragten Experten im Fall von objektiven, gegen dessen völlige Neutralität sprechenden Anhaltspunkten im Zusammenhang mit seiner konkreten Tätigkeit im Ermittlungsverfahren als befangen abzulehnen, gegen das in Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK garantierte Gebot der Waffengleichheit verstieß und deshalb verfassungswidrig war.

13 Eine Übertragung dieser Aussage auf ein Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliches Verfahren - wie im vorliegenden Fall - erscheint allerdings schon deshalb nicht als geboten, weil die vom Verfassungsgerichtshof zugrunde gelegte Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK zu dem von Art. 6 Abs. 3 EMRK garantierten strafprozessualen Mindeststandard gehört (vgl. Mayer/Muzak, B-VG5 Anm. F zu Art. 6 MRK).

14 Dazu kommt, dass nach der hg. Rechtsprechung die Parteien des Verwaltungsverfahrens bezüglich der Amtssachverständigen zwar kein formelles Ablehnungsrecht haben, was allerdings deren verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz nicht mindert, weil die betroffene Partei dennoch die Möglichkeit hat, Umstände, die gegen den Amtssachverständigen sprechen, im Verfahren vorzutragen. Die Behörde hat ein diesbezügliches Vorbringen auf seine Berechtigung hin zu prüfen und ihre diesbezüglichen Erwägungen grundsätzlich in der Bescheidbegründung darzulegen (vgl. die entsprechenden Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 53 Rz 12).

15 Der Revisionswerber hat es jedoch - nach Ausweis der vorgelegten Akten - im Verfahren vor der belangten Behörde und vor dem Landesverwaltungsgericht unterlassen, eine Befangenheit des Amtsachverständigen DI P.E. zu behaupten. Mit dem Vorwurf, das von diesem erstattete Gutachten sei widersprüchlich, wird eine Befangenheit jedenfalls nicht dargelegt; schließlich kann selbst ein tatsächlich bestehender Mangel an Fachkunde nicht als Befangenheit des Amtssachverständigen gewertet werden, ebensowenig die Tatsache, dass ein Amtssachverständiger in die Amtshierarchie eingebunden ist oder etwa der unterinstanzlichen Behörde angehört (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 53 Rz 6 f).

16 3.2. Soweit die Zulassungsausführungen im Weiteren rügen, das Landesverwaltungsgericht habe nicht beweiswürdigend dargetan, weshalb es dem Gutachten des Amtsachverständigen DI P.E. folge und nicht jenem des vom Revisionswerber beauftragten Sachverständigen Ing. B.F., wird die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. September 2015, Zl. Ra 2015/06/0083, mwN); der Revisionswerber führt nicht aus, was anhand des Gutachtens von Ing. B.F. - etwa mit Blick auf den vom Landesverwaltungsgericht angenommenen wirtschaftlich erheblichen Nachteil für die verbleibende Gemeinschaft bei Ausscheidung des Revisionswerbers - festgestellt hätte werden können.

17 3.3. Schließlich führen die Zulassungsausführungen der Revision aus, das Landesverwaltungsgericht hätte den Revisionswerber als unvertretene Partei gemäß § 13a AVG dazu anleiten müssen, einen Antrag auf Einholung eines "Obergutachtens" (gemeint wohl: eines ergänzenden Gutachtens) zu stellen.

18 Damit lässt der Revisonswerber allerdings außer Acht, dass der nach § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendende § 13a AVG nicht dazu verpflichtet, die Partei zur Stellung bestimmter Beweisanträge anzuleiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 2011, Zl. 2010/06/0029, mwN).

19 4. Die vorliegende außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 31. März 2016

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