Normen
B-VG Art135 Abs1 idF 2012/I/051;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
BVwGG 2014 §6 Abs1;
FMABG 2001 §22 Abs2a idF 2013/I/070;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
B-VG Art135 Abs1 idF 2012/I/051;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art83 Abs2;
BVwGG 2014 §6 Abs1;
FMABG 2001 §22 Abs2a idF 2013/I/070;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 19. Juni 2015 richtete die mitbeteiligte Partei ein ausdrücklich auf das Auskunftspflichtgesetz gestütztes "Auskunftsersuchen" an die revisionswerbende Finanzmarktaufsichtsbehörde. Sie stellte darin den Antrag, ihr sämtliche Amtshilfeersuchen der Finanzmarktaufsichtsbehörde an ausländische Behörden sowie sämtliche diesbezügliche Antworten und Auskünfte ausländischer Behörden, sämtliche Amtshilfeersuchen ausländischer Behörden an die Finanzmarktaufsichtsbehörde sowie sämtliche diesbezügliche Antworten und Auskünfte der Finanzmarktaufsichtsbehörde, sowie sonstige der Finanzmarktaufsichtsbehörde vorliegende, mit derartigen Ersuchen in Zusammenhang stehende Korrespondenzen zwischen österreichischen und ausländischen Behörden betreffend die mitbeteiligte Partei und deren Organe und Mitarbeiter bekanntzugeben und zu übermitteln. Weiters beantragte sie die Übermittlung einer digitalen Aktenabschrift der diesbezüglichen Akten, in eventu Akteneinsicht in diese Akten.
2 Mit Bescheid vom 12. August 2015 wies die Finanzmarktaufsichtsbehörde diese Anträge gemäß § 4 Auskunftspflichtgesetz ab.
3 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen, durch eine Einzelrichterin gefassten Beschluss hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Finanzmarktaufsichtsbehörde zurück. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Gegen diesen Beschluss erhob die Finanzmarktaufsichtsbehörde Revision an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss "wegen unrichtiger Besetzung des BVwG", wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision führt die revisionswerbende Partei unter anderem aus, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 2a FMABG außer in Bagatellstrafverfahren stets durch Senat zu entscheiden habe. Der Rechtsfrage, ob das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde durch einen Senat oder durch Einzelrichter zu entscheiden habe, komme grundsätzliche Bedeutung zu.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist im Sinne der oben zitierten Ausführungen der Revision zur Zulässigkeitsbegründung zulässig, weil zur Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen einen Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde durch Senat oder - wie im vorliegenden Fall erfolgt - durch eine Einzelrichterin zu entscheiden hat, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt (vgl. zur Frage der Senats- oder Einzelrichterzuständigkeit in Disziplinarsachen als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung das hg. Erkenntnis vom 21. April 2015, Zl. Ra 2014/09/0042). Die Revision ist auch berechtigt:
7 Art. 135 Abs. 1 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, lautet, soweit für den Revisionsfall von Bedeutung, wie folgt:
"Die Verwaltungsgerichte erkennen durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. (...)"
8 Gemäß § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
9 § 22 Abs. 2a des Bundesgesetzes über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz - FMABG), BGBl. I Nr. 97/2001 in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Bundesministerium für Finanzen, BGBl. I Nr. 70/2013, lautet, soweit hier maßgeblich, wie folgt:
"Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden bei denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. (...)"
10 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz - Bundesministerium für Finanzen (2196 BlgNR 24. GP , S. 5) führen zu dieser Bestimmung Folgendes aus:
"Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes des Bundes durch Senat binnen angemessen kurzer Fristen sichergestellt werden, um eine gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich längere gerichtliche Klärung von Rechtsstreitigkeiten wegen Bescheiden der FMA zu vermeiden.
Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG stellt den Grundsatz auf, dass das Verwaltungsgericht des Bundes durch den Einzelrichter entscheidet. Einfachgesetzlich wird diese Verfassungsbestimmung in § 6 BVwGG nachvollzogen. Gemäß Art. 135 Abs. 1 zweiter Satz B-VG kann jedoch durch einfaches Bundesgesetz die Senatszuständigkeit vorgesehen werden. Hiervon wird für Beschwerden gegen Bescheide der FMA Gebrauch gemacht und die Formulierung aus Art. 136 Abs. 1 zweiter Satz B-VG adaptiert, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen nach den Vorschriften des AVG oder nach den Vorschriften des VStG erlassenen Bescheid handelt. Denn im Bereich des Finanzmarktes ist davon auszugehen, dass Rechtsstreitigkeiten entweder eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufweisen oder zumindest in tatsächlicher, in rechtlicher oder in beiderlei Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweisen. Ausgenommen sind Bescheide über Bagatellstrafen wobei als Schwellenwert die Betragsgrenze für Strafverfügungen maßgeblich ist.
(...)"
11 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hat das Bundesverwaltungsgericht nach dem klaren Wortlaut des § 22 Abs. 2a erster Satz FMABG über Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde grundsätzlich durch Senat zu entscheiden. Ausgenommen davon sind lediglich Verfahren in Verwaltungsstrafsachen bei Bescheiden (der Finanzmarktaufsichtsbehörde), in denen weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde; in diesen Verfahren ist nach der grundsätzlichen Festlegung in Art. 135 Abs. 1 B-VG sowie der organisationsrechtlichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 BVwGG daher durch Einzelrichter zu entscheiden.
12 Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsansicht bieten auch die Materialien zu § 22 Abs. 2a FMABG keinen Anhaltspunkt, dieser Bestimmung einen vom Wortlaut abweichenden Bedeutungsinhalt zuzumessen bzw. diese Bestimmung für den verfahrensgegenständlichen Fall, wie die mitbeteiligte Partei meint, als "nicht anwendbar" anzusehen. Zwar geht aus den oben zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage hervor, dass der Gesetzgeber die grundsätzliche Senatszuständigkeit bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über Beschwerden gegen Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde deshalb festgelegt hat, weil er davon ausging, dass Rechtsstreitigkeiten über Entscheidungen der Finanzmarktaufsichtsbehörde "entweder eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufweisen oder zumindest in tatsächlicher, in rechtlicher oder in beiderlei Hinsicht besondere Schwierigkeiten aufweisen."
13 § 22 Abs. 2a FMABG stellt jedoch - abgesehen von hier nicht relevanten "Bagatellstrafverfahren" - in typisierender Weise ausschließlich auf die bescheiderlassende Behörde ab, nicht aber auf die Frage, ob eine Rechtssache tatsächlich "besondere Schwierigkeiten" im Sinne der Erläuterungen aufweist. Damit entspricht die Regelung auch dem Legalitätsprinzip des Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 83 Abs. 2 B-VG, nach dem der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gerade in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung verpflichtet ist und eine Zuständigkeitsfestlegung klar und unmissverständlich sein muss (vgl. zuletzt im Hinblick auf Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 2015, G 199-200/2014). Auch auf die jeweilige rechtliche Grundlage der von der Finanzmarktaufsichtsbehörde erlassenen Bescheide kommt es nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht an.
14 Der von der mitbeteiligten Partei aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Bundesministerium für Finanzen gezogenen Schlussfolgerung, dass im Revisionsfall, in dem nach Ansicht der mitbeteiligten Partei Besonderheiten des Finanzmarktes keine Rolle gespielt hätten, daher die Anwendung des § 22 Abs. 2a FMABG "aus teleologischen Überlegungen zu verneinen" sei, kann daher nicht gefolgt werden; dies ganz abgesehen davon, dass das von der mitbeteiligten Partei gestellte "Auskunftsersuchen" der Sache nach im Wesentlichen die Einsicht in Verwaltungsakten aufsichtsbehördlicher Verfahren der Finanzmarktaufsichtsbehörde zum Ziel hatte und damit einen Kernbereich der Finanzmarktaufsicht betraf.
15 Da das Bundesverwaltungsgericht entgegen § 22 Abs. 2a FMABG über die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen einen - keine "Bagatellstrafe" im Sinne dieser Bestimmung betreffenden - Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde nicht durch einen Senat, sondern durch eine Einzelrichterin und damit nicht in der gesetzmäßigen Besetzung entschieden hat, war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben. Auf das weitere Revisionsvorbringen war vor diesem Hintergrund nicht mehr einzugehen.
Wien, am 24. Oktober 2016
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