Normen
ABGB §309;
KFG 1967 §103 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ABGB §309;
KFG 1967 §103 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Kärnten (der revisionswerbenden Partei) vom 13. Juli 2015 wurde die Mitbeteiligte einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG schuldig erkannt, weil sie es als Zulassungsbesitzerin unterlassen habe, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmtem Ort gelenkt habe. Die Mitbeteiligte habe in ihrem Schreiben vom 26. März 2015 in unzulässiger Weise zwei Personen angegeben, die die Auskunft erteilen könnten. Über die Mitbeteiligte wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 110,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt.
2 In dem gegen diese Strafverfügung erhobenen Einspruch brachte die Mitbeteiligte - auszugsweise wiedergegeben - wie folgt vor:
"Es ist unrichtig, dass ich als Zulassungsbesitzerin der LPD Kärnten zwei Personen genannt hätte, denen ich mein Kfz am 2. August 2014 überlassen hätte. Ich habe in meiner am 27. März 2014 bei der LPD Kärnten abgegebenen Meldung zwei Auskunftspflichtige genannt. Es wäre somit Aufgabe der genannten Behörde bzw. deren Organwalter und nicht meine, diese Auskunftspflichtigen zu befragen, um letztlich zu eruieren, wer mein Kfz damals gelenkt hat. Ich bin jedenfalls meiner gesetzlichen Auskunftspflicht gegenüber der Behörde nach bestem Wissen und Gewissen und im Rahmen der mir zugänglichen und rechtlichen Vorschriften nachgekommen.
...
Ich habe diese Auskunft nach sorgsamer Recherche erteilt. Einerseits bezüglich der Auskunftspersonen (hätte ich nur eine angegeben, wäre dies unrichtig bzw. unvollständig gewesen, da ich alle Familienmitglieder, die zum betreffenden Zeitpunkt Zugang zu meinem Kfz hatten befragt habe, zwei konnte ich wegen Aufenthalts an anderen Orten ausschließen), andererseits durch das Studium des § 103 Abs. 2 KfG.
...
Da mich keine generelle Verpflichtung trifft, Fahrtenbücher zu führen und in meinem Haushalt des Öfteren in unregelmäßigen Abständen insgesamt fünf Personen Zugang zu jeweils allen Kfz, die wir besitzen haben ist es schlicht unmöglich, das Verlangen der LPD Kärnten in dem Ausmaß zufriedenzustellen, in dem sie bzw. ihre Organwalter es verlangen (siehe dazu auch erster Absatz). Zudem habe ich niemandem mein Fahrzeug zur ständigen Benutzung überlassen, in diesem Fall hätte ich selbstverständlich gewissenhaft meine Aufzeichnungen darüber geführt. ..."
3 Auf Grund des Einspruchs hat die revisionswerbende Partei das ordentliche Verfahren eingeleitet. Die Mitbeteiligte wurde mit Straferkenntnis vom 24. November 2015 einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG schuldig erkannt. Sie habe es als auskunftspflichtige Zulassungsbesitzerin unterlassen, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Auskunft darüber zu erteilen, wer das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gelenkt habe. Die Mitbeteiligte habe in einem innerhalb der zweiwöchigen Frist bei der Behörde abgegebenen Schreiben mitgeteilt, sie könne die Auskunft nicht erteilen. Als Auskunftspflichtige habe sie zwei Personen angegeben. Über die Mitbeteiligte wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 110,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt.
4 Nach der wesentlichen Begründung sei es - ebenso wie bei der Angabe des Lenkers - unzulässig, zwei Personen als Auskunftspflichtige anzugeben.
5 Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gegeben, das Straferkenntnis vom 24. November 2015 aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Die ordentliche Revision wurde als unzulässig erklärt.
6 Nach Wiedergabe der - inhaltlich im Wesentlichen dem Einspruch entsprechenden - Beschwerde der Mitbeteiligten führte das Verwaltungsgericht begründend aus, nach der Aktenlage stehe fest, dass die Mitbeteiligte die seitens der Behörde geforderte Lenkerauskunft fristgerecht übermittelt habe. In der Lenkerauskunft seien von der Mitbeteiligten zwei Personen als "Auskunftspflichtige" bekannt gegeben worden. Nach Darstellung der Rechtslage führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, die Verwaltungsbehörde gehe davon aus, dass der Zulassungsbesitzer, sofern dieser die geforderte Auskunft nicht selbst erteilen könne, lediglich eine Person als Auskunftspflichtige bekannt geben dürfe. Für diese Rechtsansicht spreche weder der Wortlaut noch der Sinn des § 103 Abs. 2 KFG. Die dort mehrmals vorkommenden Wörter "ein, einen, einem" seien Zahlwörter und nicht unbestimmte Artikel. Nichts spreche dafür, unter der Wendung "so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft geben kann" nur eine einzige Person zu verstehen, und nicht jede Person, die die Auskunft erteilen könne, was auch auf mehrere Personen in bestimmter Reihenfolge zutreffen könne (Hinweis auf das Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0178). Das Verwaltungsgericht sehe in der Nennung von zwei Auskunftspflichtigen (im Gegensatz zur Nennung zweier Personen, denen das Fahrzeug zum Lenken überlassen worden sei) keinen Verstoß gegen § 103 Abs. 2 KFG. Der Tatvorwurf, die Mitbeteiligte habe ihre gesetzliche Auskunftspflicht verletzt, lasse sich daher nicht aufrechterhalten. Das Unterlassen einer Reihung möglicher Auskunftspflichtiger, wie im - eben zitierten - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 1990 angeführt, könne nicht zulasten der Mitbeteiligten gehen, weil sich bei Angabe von zwei auskunftspflichtigen Personen die Reihung bereits aus der Anführung der Namen in der Lenkerauskunft ergebe.
7 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
8 Die Mitbeteiligte hat auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes als zulässig. Die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichtes, es könnten auch zwei Personen als Auskunftspflichtige genannt werden, widerspreche der - in der Revision näher angeführten - einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
10 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
11 § 103 Abs. 2 KFG lautet:
"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."
12 Dem vom Verwaltungsgericht zur Unterstützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Erkenntnis vom 11. Mai 1990, Zl. 89/18/0178, liegt eine Lenkeranfrage zu Grunde, die auf die Bekanntgabe des Lenkens zu zwei Zeitpunkten und an zwei Orten abzielte. Darauf bezog sich folgender Rechtssatz:
"Es ist zulässig, von einer Person als Zulassungsbesitzer eines oder mehrerer Kraftfahrzeuge hinsichtlich eines oder mehrerer bestimmter Zeitpunkte des Lenkens oder des Abstellens (an einem oder mehreren Orten) im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG Auskünfte in EINEM Papier oder in EINEM Telefongespräch (§ 123 Abs. 4 KFG) zu verlangen, sofern die Zuordnung des bestimmten Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt und/oder einem bestimmten Ort eindeutig erfolgt. Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 103 Abs. 2 KFG spricht dafür, daß die dort mehrmals vorkommenden Wörter ‚ein', ‚einen', ‚einem' Zahlworte und nicht vielmehr unbestimmte Artikel sind; nichts spricht dafür, unter der Wendung ‚so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann' nur ‚eine einzige Person' zu verstehen und nicht JENE Person, die die Auskunft erteilen kann ..."
13 In der Folge nahm der Verwaltungsgerichtshof zur Frage Stellung, wann der Zulassungsbesitzer von der Verpflichtung zur Angabe des Lenkers enthoben ist und einen Auskunftspflichtigen zu benennen hat:
"Der Gerichtshof versteht die im § 103 Abs. 2 KFG festgelegte Pflicht in ihrer Reihenfolge und in ihrem Umfang wie folgt:
Der Fall, daß der Zulassungsbesitzer die Auskunft nicht erteilen kann wird in der Regel - also z.B. ausgenommen eine geistige Behinderung des Zulassungsbesitzers im Sinne des § 273 Abs. 1 ABGB - dann vorliegen, wenn er die Gewahrsame am Kraftfahrzeug an eine andere Person weitergegeben hat. Unter Gewahrsame wird die körperliche - wenn auch, im Gegensatz zum Erfordernis der zivilrechtlichen Pfandbestellung, nicht ausschließliche (dazu Petrasch in Rummel2, Rz 2 zu § 452; SZ 58/1:
alle Schlüssel) - Verfügungsmacht zu verstehen sein, die vornehmlich durch Übergabe von Kraftfahrzeugschlüsseln, unter Einhaltung der rechtlichen Vorschriften aber auch (§ 102 Abs. 5 lit. b KFG) des Zulassungsscheines sowie sonstiger vom Lenker bei der Fahrt mitzuführender Urkunden erfolgt (vgl. EB zur RV der 3. Novelle zum KFG, 57 BlgNr. 14 GP , 46: Übergabe des Zulassungsscheins und der Fahrzeugschlüssel).
Liegt eine solche Übergabe an die vom Zulassungsbesitzer nach Name und Anschrift genannte Person vor - was die Behörde allenfalls gemäß § 103 Abs. 2, Satz 2, letzter Halbsatz KFG zu überprüfen hat - so treffen den Zulassungsbesitzer hinsichtlich des weiteren Verhaltens dieser Person gegenüber der Behörde keine weiteren Auskunftspflichten, mag diese Person nun eine richtige oder falsche Auskunft erteilen oder diese verweigern."
14 Die Überlassung des Kraftfahrzeuges (regelmäßig in Form der Weitergabe der Gewahrsame) an eine nach Name und Anschrift genannte Person löst demnach die Verpflichtung des Zulassungsbesitzers zur Bekanntgabe eines Auskunftspflichtigen aus; ohne Überlassung wäre bekannt zu geben, wer das Fahrzeug gelenkt bzw. abgestellt hat.
15 Die Gewahrsame am Kraftfahrzeug kann der Zulassungsbesitzer allerdings nicht nur an eine Person, sondern an mehrere Personen übertragen. Kann er in einem solchen Fall den jeweiligen Auskunftspflichtigen nicht ohne weiteres namhaft machen, wird er gemäß § 103 Abs. 2 vorletzter Satz KFG entsprechende Aufzeichnungen zu führen haben. Im Falle einer Lenkeranfrage hinsichtlich des Lenkens an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt hat der Zulassungsbesitzer dann den jeweiligen Auskunftspflichtigen zu benennen. Die Angabe mehrerer oder aller Personen, denen das Kraftfahrzeug überlassen worden ist, wäre unzulässig.
16 Die Bekanntgabe mehrerer Auskunftspflichtiger hinsichtlich des Lenkens an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt wäre nur dann zulässig, wenn das Kraftfahrzeug an mehrere Personen gemeinschaftlich weiter gegeben worden ist, demnach jede dieser Personen die verlangte Auskunft erteilen kann und es der Behörde freisteht, an wen sie sich wendet.
17 In der vorliegenden Lenkerauskunft vom 26. März 2016 hat die Mitbeteiligte angegeben, die verlangte Auskunft, wer das Fahrzeug gelenkt hat, nicht erteilen zu können und hat zwei Auskunftspflichtige bekannt gegeben. Als Grund für das Unterlassen der Nennung eines Lenkers brachte sie unter anderem vor, dass "in meinem Haushalt des Öfteren in unregelmäßigen Abständen insgesamt fünf Personen Zugang zu jeweils allen Kfz, die wir besitzen haben" sowie, sie habe "niemandem mein Fahrzeug zur ständigen Benutzung überlassen".
18 Eine gemeinschaftliche Überlassung an die beiden in der Lenkerauskunft genannten Personen als Voraussetzung der zulässigen Nennung beider Auskunftspflichtiger hat die Mitbeteiligte somit nicht behauptet; ebenso wenig eine konkrete Überlassung an die eine oder andere genannte Person. Auch kann allein in der Ermöglichung des Zuganges zu jeweils allen Kraftfahrzeugen ohne weitere Zuordnung bestimmter Kraftfahrzeuge zu bestimmten Personen keine Überlassung an die beiden in der Lenkerauskunft genannten Personen gesehen werden.
In Anbetracht dieses Sachverhaltes erweist sich im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis vertretene Auffassung, auch ohne gemeinschaftliche Weitergabe des Kraftfahrzeuges sei die Nennung mehrerer Auskunftspflichtiger zulässig, die der Behörde in der Reihenfolge ihrer Nennung Auskunft zu erteilen hätten, als rechtswidrig. Vielmehr hätte die Mitbeteiligte mangels feststellbarer Überlassung - allenfalls mithilfe von entsprechenden Aufzeichnungen - die Person zu benennen gehabt, die das Fahrzeug gelenkt hat.
Für eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Mitbeteiligte aus den vom Verwaltungsgericht angenommenen Gründen bestand nach dem Gesagten somit kein Anlass.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 9. September 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)