Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. September 1989 wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 16. November 1988, zugestellt am 18. November 1988, binnen zwei Wochen nach Zustellung bekanntzugeben, wer am 22. Juli 1988 um 19.18 Uhr das Fahrzeug mit bestimmtem Kennzeichen gelenkt habe; er habe, da er die Auskunft nicht erteilen konnte, nicht diejenige Person zur Auskunftserteilung benannt, die die Auskunft erteilen konnte, da er eine Person - XY - zur Auskunftserteilung genannt habe, die dazu nicht imstande gewesen sei. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) begangen; die von der ersten Instanz verhängte Geld- und Ersatzarreststrafe wurde herabgesetzt.
In der Begründung des Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Zulassungsbesitzer auf die Lenkeranfrage angegeben, er könne die Auskunft nicht erteilen, die Auskunftspflicht träfe XY, an bestimmter Anschrift wohnhaft. Dieser XY habe auf Anfrage der Behörde angegeben, auch er könne die Auskunft nicht erteilen, sondern ZZ an bestimmter Anschrift. Es habe somit XY "die Auskunftspflicht nach § 103 Abs. 2 KFG in Abrede gestellt". Es gehe zu Lasten des Zulassungsbesitzers, wenn die von ihm namhaft gemachte Person keine Auskunft erteilen könne, zumal sich der erstere darum zu kümmern habe, daß die zweitgenannte Person die Auskunft tatsächlich erteilen könne. Es gehe nicht darum, ob XY eine unrichtige oder falsche Auskunft in bezug auf den Lenker erteilt habe, entscheidend sei lediglich, daß XY als Person benannt worden sei, die die Auskunft erteilen könne, was sich aber als unrichtig herausgestellt habe. Diesen Umstand habe der Zulassungsbesitzer zu vertreten. Es sei nicht Aufgabe der Behörde, weitwendige Überprüfungen anzustellen, wer auskunftspflichtig sei, XY oder ZZ. Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens sei lediglich die Anfrage bezüglich des Zeitpunktes 22. Juli 1988, 19.18 Uhr. Die "zweite" Anfrage sei weggefallen. Es sei zulässig, in einem Papier einen Zulassungsbesitzer nach zwei Zeitpunkten und zwei Orten im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG zu befragen. Die Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 103 Abs. 2 KFG in der Fassung der 10. Novelle,
BGBl. Nr. 106/1986, kann die Behörde Auskünfte darüber
verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem
Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt ... bzw. zuletzt
vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort
abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die
Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der
Zulassungsbesitzer ... zu erteilen; kann er diese Auskunft
nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behröde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint.
Es ist zulässig, von einer Person als Zulassungsbesitzer eines oder mehrerer Kraftfahrzeuge hinsichtlich eines oder mehrerer bestimmter Zeitpunkte des Lenkens oder des Abstellens (an einem oder mehreren Orten) im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG Auskünfte in EINEM Papier oder in EINEM Telefongespräch (§ 123 Abs. 4 KFG) zu verlangen, sofern die Zuordnung des bestimmten Kraftfahrzeuges zu einem bestimmten Zeitpunkt und/oder einem bestimmten Ort eindeutig erfolgt. Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 103 Abs. 2 KFG spricht dafür, daß die dort mehrmals vorkommenden Wörter "ein", "einen", "einem" Zahlworte und nicht vielmehr unbestimmte Artikel sind; nichts spricht dafür, unter der Wendung "so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann" nur "eine einzige Person" zu verstehen und nicht JENE Person, die die Auskunft erteilen kann - was auch, siehe unten, auf mehrere Personen in bestimmter Reihenfolge zutreffen kann.
Die schriftliche Anfrage vom 16. November 1988 entspricht daher diesen Anforderungen, da die zwei Zeitpunkte den zwei Orten eindeutig zuzuordnen sind. Daß der Beschwerdeführer in der Folge nur wegen Verletzung der Auskunftspflicht hinsichtlich des ersten Zeitpunktes (und damit des ersten Ortes) verwaltungsstrafrechtlich verfolgt wurde, vermag seine Rechte nicht zu beeinträchtigen.
In dieser Richtung ist demnach dem angefochtenen Bescheid kein Rechtsirrtum vorzuwerfen.
In der weiteren Rechtsfrage vermag der Verwaltungsgerichtshof die auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides ausgedrückte Rechtsansicht nicht zu teilen. Der Gerichtshof versteht die im § 103 Abs. 2 KFG festgelegte Pflicht in ihrer Reihenfolge und in ihrem Umfang wie folgt:
Der Fall, daß der Zulassungsbesitzer die Auskunft nicht erteilen kann wird in der Regel - also z.B. ausgenommen eine geistige Behinderung des Zulassungsbesitzers im Sinne des § 273 Abs. 1 ABGB - dann vorliegen, wenn er die Gewahrsame am Kraftfahrzeug an eine andere Person weitergegeben hat. Unter Gewahrsame wird die körperliche - wenn auch, im Gegensatz zum Erfordernis der zivilrechtlichen Pfandbestellung, nicht ausschließliche (dazu Petrasch in Rummel2, Rz 2 zu § 452; SZ 58/1: alle Schlüssel) - Verfügungsmacht zu verstehen sein, die vornehmlich durch Übergabe von Kraftfahrzeugschlüsseln, unter Einhaltung der rechtlichen Vorschriften aber auch (§ 102 Abs. 5 lit. b KFG) des Zulassungsscheines sowie sonstiger vom Lenker bei der Fahrt mitzuführender Urkunden erfolgt (vgl. EB zur RV der 3. Novelle zum KFG, 57 BlgNr. 14 GP, 46: Übergabe des Zulassungsscheins und der Fahrzeugschlüssel).
Liegt eine solche Übergabe an die vom Zulassungsbesitzer nach Name und Anschrift genannte Person vor - was die Behörde allenfalls gemäß § 103 Abs. 2, Satz 2, letzter Halbsatz KFG zu überprüfen hat - so treffen den Zulassungsbesitzer hinsichtlich des weiteren Verhaltens dieser Person gegenüber der Behörde keine weiteren Auskunftspflichten, mag diese Person nun eine richtige oder falsche Auskunft erteilen oder diese verweigern. Das gleiche gilt auch für eine von der ersten Person allenfalls genannte weitere Person, sofern eine Übergabe der Gewahrsame am Kraftfahrzeug an diese weitere Person feststeht.
Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterließ es die belangte Behörde, die Tatfrage zu klären, ob der Beschwerdeführer die Gewahrsame am Kraftfahrzeug an XY zuletzt vor dem 22. Juli 1988, 19.18 Uhr übertragen hat. Ist dies der Fall, so wäre der Beschwerdeführer für das weitere Verhalten des XY gegenüber der eine Auskunft verlangenden Behörde nicht mehr verantwortlich und könnte deshalb nicht bestraft werden.
Nur in dieser Richtung liegt die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.
Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungsverjährung trat deshalb nicht ein, weil nach der innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist, laufend vom 2. Dezember 1988 bis 2. Juni 1989, erlassenen und zugestellten Strafverfügung vom 3. März 1989 der Beschwerdeführer "eine auskunftspflichtige Person benannt (habe), die den Lenker nicht bekannt geben konnte". Die belangte Behörde setzte gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 - das durch die Berufungsentscheidung abgeänderte Straferkenntnis lautete diesbezüglich so wie die Strafverfügung - den Namen dieser Person mit XY ein, was sie ohne Verstoß gegen Verjährungsbestimmungen deshalb tun konnte, weil dieser Name am 30. November 1988 vom Beschwerdeführer schriftlich bekanntgegeben wurde und daher ab diesem Zeitpunkt Akteninhalt war. Der Vertreter des Beschwerdeführers nahm am 27. April 1989 Akteneinsicht und die Aufforderung der Behörde, daß sich der Beschwerdeführer rechtfertigen solle, entgegen. Dies stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. N.F. Nr. 11525/A) eine Verfolgungshandlung dar.
Der angefochtene Bescheid war daher nur wegen des oben aufgezeigten Rechtsirrtums der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren für Beilagen war abzuweisen, weil nur die Vorlage der aus zwei Bogen bestehenden Ausfertigung des angefochtenen Bescheides erforderlich war.
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