VwGH Ra 2015/21/0166

VwGHRa 2015/21/016616.12.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des N M in B, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. August 2015, Zl. L506 1421368- 3/2E, betreffend Bescheidaufhebung in einer Angelegenheit nach § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §57;
AsylG 2005 §58 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im August 2011 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12. Juli 2013 - in Verbindung mit einer Ausweisung nach Pakistan - vollinhaltlich abgewiesen.

Am 23. Jänner 2014 heiratete der Revisionswerber eine serbische Staatsangehörige, die über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" verfügt. In der Folge stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 ab, erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. "In Erledigung der (dagegen) erhobenen Beschwerde" behob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 27. Mai 2015 diesen Bescheid und verwies die Angelegenheit "gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG" zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück. Das BFA habe - so das BVwG begründend - entgegen der ihm zukommenden gesetzlichen Verpflichtung keine Sachverhaltsfeststellung und keine daran anschließende rechtliche Würdigung hinsichtlich der nach § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfenden Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 vorgenommen und nicht über das Ergebnis der Prüfung im Bescheid abgesprochen. Das BFA habe daher insoweit notwendige Ermittlungen unterlassen; dem BVwG sei es verwehrt, selbst über § 57 AsylG 2005 abzusprechen, da es nicht über mehr absprechen dürfe, als Gegenstand der Entscheidung der unteren Instanz gewesen sei; "vorerst" - gemeint: vor der Erledigung des Antrags nach § 55 AsylG 2005 - sei somit ein Abspruch des BFA nach § 57 AsylG 2005 notwendig.

Der eben dargestellte Beschluss des BVwG blieb unbekämpft.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2015 wies das BFA den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK erneut gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem erließ es - gestützt auf die selben Rechtsgrundlagen wie schon im Bescheid aus dem ersten Rechtsgang - gegen den Revisionswerber abermals eine Rückkehrentscheidung und traf wiederum die Feststellung, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Bezogen auf § 57 AsylG 2005 führte es in der Bescheidbegründung aus, der Revisionswerber habe keinen unter diese Bestimmung fallenden Sachverhalt geltend gemacht; von der Behörde habe auch kein solcher Sachverhalt festgestellt werden können, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben seien. Ein Abspruch nach § 57 AsylG 2005 unterblieb jedoch.

Der Revisionswerber bekämpfte auch diesen Bescheid. "In Erledigung der Beschwerde" behob ihn das BVwG mit Beschluss vom 19. August 2015 und verwies die Angelegenheit wie schon im ersten Beschluss vom 27. Mai 2015 "gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG" zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück. Dieses habe zwar in der rechtlichen Würdigung seines wiederholten Bescheides festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nach § 57 AsylG 2005 nicht gegeben seien; es sei jedoch wiederum keine Sachverhaltsfeststellung hinsichtlich der von Amts wegen durchzuführenden Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dieser Bestimmung vorgenommen und erneut nicht über das Ergebnis der Prüfung im Bescheid abgesprochen worden. Im fortgesetzten Verfahren werde das BFA daher (insbesondere) entsprechende Sachverhaltsfeststellungen hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 zu treffen und vor allem im Bescheid diesbezüglich abzusprechen haben.

Außerdem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen seinen Beschluss gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach der genannten Verfassungsbestimmung, die zufolge Art. 133 Abs. 9 B-VG auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sinngemäß anzuwenden ist, ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Abspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

In der Revision wird unter diesem Bezug zusammenfassend geltend gemacht, das BVwG habe dem Revisionswerber zu Unrecht eine Entscheidung über den begehrten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 vorenthalten. Dem Gesetz könne keinesfalls entnommen werden, dass bei einer Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 in jedem Fall über § 57 AsylG 2005 mitabgesprochen werden müsse.

Der Revisionswerber ist damit im Recht, dass im Falle eines Antrags nach § 55 AsylG 2005 keine amtswegige Prüfung der Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 und demgemäß auch keine über das Ergebnis dieser Prüfung ergehender Abspruch nach § 58 Abs. 3 AsylG 2005 zu erfolgen hat (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0101, Punkt 2.3. der Entscheidungsgründe). Darauf kommt es im vorliegenden Fall allerdings nicht an. Wesentlich ist vielmehr, dass der im ersten Rechtsgang von der gegenteiligen - verfehlten - Ansicht ausgehende Beschluss des BVwG vom 27. Mai 2015 unverändert dem Rechtsbestand angehört. Das BFA war daher im zweiten Rechtsgang gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die diesem Beschluss zu Grunde liegende rechtliche Beurteilung gebunden, es bedürfe (insbesondere) vorweg eines Abspruches des BFA nach § 57 AsylG 2005, ehe über den Antrag nach § 55 AsylG 2005 entschieden werden könne. Diese Bindungswirkung wird - zumal sie sich auch allgemein aus § 28 Abs. 5 VwGVG ergibt - nicht dadurch obsolet, dass das BVwG schon grundsätzlich verfehlt eine Kassation nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vornahm (eine solche Kassation wäre nur bei Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte in Betracht gekommen (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm. 11); vorliegend ging es jedoch im Ergebnis um das angenommene Fehlen eines behördlichen Abspruches).

So betrachtet haftete dem neuerlichen Bescheid des BFA vom 17. Juni 2015 ein Mangel an, weil es entgegen dem seinerzeitigen Beschluss des BVwG vom 27. Mai 2015 den darin für notwendig erachteten - seiner Ansicht nach: vorrangigen - behördlichen Abspruch nach § 57 AsylG 2005 (erneut) nicht vorgenommen hatte. Diesen Mangel konnte das BVwG gemäß der auch es selbst bindenden Rechtsauffassung aus dem ersten Rechtsgang (vgl. dazu nur das hg. Erkenntnis vom 17. November 2015, Ra 2015/22/0076) nur durch Kassation des Bescheides des BFA vom 17. Juni 2015 wahrnehmen. Dass diese Kassation, wie schon jene vom 27. Mai 2015, verfehlt nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG erfolgte und nicht im Wege einer Sachentscheidung in Form eines den Bescheid des BFA behebenden Erkenntnisses (vgl. auch Fister/Fuchs/Sachs, aaO, Anm. 17 und 18), verletzt den Revisionswerber nicht in Rechten.

Da der Revisionswerber somit keine für das Ergebnis des vorliegenden Falles entscheidende grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen vermochte, war seine Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 16. Dezember 2015

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