Normen
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4;
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1;
MRK Art8;
StGB §201 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015180247.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein 23jähriger Staatsangehöriger des Kosovo, dem mit Bescheid vom 28. April 2004 Asyl (im Wege der Asylerstreckung nach § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997) zuerkannt worden war.
2 Mit Bescheid vom 20. März 2015 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Auch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten und Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurden ihm nicht gewährt, es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Kosovo festgestellt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 In der Begründung der Entscheidung stützte das BVwG die Asylaberkennung zusammengefasst darauf, dass der Revisionswerber wiederholt wegen Gewaltdelikten, insbesondere Vergewaltigung, Raub, Körperverletzung, Raufhandel und Nötigung, strafrechtlich verurteilt worden sei. Dabei falle vor allem das brutale Vorgehen des Revisionswerbers im Zuge der Vergewaltigung eines Mädchens im Zusammenwirken mit zwei anderen Tätern ins Auge. Die wiederholten strafrechtlichen Verurteilungen zeigten, dass sich die Schwere der Taten sukzessive gesteigert hätte und ließen keine positive Zukunftsprognose für den Revisionswerber zu. Aus seinem Verhalten müsse vielmehr darauf geschlossen werden, dass der Revisionswerber eine Gefährdung für die Gemeinschaft darstelle. Aufgrund der begangenen Straftaten, insbesondere der Vergewaltigung, lägen die Voraussetzungen für die Asylaberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vor. Dabei sei auch abgewogen worden, dass dem Revisionswerber im Kosovo aktuell keine asylrelevante Verfolgung drohe. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz bzw. für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 55 und 57 AsylG 2005 lägen nicht vor, und gegen den Revisionswerber sei nach einer - näher begründeten - Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Dezember 2015, E 2306/2015-6, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.
6 In der nunmehr erhobenen außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG verweise zu Unrecht darauf, dass ein Entzug des Status des Revisionswerbers gerechtfertigt sei, weil er über ausreichende familiäre Kontakte und soziale Sicherheit im Kosovo verfüge, er dort einen gesicherten Lebensunterhalt und Versorgungsleistungen habe und er im Hinblick auf seine Verurteilungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei. Unabhängig davon, dass das BVwG sich eindeutig über die Rechtsprechung und den Akteninhalt hinwegsetze, gehe aus der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hervor, welche sozialen Kontakte ausreichend seien, um keine Gefährdung für einen Betroffenen im Zusammenhang mit seiner Ausweisung anzunehmen, wie weit eine in Österreich bestehende Integration rudimentären familiären Beziehungen im Herkunftsland gegenübergestellt werden könne, um eine ausreichende Versorgung "im Familienbezug" im Herkunftsland anzunehmen, und nach welchem Zeitraum unter Berücksichtigung der Sprachkenntnisse und der bestehenden Entfremdung eine Ausweisung noch gerechtfertigt sei; "dies alles unter Zugrundelegung der anzuwendenden Normen des Asylgesetzes 2005, des FBG sowie insbesondere der EMRK". Ebenso sei nicht erkennbar, nach welcher Rechtsprechung welche Verurteilungen eines Asylberechtigten es rechtfertigen sollten, dem Betroffenen gemäß dem AsylG 2005, insbesondere §§ 6 ff AsylG 2005, den Status als Asylberechtigter abzuerkennen, ihm keinen subsidiären Schutz mehr zu gewähren und ihn schließlich auszuweisen.
Die Verurteilungen des Revisionswerbers seien "als marginal und unbedeutend zu werten". Letztlich sei im Sinne der Rechtsprechung jedoch nicht zweifelsfrei und eindeutig erkennbar, welche Verurteilungen nach dem StGB als gewichtig genug zu werten seien, um einen Betroffenen auszuweisen, wie lange eine Verurteilung zurückliegen könne, um aufgrund des danach bestehenden Wohlverhaltens anzunehmen, dass keine Gefahr von der Person mehr ausgehe, und welcher Integrationsstatus unter Berücksichtigung der in der EMRK gewährleisteten Rechte einen Verbleib in Österreich rechtfertige. Nach Auffassung des Revisionswerbers gebe es zu all diesen Fragen noch "keinerlei gefestigte (...) Rechtsprechung des VwGH", weshalb die Revision zulässig sei.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber wegen mehrerer rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilungen in Österreich, darunter einer Verurteilung aus dem Jahr 2014 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten aberkannt.
Nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden von Amts wegen der Status des Asylberechtigten abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt. Ein solcher ist nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gegeben, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
9 Entgegen dem Revisionsvorbringen besteht zur Auslegung der Tatbestandselemente des oben angeführten Asylausschlussgrundes bereits eine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zum Ganzen VwGH vom 21. September 2015, Ra 2015/19/0130, mwN), anhand derer auch der gegenständliche Fall gelöst werden konnte. Der Revision gelingt es auch nicht aufzuzeigen, dass das BVwG bei seiner Entscheidung von diesen höchstgerichtlichen Leitlinien abgewichen wäre. Es bleibt nur anzumerken, dass das Vorbringen des Revisionswerbers, seine strafgerichtlichen Verurteilungen seien "als marginal und unbedeutend zu werten", insbesondere aufgrund seiner Verurteilung wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB, aber auch unter Berücksichtigung der weiteren abgeurteilten Straftaten, jeder Grundlage entbehrt und eindeutig unrichtig ist.
10 Im Übrigen vermengt die Revision in ihrer Zulassungsbegründung in unzulässiger Weise Argumente des BVwG zur Begründung unterschiedlicher Spruchpunkte, nämlich der Asylaberkennung, der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz und der Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit der getroffenen Rückkehrentscheidung. Zum letztgenannten Themenbereich ist festzuhalten, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zulässig ist, auch ein langjähriger Aufenthalt des Fremden in Österreich u.a. durch sein massives strafrechtliches Fehlverhalten relativiert sein kann (vgl. dazu etwa VwGH vom 10. November 2015, Ro 2015/19/0001, mwN). Im Übrigen ist die unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und - wie im vorliegenden Fall - in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. dazu etwa VwGH vom 19. November 2015, Ra 2015/20/0174).
11 Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
Wien, am 1. März 2016
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