VwGH Ra 2015/18/0220

VwGHRa 2015/18/022018.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des M A A in F, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. August 2015, Zl. W211 1427425- 1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3;
B-VG Art133 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015180220.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag des somalischen Revisionswerbers auf internationalen Schutz bezogen auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten durch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen, dem Revisionswerber aber im Hinblick auf die prekäre Sicherheitslage subsidiärer Schutzstatus gewährt. Das BVwG erachtete zusammengefasst die vom Revisionswerber, der in Saudi Arabien geboren und aufgewachsen war und sich bis zu seiner Ausreise lediglich knapp vier Monate in Somalia aufgehalten hatte, behauptete Verfolgung durch die Al Shabaab, weil er Kindern auf der Straße einmal das Hip-Hop-Tanzen gezeigt habe, für nicht glaubwürdig; auch bei Wahrunterstellung sah es keine aktuelle Gefährdung des Revisionswerbers gegeben. Die Revision erklärte das BVwG unter Hinweis auf die im vorliegenden Fall herangezogene maßgebliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und klare Rechtslage für nicht zulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Die vorliegende außerordentliche Revision macht in der Zulässigkeitsbegründung zunächst geltend, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU fehle und es das BVwG unterlassen habe ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung dieser Norm zu stellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Revision nicht von der Auslegung dieser Bestimmung abhängt, weil das BVwG nicht feststellte, dass der Revisionswerber bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen Schaden erlitt bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, sondern sich in seiner Begründung darauf stützte, dass die angeblichen Verfolger aus dem Heimatort des Revisionswerbers vertrieben worden seien und ihm daher jedenfalls keine Verfolgung mehr drohen würde.

Soweit die Revision geltend macht, dass das BVwG von der Rechtsprechung zum "materiellen Flüchtlingsbegriff" abgewichen sei, ist dem zu entgegnen, dass es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung ankommt (vgl. VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN). In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH vom 28. April 2015, Ra 2015/18/0026, mwH).

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hängt die Revision ferner auch nicht von der Frage der sicheren Erreichbarkeit seines Heimatortes ab, weil das BVwG in vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandender Weise von keiner Verfolgung ausging. Im Übrigen wurde den behaupteten Gefährdungen auf dem Reiseweg ohnehin schon durch die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Rechnung getragen.

Ebenso wenig ist ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zur "Wahrunterstellung" (vgl. VwGH vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0069) erkennbar, weil die Ausführungen der Revision darauf abzielen, dass die rechtliche Beurteilung des als wahr unterstellten Sachverhaltes falsch sei und nicht darauf, dass die hypothetisch zugrunde gelegten Feststellungen mangelhaft wären.

Soweit die Revision vorbringt, die dem Erkenntnis des BVwG zugrunde gelegten Länderberichte zur Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Revisionswerbers, Afgooye, seien nicht ausreichend aktuell, zeigt sie schon in Hinblick darauf, dass aufgrund der prekären Sicherheitslage dem Revisionswerber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nicht die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers auf, weshalb die Revision nicht von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängen kann (vgl. etwa VwGH vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/19/0145, mwH).

Ferner gelingt es dem Revisionswerber nicht konkret darzulegen, dass das BVwG in seiner Beweiswürdigung von den in der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu aufgestellten Grundsätzen abgewichen sei. Vielmehr hat das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Verfolgung des Revisionswerbers schlüssig verneint.

Das Vorbringen, aufgrund seiner Clanzugehörigkeit und seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der im Ausland aufgewachsenen und in Somalia entwurzelten Menschen asylrelevant diskriminiert oder verfolgt zu werden, erstattet der Revisionswerber erstmals in der Revision, ohne aufzuzeigen, dass ihm dies bisher aufgrund von Verfahrensmängeln nicht möglich gewesen sei. Das Vorbringen verstößt daher gegen das in § 41 Abs. 1 VwGG festgelegte Neuerungsverbot.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. November 2015

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