VwGH Ra 2015/18/0206

VwGHRa 2015/18/02063.5.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des G S in W, vertreten durch Dr. Walter Engler, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Währinger Straße 89/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2015, Zl. W196 1438582- 1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs3a zweiter Satz;
AsylG 2005 §9 Abs3 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs3a zweiter Satz;
AsylG 2005 §9 Abs3 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist georgisch-abchasischer Abstammung und seinen eigenen Angaben zufolge ehemaliger georgischer Staatsangehöriger, mittlerweile jedoch staatenlos. Bis zu seiner Ausreise lebte er in Gali (Abchasien). Am 20. Juli 2013 beantragte er internationalen Schutz, was er mit der Bedrohung durch seinen Cousin, welcher von ihm die Annahme der abchasischen Staatsangehörigkeit eingefordert habe, der problematischen Situation für ethnische Georgier in Abchasien, sowie seinem Gesundheitszustand begründete.

2 Seine gegen die mit einer Ausweisung verbundene abweisende Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingebrachte Beschwerde wurde im zweiten Rechtsgang vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig stellte das BVwG aber fest, dass gemäß § 8 Abs. 3a 2. Satz AsylG 2005 seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Abchasien nicht zulässig sei. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Zur Zulässigkeit der Revision führt der Revisionswerber zunächst aus, das BVwG sei zu Unrecht von einer Bedrohung aus rein kriminellen Gründen ohne Bezug zu einem Konventionsgrund ausgegangen und verweist auf sein Vorbringen zu der ihm drohenden Verfolgung durch seinen Cousin aufgrund seiner georgischabchasischen Abstammung. Entscheidungswesentlich habe das BVwG es dazu unterlassen, das Bestehen einer ausreichenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit zu überprüfen, und irrigerweise bloß darauf abgestellt, dass der Revisionswerber keine Anzeige erstattet habe. Überdies sei das BVwG von der Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht abgewichen, weil es wesentliche Erwägungen des BFA nicht geteilt habe und "beispielsweise" eine Verletzung der nach Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte bejaht und das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative verneint habe. Im Übrigen hätte das BVwG aufgrund des Gesetzesprüfungsverfahrens des Verfassungsgerichtshofes, das mit Beschluss vom 3. Juli 2015, U 32/2014-12, zu § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 eingeleitet worden sei, Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung haben müssen.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

8 Dem Revisionswerber ist zwar darin Recht zu geben, dass sein Vorbringen zur Bedrohung durch seinen Cousin, welches das BVwG - ausgehend von der vorgenommenen Wahrunterstellung - nicht als unglaubwürdig erachtet hat, entgegen der Annahme des BVwG einen zu den Konventionsgründen der Genfer Flüchtlingskonvention - in Frage kämen zumindest ethnische oder politische Gründe - und somit Asylrelevanz aufweist. Die Revision hängt allerdings nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab, weil das BVwG die Verneinung der Asylberechtigung tragend auf die fallbezogen bestehende staatliche Schutzfähigkeit und -willigkeit der abchasischen Behörden gestützt hat. Seine diesbezügliche Beurteilung hat das BVwG entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht bloß mit dem Unterlassen der Anzeige, sondern auch mit den - im Wesentlichen bereits der Entscheidung des BFA zugrunde gelegten und im gesamten Verfahren nicht substantiiert bestrittenen - Länderberichten begründet. Aus diesen ergibt sich nicht, dass die abchasischen Behörden fallbezogen nicht schutzfähig oder -willig wären. Auch in seiner Beschwerde hat der Revisionswerber die Schutzfähigkeit und - willigkeit der abchasischen Behörden lediglich unsubstantiiert in Abrede gestellt und ist damit den Länderberichten nicht konkret entgegengetreten. Auch sind die Ausführungen in der Revision zu dem Revisionswerber drohenden "Repressalien" nicht geeignet, die Beurteilung des BVwG zur staatlichen Schutzfähigkeit und - willigkeit im vorliegenden Fall zu konterkarieren. Damit wird nicht aufgezeigt, dass diese Begründung nicht tragfähig wäre (vgl. VwGH vom 24. April 2014, Ra 2014/01/0010), weshalb auch in dieser Hinsicht keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

9 Soweit der Revisionswerber die Verhandlungspflicht ins Treffen führt, weil das BVwG - im Gegensatz zum BFA - infolge der prekären Sicherheits- und Versorgungslage in Abchasien eine drohende Verletzung von gemäß Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechten angenommen und das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Georgien mangels Bestehen eines hinreichenden sozialen und familiären Versorgungsnetzwerks verneint hat, übersieht er, dass das BVwG diesbezüglich in seinem Sinne entschieden und seinen Behauptungen Rechnung getragen hat. Eine Rechtsverletzung ist daher in der Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in dieser Hinsicht fallbezogen nicht zu erkennen.

10 Zum Vorbringen des Revisionswerbers zu der durch den Verfassungsgerichtshof eingeleiteten Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ist schließlich darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren mit Beschluss vom 15. Dezember 2015, A 2015/0012, aufgrund der Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, dass diese Bestimmung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, den Antrag auf Aufhebung der genannten Bestimmung als verfassungswidrig stellte. Mit Erkenntnis vom 8. März 2016, G 440/2015-14, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag ab, weil er die von ihm im Prüfungsbeschluss vom 3. Juli 2015 zu U 32/2014 geäußerten Bedenken nicht aufrechterhielt. Die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 erweist sich somit nicht als verfassungswidrig.

11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Mai 2016

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