VwGH Ra 2015/17/0080

VwGHRa 2015/17/008010.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. Juli 2015, LVwG-HO-13-1032, betreffend Beschlagnahme nach dem GSpG (mitbeteiligte Partei: W in H, vertreten durch Prof. Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 5), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
VStG §1 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs3 idF 2014/I/013;
VStG §1 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. August 2013 ordnete die Bezirkshauptmannschaft H gegenüber der mitbeteiligten Partei die Beschlagnahme der durch Beamte der Polizeiinspektion H am 1. Juli 2013 vorläufig beschlagnahmten, näher bezeichneten, Glücksspielgeräte und Geldbeträge gemäß §§ 53 Abs 1 Z 1 lit a iVm 53 Abs 2, 3 und 4 GSpG an.

Der dagegen durch die mitbeteiligte Partei erhobenen Berufung, die das Landesverwaltungsgericht gemäß § 3 Abs 7 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Beschwerde behandelte, gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 23. Juli 2015, zugestellt am 27. Juli 2015, statt, und behob den in Beschwerde gezogenen Bescheid und die angeordnete Beschlagnahme. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Wesentlichen aus, aufgrund der Einsatzmöglichkeit von mehr als EUR 10,-- bei den beiden verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten sei der Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden, strafbaren Handlung nach § 168 StGB zumindest im Versuchsstadium erfüllt gewesen, sodass kein Verdacht einer Verwaltungsübertretung gegeben sei und daher keine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde für die Beschlagnahme nach § 53 GSpG bestehe. Bei der Überprüfung der Frage, ob die belangte Behörde, die als erste Instanz entschieden habe, auch tatsächlich zur Entscheidung zuständig gewesen sei, sei die Zuständigkeitsvorschrift heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Entscheidung durch die erstinstanzliche Behörde in Geltung gestanden sei. Entscheidend sei daher, dass im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides über die Beschlagnahme der Glücksspielgeräte die Zuständigkeitsvorschriften gemäß § 52 Abs 2 GSpG in der Fassung vor der Novelle BGBl I Nr 13/2014 gegolten hätten. Die Anwendung des § 52 Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 könne auch nicht im Weg des § 1 Abs 2 VStG begründet werden. Diese Bestimmung beziehe sich nur auf die Strafbarkeit bzw die Strafe, nicht aber auf verfahrensrechtliche Bestimmungen (Hinweis auf VwGH vom 23. September 2014, Ro 2014/11/0083).

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erachtete die ordentliche Revision für unzulässig.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Zur Zulässigkeit der Revision wurde Bezug nehmend auf die Strafbarkeit der hinter der Beschlagnahme stehenden Verwaltungsübertretung vorgebracht, es handle sich bei der Frage, ob die Anwendung des zum Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Kraft stehenden § 52 Abs 1 Z 1 und Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 auf den Revisionsfall geboten gewesen sei, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG. Die Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG sei im Vergleich zur gerichtlichen Strafnorm des § 168 StGB für den Mitbeteiligten in ihrer Gesamtauswirkung günstiger (Hinweis auf VfGH vom 10. März 2015, E 1139/2014 ua).

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsvorschriften wird zunächst auf das hg Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, verwiesen.

§ 53 GSpG, BGBl Nr 620/1989 idF BGBl I Nr 111/2010, lautet:

"Beschlagnahmen

§ 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.

(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. ...

..."

Zur Zulässigkeit der Revision:

Die Revision erweist sich im Hinblick auf die darin hinsichtlich der Strafbarkeit der Tat, auf die sich ein Verdacht nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG beziehen muss, aufgeworfenen Fragen, ob die Anwendung des zum Zeitpunkt der Erlassung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Kraft stehenden § 52 Abs 1 Z 1 und Abs 3 GSpG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 13/2014 auf den Revisionsfall geboten war, und ob ein Günstigkeitsvergleich zwischen dem im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung geltenden Recht und dem im Zeitpunkt der Bestrafung geltenden Recht anzustellen war, als zulässig.

In der Sache:

War die Anlasstat im Zeitpunkt ihrer Begehung nicht mit Strafe bedroht (vgl § 1 Abs 1 VStG), besteht keine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für eine Beschlagnahme nach § 53 GSpG. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, auf das gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, kann der Rechtssatz des § 1 Abs 1 VStG, dass als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war, im systematischen Zusammenhang nur bedeuten, dass die Tat zur Zeit der Begehung den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung gebildet hat, dh einer Übertretung, die von solchen Behörden zu ahnden ist, auf die das Verwaltungsstrafgesetz Anwendung findet.

Die Tathandlung, auf die sich der Verdacht nach § 53 Abs 1 Z 1 lit a GSpG im vorliegenden Revisionsfall bezieht, lag jedenfalls vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle BGBl I Nr 13/2014 mit 1. März 2014. Nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich waren an den verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräten Höchsteinsätze von über EUR 10,-- möglich.

Da im Zeitraum der Tatbegehung eine von einer Verwaltungsbehörde bzw von einem Verwaltungsgericht zu ahndende strafbare Handlung nicht vorlag (vgl ein weiteres Mal VwGH vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird), wurde gegen eine Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG nicht verstoßen.

Die Anlasstat, auf die sich der für die Beschlagnahme erforderliche Verdacht nach § 53 GSpG beziehen muss, hätte daher nicht als Verwaltungsübertretung bestraft werden können. Die Anwendung des § 52 Abs 1 Z 1 und Abs 3 GSpG idF der Novelle BGBl I Nr 13/2014 kam im Revisionsfall nicht in Betracht (vgl wiederum VwGH vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/17/0068, ausgesprochen hat, führt auch die zwischen Tatzeit und Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts eingetretene Änderung der Zuständigkeit zwischen Verwaltungsbehörden und Strafgerichten für die Bestrafung durch § 52 Abs 3 GSpG idF der Novelle BGBl I Nr 13/2014 nicht zur Heranziehung des Günstigkeitsprinzips im Revisionsfall, weil eine Bestrafung schon unter Anwendung einer einfachgesetzlichen Bestimmung (§ 1 Abs 1 VStG) ausgeschlossen ist.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat daher zu Recht ausgehend von der maximal möglichen Einsatzhöhe von über EUR 10,-- und der damit auf Grund des hier vorliegenden Tatzeitraums verbundenen ausschließlichen gerichtlichen Strafbarkeit nicht die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden für die Beschlagnahme nach § 53 GSpG angenommen und die im erstinstanzlichen Bescheid angeordnete Beschlagnahme aufgehoben.

Da bereits die Revision erkennen ließ, dass die von ihr behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. Februar 2016

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