Normen
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Die revisionswerbende Gesellschaft mbH (Revisionswerberin), eine Spedition, reichte am 3. April 2006 als indirekte Vertreterin der Empfängerin, einem dänischen Unternehmen, eine Anmeldung zur Überführung von Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr ein und beantragte in der Anmeldung durch Verwendung des Codes 4200 im Feld 37 des Einheitspapiers die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2010 teilte das Zollamt F der Revisionswerberin gemäß Art. 221 des Zollkodex die buchmäßige Erfassung von gemäß Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes entstandenen Eingangsabgaben mit, weil die Voraussetzungen für die mit der erwähnten Anmeldung geltend gemachte Steuerbefreiung nicht gegeben seien. Gleichzeitig setzte das Zollamt eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes fest.
Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2010 erhob die Revisionswerberin dagegen Berufung u.a. mit der Begründung, ihr sei kein rechtliches Gehör gewährt worden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 gab das Zollamt F der Berufung statt und hob den bekämpften Bescheid vom 20. Mai 2010 "wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften" auf. Der bekämpfte Bescheid sei ergangen, obwohl eine zuletzt beantragte Verlängerung zur Abgabe einer Stellungnahme noch offen gewesen sei.
Mit Bescheid ebenfalls vom 17. Juni 2010 teilte das Zollamt der Revisionswerberin die buchmäßige Erfassung derselben Eingangsabgaben und in derselben Höhe mit, wie mit dem Bescheid vom 20. Mai 2010, und setzte eine Abgabenerhöhung in derselben Höhe wie mit jenem Bescheid fest.
Die gegen den Bescheid vom 17. Juni 2010 von der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2010 erhobene Berufung wies das Zollamt F mit Berufungsvorentscheidung vom 16. September 2010 ab.
Mit Bescheid vom 22. März 2011 hob das Zollamt F gemäß § 299 Abs. 1 BAO die Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010, den Bescheid über die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung und Festsetzung der Abgabenerhöhung vom 17. Juni 2010 und die Berufungsvorentscheidung vom 16. September 2010 auf. Zur Aufhebung der Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 führte das Zollamt aus, es habe mit der aufgehobenen Berufungsvorentscheidung den Bescheid vom 6. Mai 2010 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Verletzung des rechtlichen Gehörs) aufgehoben. Da jedoch die Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren sanierbar gewesen wäre und die meritorische Aufhebung eines Bescheides im Berufungsverfahren nur erfolgen dürfe, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht komme, erweise sich die aufhebende Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 als rechtswidrig.
Das Zollamt F wies mit ("Ersatz-")Berufungsvorentscheidung ebenfalls vom 22. März 2011 die mit Aufhebung der Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 wiederum unerledigte Berufung vom 20. Mai 2010 ab.
Die Revisionswerberin berief mit Schriftsatz vom 20. April 2011 gegen den (nach § 299 BAO aufhebenden) Bescheid vom 22. März 2011 insoweit, als damit die Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 aufgehoben wurde, und ausdrücklich nicht hinsichtlich der übrigen Spruchpunkte.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. Mai 2011 wies das Zollamt F die Berufung vom 20. April 2011 ab. Es wiederholte, dass die allfällige Verletzung des Parteiengehörs die aufhebende Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 nicht rechtfertige.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung vom 27. Mai 2011 erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 30. Juni 2011 eine (Administrativ‑)Beschwerde.
Der (damalige) unabhängige Finanzsenat wies mit Bescheid vom 22. September 2011 die gegen die ("Ersatz- ")Berufungsvorentscheidung vom 16. September 2010 erhobene (Administrativ‑)Beschwerde der Revisionswerberin zurück, weil die bekämpfte Berufungsvorentscheidung bereits mit dem Bescheid des Zollamtes vom 22. März 2011 nach § 299 BAO aufgehoben worden sei und sich die Beschwerde daher gegen eine nicht mehr existente Berufungsvorentscheidung richte.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde vom 30. Juni 2011 als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Das Zollamt F habe mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 seinen Bescheid vom 6. Mai 2010 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, nämlich wegen Verletzung des Parteiengehörs, aufgehoben anstatt diese Verfahrensverletzung im Berufungsverfahren zu sanieren. Daher habe das Zollamt diese Berufungsvorentscheidung mit dem Bescheid vom 22. März 2011 zu Recht nach § 299 BAO aufgehoben.
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision hat das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst (Punkt C1 des Revisionsschriftsatzes) vorgebracht, es fehle eine ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob § 299 BAO in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetzes (AbgRmRefG), BGBl. I Nr. 97/2002, und des Abgabenänderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 124/2003, überhaupt eine Bescheidaufhebung wegen einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erlaube.
Das Zollamt F hat mit seinem Bescheid vom 22. März 2011 seine Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Die Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2010 sei in der Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 mit einer Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet worden. In einer solchen Begründung hat das Zollamt in seinem (Aufhebungs‑)Bescheid vom 22. März 2011 eine inhaltliche Rechtswidrigkeit gesehen. Die Aufhebung wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften erfolgte daher nicht durch den im Instanzenzug bekämpften Bescheid des Zollamtes vom 22. März 2011 nach § 299 BAO, sondern durch die durch eben diesen Bescheid aufgehobene Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010.
Die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage zur Aufhebung nach § 299 BAO wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften stellt sich im Revisionsfall daher gar nicht.
Damit erübrigt es sich auch, auf die Ausführungen der Revisionswerberin unter Punkt C2 ihres Revisionsschriftsatzes einzugehen, wonach die Verletzung von Parteiengehör einen Verfahrensfehler darstelle.
Unter Punkt C3 des Revisionsschriftsatzes führt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision aus, die vom Bundesfinanzgericht nicht beanstandete Ermessensübung des Zollamtes bei der Erlassung des bekämpften Bescheides (sc. vom 22. März 2011) habe den durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes konkretisierten Ermessensmaßstäben des § 20 BAO widersprochen. Da der bekämpfte Bescheid unter keinen Umständen den Kriterien der Zweckmäßigkeit nach § 20 BAO entsprechen könne (dazu verweist die Revisionswerberin auf Ausführungen in der Revisionsbegründung), würden das Zollamt und das Bundesfinanzgericht dadurch insbesondere von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, wonach Zweckmäßigkeit im Sinne des Gesetzes zu beurteilen sei und die Behörde sich bei Zweckmäßigkeitsüberlegungen nicht von unsachlichen Kriterien leiten lassen dürfe.
Dazu ist die Revisionswerberin zunächst darauf zu verweisen, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen des gesonderten Vorbringens der für die Zulässigkeit der Revision gebotenen Begründung zu erfolgen hat. Dem wird durch den Hinweis auf nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (Revisionsbegründung) nicht Genüge getan (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 19. März 2015, Ra 2015/16/0016).
Darüber hinaus zeigt die Revisionswerberin mit dieser Zulässigkeitsbegründung nicht auf, dass die Beantwortung der Frage, der Ermessensausübung eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätte (vgl. den hg. Beschluss vom 11. September 2014, Ra 2014/16/0012) und ein Ermessensmissbrauch oder eine Überschreitung des eingeräumten Ermessens vorläge.
In Punkt C4 des Revisionsschriftsatzes führt die Revisionswerberin zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision aus, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Behörde bei einer Berufungsvorentscheidung im Sinne des hier noch anzuwendenden § 276 BAO idF vor dem FVwGG, BGBl. I Nr. 14/2013, den durch Berufung bekämpften Bescheid in jeder Richtung, sohin auch kassatorisch aufheben könne. Dabei übersieht die Revisionswerberin, dass das Bundesfinanzgericht die Befugnis zur kassatorischen Entscheidung dem Zollamt bei einer Berufungsvorentscheidung nicht abgesprochen hat, sondern eine solche kassatorische Entscheidung im Revisionsfall deshalb für inhaltlich rechtswidrig gesehen hat, weil das Zollamt bei der aufgehobenen Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 nach Sanierung der bis zu jener Berufungsvorentscheidung unterlaufenen Verfahrensmängel inhaltlich hätte entscheiden können.
Unter Punkt C5 ihres Revisionsschriftsatzes führt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision an, es fehle, soweit ersichtlich, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Aufhebung eines bereits in Berufung gezogenen Bescheides nach § 299 BAO in der Fassung des AbgRmRefG auch dann noch möglich gewesen sei, wenn über die Berufung bereits der unabhängige Finanzsenat zu entscheiden gehabt habe.
Die Revisionswerberin scheint zu übersehen, dass die von ihr angesprochene Entscheidungsbefugnis des unabhängigen Finanzsenates in dem Verfahren über den Bescheid des Zollamtes vom 6. Mai 2010 gar nicht gegeben gewesen ist. Die Berufungsvorentscheidung vom 17. Juni 2010 war nämlich gar nicht angefochten gewesen. Die von der Revisionswerberin angesprochene Entscheidungspflicht des unabhängigen Finanzsenates betraf das Verfahren über den nach der aufhebenden Berufungsvorentscheidung vom selben Tag ergangenen Bescheid vom 17. Juni 2010 ("Ersatz-")Bescheid über die Mitteilung buchmäßig erfasster Eingangsabgaben und eine Abgabenfestsetzung und das sich daran anschließende Rechtsmittelverfahren, in welchem eine dagegen gerichtete Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 16. September 2010 abgewiesen wurde und dagegen wieder eine (Administrativ‑)Beschwerde erhoben wurde.
Damit stellt sich diese von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage der Entscheidungsbefugnis des Zollamtes bei Erlassen seines Bescheides vom 22. März 2011 im Revisionsfall nicht.
Die Revisionswerberin zeigt im Rahmen der gesonderten Zulassungsgründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) sohin nicht auf, dass die Lösung der Revision von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2015
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