VwGH Ra 2015/15/0067

VwGHRa 2015/15/006727.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamtes Spittal Villach in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. April 2015, Zl. RV/4100091/2012, betreffend Einkommensteuer 2010 (mitbeteiligte Partei: D L in V, vertreten durch Mag. Ingrid Huber, Wirtschaftsprüferin in 9241 Wernberg, Feldweg 7), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §29 Z3;
EStG 1988 §30;
EStG 1988 §31;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Notariatsvertrag vom 23. Dezember 1996 legte GK das unwiderrufliche Anbot, dem Mitbeteiligten oder dessen Ehegattin oder dessen Kindern seine Geschäftsanteile an der P GmbH abzutreten. Das Anbot dürfe erst nach dem Ableben des GK und nur innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten angenommen werden. Das Abtretungsanbot und das Recht der Annahme würden zu Gunsten und zu Lasten der beiderseitigen Rechtsnachfolger errichtet. Der Abtretungspreis sei nach den Bestimmungen des Punktes VI des Gesellschaftsvertrages vom 4. Dezember 1980 zu ermitteln und zu bezahlen. Dabei sei die zum Zeitpunkt der Annahme des Anbotes für das vergangene Wirtschaftsjahr maßgebliche Jahresbilanz heranzuziehen. Sollte dieses Anbot nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Ableben des GK angenommen werden, so erlösche es. GK hafte dafür, dass der abzutretende Geschäftsanteil sein unbeschränktes Eigentum darstelle und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet sei. Weiters sagte GK für die Dauer der Rechtswirksamkeit des Anbotes zu, sich jedweder Verfügung über den angebotenen Teil seines Geschäftsanteiles ohne Zustimmung des Mitbeteiligten zu enthalten.

2 Ungeachtet dieser Vereinbarung übertrug GK seinen Geschäftsanteil an der P GmbH seinen beiden Söhnen und schied selbst aus der Gesellschaft aus. Am 23. August 2010 richtete der rechtskundige Vertreter des Mitbeteiligten deshalb "gestützt auf das Anbot vom 23. Dezember 1996" ein Schreiben an GK, in dem dieser aufgefordert wurde, binnen Monatsfrist wiederum das Eigentum an den vom Abtretungsanbot erfassten Geschäftsanteilen an der P GmbH zurück zu erwerben. Das Abtretungsanbot enthalte zu seiner Absicherung ein Belastungs- und Veräußerungsverbot, gegen das GK durch die Übertragung der Geschäftsanteile verstoßen habe. Bei ungenütztem Verstreichen der gesetzten Monatsfrist würden die notwendigen gerichtlichen Schritte eingeleitet werden.

3 In der Folge kam es zu einer außergerichtlichen Beilegung des Streites, indem der Mitbeteiligte gegen Erhalt eines Betrages von 40.000 EUR auf seine Rechte aus dem Abtretungsvertrag verzichtete.

4 Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 erfasste das Finanzamt den Betrag (abzüglich Anwaltskosten) als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 29 Z 3 EStG 1988. Leistung im Sinne der genannten Bestimmung sei jedes Verhalten, das darauf gerichtet sei, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Auch die Aufgabe eines Vorkaufsrechtes gegen Entgelt stelle ein Unterlassen dar, durch welches dem damit Belasteten ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt werde.

5 Der Mitbeteiligte erhob Berufung, in der im Wesentlichen auf den zivilrechtlichen Unterschied zwischen dem gegenständlichen Abtretungsanbot und einem Vorkaufsrecht iSd §§ 1072 ABGB hingewiesen wurde. Der Mitbeteiligte habe auf ein vertraglich vereinbartes unwiderrufliches Abtretungsanbot iSd §§ 1392 ff ABGB verzichtet. Dieses Recht sei kein höchstpersönliches, sondern sei zivilrechtlich übertragbar. Sein "wirtschaftlicher Wert (sei) als Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar und daher selbständig bewertungsfähig und somit als ein Wirtschaftsgut zu werten". Nach Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 29 Rz 19, spreche gegen eine Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988, wenn das Entgelt aus Sicht des Leistenden für den endgültigen Verlust eines Wirtschaftsgutes in seiner Substanz geleistet werde, was gegenständlich der Fall gewesen sei.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (als Beschwerde zu behandelnden) Berufung statt. Der Mitbeteiligte habe mit Vereinbarung vom 23. Dezember 1996 das Recht erworben, einen Geschäftsanteil an einer GmbH innerhalb von drei Monaten nach Ableben des Anbieters zu erwerben. Er hätte dieses Recht auch auf seine Ehefrau und auf seine Kinder übertragen dürfen. Damit handle es sich nicht um ein höchstpersönliches Recht. Der Mitbeteiligte habe gegen Entgelt auf sein Recht aus dem Notariatsakt verzichtet und damit dem Anbieter den wirtschaftlichen Vorteil verschafft, den Geschäftsanteil seinen Kindern weitergeben zu dürfen. Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht aus dem festgestellten Sachverhalt:

"Im vorliegenden Fall liegt der entgeltliche Verzicht auf ein übertragbares Recht vor. Dass ein solcher Vorgang keine Steuerpflicht i.S. des § 29 Z 3 EStG 1988 auslöst, bedarf keiner näheren Erörterung durch den VwGH (vgl. VwGH vom 25.5.2000, 95/14/0029).

Rechtsfragen, denen i.S. von Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sind somit nicht erkennbar."

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revision des Finanzamts macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, dass das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei (Hinweis auf VwGH vom 28. Mai 2009, 2007/15/0200, und die dort angeführten Erkenntnisse).

12 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet. 13 Gemäß § 29 Z 3 EStG 1988 zählen zu den sonstigen

Einkünften Einkünfte aus Leistungen, wie insbesondere Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Z 1, 2 oder 4 der genannten Bestimmung gehören.

14 Eine Leistung im Sinne des § 29 Z 3 EStG 1988 kann in einem Tun, einem Dulden oder einem Unterlassen bestehen. Eine Leistung im Sinne der zitierten Bestimmung ist jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, einem anderen einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen (vgl. VwGH vom 20. Oktober 2010, 2007/13/0059, VwSlg. 8591/F, mit weiteren Nachweisen).

15 Nach den §§ 30 und 31 EStG 1988 (idF vor dem 1. StabG 2012) dürfen Erlöse aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen unter dort im Einzelnen festgelegten Voraussetzungen einkommensteuerlich erfasst werden. Daraus leitet der Verwaltungsgerichtshof ab, dass die Veräußerung von Vermögensgegenständen und die einem Veräußerungsvorgang gleichzuhaltende Vermögensumschichtung nicht auch als Leistung iSd § 29 Z 3 EStG 1988 angesehen werden kann.

16 Die Aufgabe eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes gegen Entgelt unterliegt der Steuerpflicht gemäß § 29 Z 3 EStG 1988, weil ein Tun, Dulden bzw. Unterlassen gegen Entgelt vorliegt, durch welches einem anderen ein wirtschaftlicher Vorteil eingeräumt wird. Das nicht übertragbare Verbot ist kein Wirtschaftsgut, dessen Veräußerung den Tatbestand der §§ 30 und 31 EStG 1988 (idF vor dem 1. StabG 2012) erfüllen könnte (vgl. VwGH vom 23. Mai 2000, 95/14/0029, VwSlg. 7508/F, und vom 15. Dezember 2010, 2005/13/0134).

17 Gegenständlich sagte GK im Notariatsvertrag vom 23. Dezember 1996 zu, sich für die Dauer der Rechtswirksamkeit des Abtretungsanbotes jedweder Verfügung über den angebotenen Teil seines Geschäftsanteiles ohne Zustimmung des Mitbeteiligten zu enthalten. Demnach oblag es ausschließlich dem Mitbeteiligten und nicht auch den erst "in zweiter Linie" optionsberechtigten Angehörigen des Mitbeteiligten, eine Übertragung des Geschäftsanteiles durch GK zu ermöglichen. Genau dieses (nicht übertragbare) Recht des Mitbeteiligten sprach auch der Vertreter des Mitbeteiligten im Schreiben vom 23. August 2010 an, welches GK zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages in Höhe von 40.000 EUR veranlasste. Dass der Mitbeteiligte seine Zustimmung zur Übertragung des Geschäftsanteiles im Revisionsfall erst im Nachhinein erteilt hat, gebietet in wirtschaftlicher Betrachtung keine andere rechtliche Beurteilung. Auch der nachträglichen Zustimmung zur Übertragung liegt die Aufgabe eines Veräußerungsverbotes zu Grunde, sodass die Zahlung dem § 29 Z 3 EStG 1988 zu subsumieren ist.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 27. April 2017

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