Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte verkaufte Genussscheine an gutgläubige Investoren mit dem werbenden Versprechen, diese zu einem höheren Preis zurückzukaufen. Da für den Rückkauf im Wesentlichen Mittel aus dem Verkauf weiterer Genussscheine eingesetzt werden mussten, führte dies letztlich zur Zahlungsunfähigkeit der Mitbeteiligten. Als Folge dessen eröffnete das Landesgericht Klagenfurt mit Beschluss vom 4. Mai 2010 über das Vermögen der Mitbeteiligten den Konkurs.
2 Im Zuge einer daraufhin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, dass - abweichend von den eingereichten Erklärungen - der Gesamtbetrag der Einkünfte der Mitbeteiligten jeweils u. a. um Erlöse aus dem (Doppel‑)Verkauf von Genussscheinen zu erhöhen sei.
3 Ausgehend hievon setzte das Finanzamt gegenüber der Masseverwalterin im Insolvenzverfahren der Mitbeteiligten für die Jahre 2002 bis 2007 (nach Wiederaufnahme der Verfahren) jeweils Körperschaftsteuern fest, für das Jahr 2008 wurde - unter Bedachtnahme auf das Vorliegen eines Verlustes - mittels Erstbescheides lediglich die Mindestkörperschaftsteuer in Ansatz gebracht.
4 Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. Jänner 2011 wurde der verantwortliche Vorstandsvorsitzende der Mitbeteiligten, aufbauend insbesondere auf das Gutachten eines Sachverständigen sowie auf ein abgelegtes Geständnis, rechtskräftig u. a. wegen schweren Betruges, zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
5 In der gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2002 bis 2007 erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde u.a. begehrt, für bestehende Rückkaufverpflichtungen von Genussscheinen zum Tageskurs Passivposten zu dotieren und in den in Beschwerde gezogenen Jahren entsprechende Beträge als Aufwand zu berücksichtigen.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte die bekämpften Abgabenbescheide ab. Begründend führte es aus, die Mitbeteiligte habe ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 zu ermitteln. Für ihre Gewinnermittlung seien daher die handelsrechtlichen (unternehmensrechtlichen) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung maßgeblich, außer zwingende steuerrechtliche Vorschriften träfen abweichende Regelungen.
7 Nach § 196 Abs. 1 HGB (UGB) habe der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten, Aufwendungen und Erträge zu enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt sei. Der Begriff der Verbindlichkeit sei gesetzlich nicht definiert. Abzustellen sei nicht auf ein zivilrechtliches Schuldverhältnis, sondern darauf, ob eine wirtschaftlich konkrete Belastung eingetreten sei, d. h. ob künftig ein Aufwand entstehe, der Erträgen eines vergangenen Wirtschaftsjahres zuzurechnen sei. Eine Verbindlichkeit sei eine dem Grunde und der Höhe nach sichere Verpflichtung, die nicht erfüllt sei und im abgelaufenen Wirtschaftsjahr ihre Wurzel habe. Verbindlichkeiten, die nicht im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen entstünden, seien in jenem Zeitpunkt zu passivieren, in dem die betreffende Belastung dem Grunde nach auftrete.
8 Sachverhaltsmäßig sei im Revisionsfall davon auszugeben, dass die Mitbeteiligte Genussscheine, die ursprünglich durch Split von 1:7 entstanden seien, obwohl diese an sich den Inhabern von Voremissionen zugestanden wären, einfach selbst veräußert habe. Zudem sei den Anlegern in diesem Zusammenhang bewusst und gewollt vorgetäuscht worden, der Genussscheinkurs komme an Hand von Angebot und Nachfrage am freien Kapitalmarkt zustande, obwohl dieser auf unnachvollziehbare Weise nicht substanz- und marktkonform gebildet worden sei. Der Vorstandsvorsitzende der Mitbeteiligten habe in diesem Zusammenhang dezidiert angegeben, hinsichtlich der Liquidität der von ihm vertretenen Unternehmen die Anleger bewusst und gewollt getäuscht zu haben. Der Umstand, dass Genussscheine zu einem im Vergleich zum Verkaufspreis stetig gestiegenen (manipulierten) "aktuellen Kurswert" zurückgekauft worden seien, habe schließlich zum Zusammenbruch des Systems und zur Insolvenz der Mitbeteiligten geführt.
9 Dieses - von Zivilgerichten als "Pyramidenspiel", "Schneeballsystem" und letztlich auch als "Ponzi Schema" eingestufte bzw. bezeichnete System - habe auf Täuschungen gefußt, die bezweckten, zur Aufrechterhaltung des Systems neues Kapital in die Kassen der Mitbeteiligten hereinzuspülen. Vom Vorliegen eines Wertpapierhandels könne daher schon vorweg nicht die Rede sein. Vielmehr sei im Lichte der diesbezüglichen erfolgten Verurteilung des Vorstandes der Mitbeteiligten der Ansicht des Finanzamtes folgend vom Vorliegen von Einnahmen aus gewerbsmäßigem Betrug auszugehen.
10 Die Auffassung des Finanzamtes, wonach einer gewinnmindernden Berücksichtigung von Rückzahlungsverpflichtungen bereits während des Prüfungszeitraumes die mangelnde Tataufdeckung, wofür das Unternehmen selbst durch perfekte Verschleierung gesorgt habe, entgegenstehe, teile das Bundesfinanzgericht nicht. Die Frage der Notwendigkeit, eine Verbindlichkeit in die Bilanz einzustellen, richte sich vielmehr grundsätzlich danach, ob in dem betreffenden Wirtschaftsjahr eine entsprechende Belastung eingetreten sei bzw. in demselben ihre Wurzel habe (was wohl nur die Tatbegehung sein könne) und nicht unter Bedachtnahme auf die Aufdeckung einer allenfalls damit zusammenhängenden Straftat.
11 Zudem sei im Revisionsfall "bereits ... am 18. 04. 2001 der damals zuständigen Finanzmarktaufsicht, der Bundeswertpapieraufsicht, aufgrund des Aktenvermerkes des seinerzeitigen Leiters der Rechtsabteilung bekannt, dass der Kurs de(r ...) Genussscheine nicht den wahren Wert der Genussscheine widerspiegelte, und dass die Kunden (...) daher über die Werthaltigkeit der ihnen verkauften bzw. vermittelten Papiere getäuscht worden" seien.
12 Die Mitbeteiligte sei auf Grund der begangenen Straftat sohin auch nicht endgültig bereichert worden, zumal sie fraglos die Verpflichtung getroffen habe, die von ihr (aufbauend auf einem vorgenommenen Split und manipulierten Börsekursen) unrechtmäßig vereinnahmten Beträge ("Kaufpreise") zurückzuzahlen, und dementsprechend hiefür auch bilanziell Vorsorge zu treffen gehabt habe. Im gegebenen Zusammenhang sei auch auf die Ausführungen des Prüfers in der Stellungnahme zu den Beschwerdeausführungen hinzuweisen, wonach die Mitbeteiligte immer im Wissen um die unrechtmäßigen Doppelverkäufe gewesen sei, zumal der Vorstandsvorsitzende selbst gestanden habe, "Master Mind" gewesen zu sein und hinsichtlich der Liquidität der von ihm vertretenen Unternehmen als auch der Rückkaufverpflichtung die Genussscheinkunden bewusst und gewollt getäuscht zu haben. Im Revisionsfall sei sohin die Frage, ob entsprechende Passivposten in die Bilanzen einzustellen gewesen seien, allein schon unter Bedachtnahme auf den Wissensstand des verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden zu bejahen. Hiezu komme noch, dass letztlich auch Zivilgerichte die Mitbeteiligte treffende Schadenersatzverpflichtungen als bestehend angesehen haben.
13 Verbindlichkeiten seien steuerrechtlich nach § 6 Z 3 iVm § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 mit den Anschaffungskosten zu bewerten, also mit jenem Betrag, den der Schuldner beim Eingehen der Verpflichtung schuldig geworden sei bzw. den er zur Erfüllung aufbringen müsse. Steige der Teilwert der Verbindlichkeit, seien § 5 EStG 1988 - Ermittler nach dem Vorsichtsprinzip verpflichtet, den höheren Wert anzusetzen. Im Revisionsfall habe die Mitbeteiligte die Verpflichtung getroffen, die von ihr im Wege der oben dargestellten Täuschungen vereinnahmten "Kaufpreise", somit die in ihre Kassa konkret hereingespülten Erlöse, und nicht etwa im Vergleich hiezu höhere manipulierte Börsekurse (idS auch das Erkenntnis des OGH vom 20. Oktober 2014, 80b28/14x), zurückzuzahlen. Dem Beschwerdebegehren sei somit teilweise (Dotierung von Verbindlichkeiten in Höhe der vereinnahmten Erlöse und nicht in Höhe von Rückzahlungsverpflichtungen zum Tageskurs) zu entsprechen gewesen.
14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts. Zu deren Zulässigkeit bringt das Finanzamt vor, der Revisionsfall werfe die Frage auf, ob ein nach § 189 UGB zur Rechnungslegung verpflichteter Unternehmer, welcher seinen Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 zu ermitteln habe, Einnahmen aus betrügerischen Handlungen durch Einstellung einer Verbindlichkeit in gleicher Höhe steuerlich neutralisieren könne. Tatsächlich getätigte Rückkäufe seien in den revisionsgegenständlichen Jahren als Aufwand zuerkannt worden, jedoch reiche die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme weder aus, um eine Rückstellung zu bilden noch um eine Verbindlichkeit einzustellen. Abgesehen davon, sei die Dotierung der Verbindlichkeit in Höhe der Einnahmen aus dem Wertpapierverkauf zugelassen worden, obwohl die Mitbeteiligte gewusst habe, dass sie diese Verbindlichkeiten aufgrund ihres betrügerischen Handelns niemals befriedigen werde können. Entgegen den gesetzlichen Grundlagen sei im angefochtenen Erkenntnis eine Passivierung in Höhe der Einnahmen aus Genussscheinverkauf gebildet worden, ohne mit konkreten Rückforderungsansprüchen konfrontiert gewesen zu sein. Zur Frage, ob Einnahmen aus deliktischen Handlungen bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögenvergleich durch das Einstellen einer Rückzahlungsverbindlichkeit bzw. durch die Bildung einer entsprechenden Rückstellung steuerlich neutralisiert werden könnten, gebe es bisher keine Rechtsprechung.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Die Revision ist zulässig und begründet.
17 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis den Ansatz von Verbindlichkeiten der Mitbeteiligten "in Höhe der vereinnahmten Erlöse" bejaht, weil die Mitbeteiligte "die Verpflichtung (treffe), die von ihr im Wege der oben dargestellten Täuschungen vereinnahmten ‚Kaufpreise', somit die in ihre Kassa im Konkreten hereingespülten Erlöse zurückzuzahlen, und nicht etwa im Vergleich hiezu höhere manipulierte Börsekurse". Welche Verpflichtung "in Höhe der vereinnahmten Erlöse" das Bundesfinanzgericht damit konkret steuerlich berücksichtigen wollte, hat es nicht näher spezifiziert.
18 Mehrere mögliche Verpflichtungsgründe kommen dazu nach den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts in Betracht, wie insbesondere gegen die Mitbeteiligte möglicher Weise bestehende Ansprüche aufgrund eines Mehrfachverkaufs oder einer Mehrfachvermittlung von Genussscheinen, aufgrund einer Rückkaufverpflichtung aus diesen Verkäufen oder Vermittlungen (also aus noch nicht erfüllten, sohin schwebenden Geschäften) sowie aus - näher zu identifizierenden - deliktischen Schadenersatzansprüchen. Ist aber schon unklar, welche angenommenen Verpflichtungen das Bundesfinanzgericht als Verbindlichkeiten berücksichtigen wollte, so ist auch eine Beurteilung des von diesem vorgenommenen Ansatzes der Höhe nach nicht möglich. Dass dieser Ansatz genau in derselben Höhe wie die vereinnahmten Erlöse bestehen soll, wäre ebenso näher begründungsbedürftig.
19 Wie das revisionswerbende Finanzamt zu Recht ausführt, reicht die bloße Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Mitbeteiligten durch Anleger für eine entsprechende Passivierung nicht aus, weil der Ansatz einer Verbindlichkeit in der Bilanz die Gewissheit über den Bestand der Verbindlichkeit am Bilanzstichtag voraussetzt (vgl. VwGH vom 27. Jänner 2009, 2006/13/0062). Daher scheidet die Einstellung einer Verbindlichkeit zu den jeweiligen Bilanzstichtagen aus, wenn aus Sicht der Bilanzerstellungszeitpunkte noch gar nicht erkennbar ist, welche Anleger welche Forderungen aus welchem Titel in welcher Höhe gegen die Mitbeteiligte werden geltend machen können.
20 Dabei ist im Revisionsfall darauf hinzuweisen, dass die Mitbeteiligte nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts im Streitzeitraum durchaus noch laufend Rückkäufe getätigt hat, sodass diesbezüglich weder dem Grunde noch der Höhe nach bereits absehbar war, welche Forderungen seitens welcher Anleger aus dem vom Bundesfinanzgericht festgestellten betrügerischen Verhalten der Mitbeteiligten entstehen würden.
21 Das Bundesfinanzgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass sich die Notwendigkeit der Einstellung einer Verbindlichkeit in die Bilanz danach richte, ob in dem betreffenden Wirtschaftsjahr eine entsprechende Belastung eingetreten sei bzw. in demselben ihre Wurzel habe, was nur die Tatbegehung betreffen könne und nicht unter Bedachtnahme auf die Aufdeckung einer allenfalls damit zusammenhängenden Straftat erfolgen müsse.
22 Damit hat es die Rechtslage verkannt. Vielmehr kommt es für die Frage der Passivierung einer Verbindlichkeit auf den Kenntnisstand des Verpflichteten über den konkreten Bestand einer Verbindlichkeit am Bilanzstichtag zum jeweiligen Bilanzerstellungszeitpunkt an (Grundsatz der subjektiven Richtigkeit der Bilanz, vgl. VwGH vom 25. Mai 2016, 2013/15/0257). Vor diesem Hintergrund wären vom Bundesfinanzgericht zu den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen nähere diesbezügliche Feststellungen zu treffen gewesen, wobei - entgegen der Annahme des Bundesfinanzgerichts - die Kenntnis eines Täters von der Tatbegehung allein für die Passivierung einer daraus allenfalls resultierenden Verbindlichkeit nicht genügt.
23 Im Übrigen setzt auch die gegebenenfalls alternativ zu prüfende Bildung einer Rückstellung für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 EStG 1988 nach § 9 Abs. 3 Satz 2 EStG 1988 voraus, dass konkrete Umstände nachgewiesen und festgestellt werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall zum Bilanzstichtag mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit bzw. eines Verlustes ernsthaft zu rechnen ist (vgl. zu den diesbezüglichen Voraussetzungen näher VwGH vom 20. Oktober 2010, 2007/13/0085, zu Garantierückstellungen).
24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 23. Februar 2017
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