VwGH Ra 2015/11/0022

VwGHRa 2015/11/002227.4.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision des W E in O, vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Jänner 2015, Zl. LVwG-4/1315/6-2015, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung (belangte Behörde: Landespolizeidirektion Salzburg, 5020 Salzburg, Alpenstraße 90), zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §10;
FSG 1997 §11;
FSG 1997 §3 Abs1 Z4;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Erkenntnisses (nur dieser Spruchpunkt wird mit der vorliegenden Revision bekämpft) wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und C abgewiesen (wohingegen die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B mit einem weiteren, hier nicht angefochtenen Spruchpunkt uneingeschränkt erteilt wurde). Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Seine Entscheidung begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, der Revisionswerber sei seit dem Jahr 1984 im Besitz der Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F und G gewesen. Diese Lenkberechtigung sei "im gesamten Berechtigungsumfang" am 22. August 2008 ex lege (§ 27 Abs. 1 Z 1 FSG) erloschen, nachdem sie (wegen wiederholten Lenkens von Kraftfahrzeugen ohne Lenkberechtigung) mit mehreren Bescheiden rechtskräftig für eine durchgehende Dauer von insgesamt mehr als 27 Monaten (konkret von 21. Februar 2007 bis 10. Juni 2009) entzogen worden sei.

Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S. (BH) vom 20. März 2013 sei die Lenkberechtigung des Revisionswerbers neuerlich für die Dauer eines Jahres entzogen worden. Nach einer amtsärztlichen und einer verkehrspsychologischen Untersuchung habe der Revisionswerber am 6. Oktober 2014 den Antrag auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B und C gestellt. Diesem Antrag sei vom Verwaltungsgericht nur hinsichtlich der Klassen AM und B stattzugeben gewesen, weil der Revisionswerber den gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 letzter Satz FSG für die Wiedererteilung erforderlichen Nachweis der fachlichen Befähigung (praktische Fahrprüfung) nur für die Klasse B (diese beinhalte gemäß § 2 Abs. 3 Z 7 FSG auch die Klasse AM) absolviert habe und in der durchgeführten Verhandlung unmissverständlich angegeben habe, sich der Fahrprüfung für die Führerscheinklassen A und C nicht mehr unterziehen zu wollen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Erkenntnisses erhobene, im Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit der praktischen Fahrprüfung nach Erlöschen der Lenkberechtigung zulässigen, außerordentliche Revision erwogen:

1. Das FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 52/2014, lautet auszugsweise:

"§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und

...

§ 10. (1) Vor der Erteilung der Lenkberechtigung ist die fachliche Befähigung des Antragstellers durch eine Fahrprüfung nachzuweisen. Das Gutachten hat nur auszusprechen, ob der Begutachtete zum Lenken von Fahrzeugen der in Betracht kommenden Klasse fachlich befähigt ist oder nicht. Die Namen der Sachverständigen dürfen erst am Tag der Prüfung bekanntgegeben werden.

...

(4) Der Nachweis der in Abs. 2 genannten Schulung entfällt ferner für Personen, deren Lenkberechtigung erloschen ist. Die Behörde hat außerdem bei Personen, deren Lenkberechtigung durch Fristablauf oder Verzicht erloschen ist, von der Einholung eines Gutachtens über die fachliche Befähigung abzusehen, wenn

1. der Antrag auf Erteilung einer neuen Lenkberechtigung innerhalb von 18 Monaten seit dem Erlöschen der Lenkberechtigung gestellt wurde,

2. die Lenkberechtigung für die gleiche Klasse von Kraftfahrzeugen beantragt wurde und

3. anzunehmen ist, dass der Antragsteller die fachliche Befähigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch besitzt.

Ist die Lenkberechtigung durch eine Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten erloschen oder sind seit dem Erlöschen der Lenkberechtigung durch Fristablauf oder Verzicht mehr als 18 Monate vergangen und wird die Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die gleiche Klasse beantragt, so hat die Behörde von einer theoretischen Prüfung abzusehen, wenn nicht auf Grund konkreter Bedenken anzunehmen ist, dass der Antragsteller nicht mehr ausreichende theoretische Kenntnisse besitzt.

...

§ 11. (1) Die Fahrprüfung hat aus einer automationsunterstützten theoretischen und einer praktischen Prüfung zu bestehen.

...

(3) Die praktische Prüfung darf erst abgenommen werden, wenn die theoretische Prüfung mit Erfolg abgelegt worden ist. Sie ist auf einem zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug der Klasse abzunehmen, für die der Kandidat eine Lenkberechtigung beantragt hat, unter Berücksichtigung einer beantragten Beschränkung. Dieses Kraftfahrzeug muß eine richtige Beurteilung der praktischen Kenntnisse des Kandidaten ermöglichen und den Anforderungen des § 12 entsprechen. ...

...

(4) Die praktische Prüfung hat zu umfassen:

1. die Vorgangsweise bei den für die Fahrt notwendigen und möglichen Überprüfungen des Zustandes des Fahrzeuges,

2. Fahrübungen, wie insbesondere Umkehren, Rückwärtsfahren, Anfahren auf Steigungen, Einfahren in Parklücken und Ausfahren aus diesen, und Bremsübungen, wie insbesondere Gefahrenbremsungen und

3. eine Prüfungsfahrt auch auf Straßen mit starkem Verkehr von mindestens 25 Minuten für die Klassen A1, A2, A, B und BE und von mindestens 45 Minuten für die Klassen C(C1), CE(C1E), D(D1), DE(D1E).

...

§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt:

  1. 1. nach Ablauf einer Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten;
  2. 2. durch Zeitablauf;
  3. 3. durch Verzicht;
  4. 4. 100 Jahre nach Erteilung;
  5. 5. durch Tod des Berechtigten."

2.1. Der Revisionswerber nimmt in seiner Revision Bezug auf den rechtskräftigen Bescheid der BH vom 20. März 2013, mit dem seine Lenkberechtigung (zuletzt) für die Dauer von zwölf Monaten (beginnend ab der Bescheidzustellung am 25. März 2013) rechtskräftig entzogen wurde. Ausgehend von dieser "letzten Entzugsdauer" sei die Annahme des Erlöschens der Lenkberechtigung am 22. August 2008 grob rechtswidrig. Zur Zulässigkeit der Revision führt er aus, das Verwaltungsgericht sei abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgegangen, die Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und C nach einer Entziehungsdauer von nur 13 (gemeint: 12) Monaten setze die neuerliche Ablegung der praktischen Fahrprüfung für die beiden zuletzt genannten Klassen voraus. Erkennbar in diesem Zusammenhang wird in der Revision die Ansicht vertreten, gemäß § 10 Abs. 4 zweiter Satz FSG sei für die Wiedererteilung der Lenkberechtigung ein Gutachten über die fachliche Befähigung (praktische Fahrprüfung) nicht erforderlich. Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall vom Erfordernis der Absolvierung der praktischen Fahrprüfung ausginge, so genüge für die Wiedererteilung der Klassen A und C die (vom Revisionswerber positiv abgelegte) praktische Fahrprüfung für die Führerscheinklasse B, weil es sich bei der Wiedererteilung der Lenkberechtigung meistens um Personen mit jahrelanger Erfahrung handle, sodass im Rahmen der praktischen Fahrprüfung - nach Ansicht des Revisionswerbers ohne Bezugnahme auf bestimmte Klassen - festgestellt werden könne, ob die fachliche Befähigung noch gegeben sei (Hinweis auf Literatur).

2.2. Das Verwaltungsgericht hat in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses festgestellt, dass die Lenkberechtigung des Revisionswerbers (im gesamten Berechtigungsumfang) einerseits mit mehreren näher genannten Bescheiden für den durchgehenden Zeitraum 21. Februar 2007 bis 10. Juni 2009 (sohin mehr als 27 Monate) rechtskräftig entzogen wurde und dass andererseits (zuletzt) mit rechtskräftigem Bescheid der BH vom 20. März 2013 eine Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Dauer von 12 Monaten ausgesprochen wurde. Diese Feststellungen sind unstrittig. Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt, dass die Lenkberechtigung des Revisionswerbers bereits am 22. August 2008 (Ablauf von mehr als 18 Monaten Entziehungsdauer ab dem Entziehungsbeginn am 21. Februar 2007) gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 FSG erloschen ist. Folglich ging der (erst nach dem Erlöschen der Lenkberechtigung erlassene) rechtskräftige Bescheid vom 20. März 2013 über die neuerliche Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von 12 Monaten (angesichts fehlender Behauptungen und Anhaltspunkte, dass dem Revisionswerber bei Erlassung dieses Bescheides eine Lenkberechtigung zwischenzeitig wieder erteilt war) ins Leere und hat trotz seiner Rechtskraft nicht etwa (wie der Revisionswerber offenbar meint) bewirkt, dass zum Zeitpunkt seiner Erlassung von der Existenz einer Lenkberechtigung des Revisionswerbers ausgegangen werden müsse (ein Ausspruch im letztgenannten Sinne ist dem Bescheid vom 20. März 2013 nicht zu entnehmen). Aus dem letztgenannten Entziehungsbescheid ist daher entgegen den Revisionsausführungen für den Revisionswerber fallbezogen nichts zu gewinnen.

2.3. Vor dem Hintergrund dieses Erlöschens der bisherigen Lenkberechtigung des Revisionswerbers und seinem nachfolgenden Antrag vom 6. Oktober 2014 auf Wiedererteilung ist im vorliegenden Revisionsfall entscheidungsrelevant, ob der Revisionswerber die Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und C im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses erfüllt hat. Diese Frage wurde vom Verwaltungsgericht deshalb verneint, weil der Revisionswerber den gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 10 FSG für die Wiedererteilung erforderlichen Nachweis der fachlichen Befähigung nicht erbracht hat.

2.4. Gemäß § 10 Abs. 1 FSG ist vor der Erteilung der Lenkberechtigung die fachliche Befähigung des Antragstellers durch eine Fahrprüfung, die gemäß § 11 Abs. 1 FSG aus einer theoretischen und einer praktischen Prüfung zu bestehen hat, nachzuweisen. Unstrittig ist, dass sich der Revisionswerber seit dem Erlöschen seiner vormaligen Lenkberechtigung am 22. August 2008 der praktischen Fahrprüfung für die hier in Rede stehenden Klassen A und C nicht mehr unterzogen hat.

Soweit sich der Revisionswerber nun in der Revision auf den Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 4 zweiter Satz FSG beruft, ist er darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil sie lediglich das Erlöschen der Lenkberechtigung "durch Fristablauf oder Verzicht" (somit die Tatbestände des § 27 Abs. 1 Z 2 und 3 FSG) betrifft, nicht jedoch das davon zu unterscheidende (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2003, Zl. 2002/11/0111) und gegenständlich vorliegende Erlöschen der Lenkberechtigung nach Ablauf der Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten (§ 27 Abs. 1 Z 1 FSG).

2.5. Der Fall des Erlöschens der Lenkberechtigung nach Ablauf der Entziehungsdauer von mehr als 18 Monaten ist vielmehr in § 10 Abs. 4 dritter Satz FSG geregelt, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen (lediglich) von der theoretischen, nicht aber von der praktischen Fahrprüfung abzusehen ist.

Soweit der Revisionswerber meint, es genüge im vorliegenden Fall der Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und C, dass die praktische Fahrprüfung hinsichtlich der Klasse B absolviert wurde, so ist ihm § 11 Abs. 3 zweiter Satz FSG entgegen zu halten, wonach die praktische Prüfung auf einem zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug der Klasse, für die der Kandidat eine Lenkberechtigung beantragt hat, abzunehmen ist (vgl. in diesem Sinne auch § 11 Abs. 4 Z 3 FSG über die länger dauernde Prüfungsfahrt für die Klasse C im Verhältnis zur Klasse B).

2.6. Schließlich wendet der Revisionswerber ein, das Verwaltungsgericht habe seine Zuständigkeit zur Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem ihm (auch) die Lenkberechtigung für die Klassen A und C - allerdings befristet und unter Auflagen - erteilt worden sei, überschritten, weil das Verwaltungsgericht aufgrund der Beschwerde des Revisionswerbers lediglich über die Zulässigkeit der Befristung und der Auflagen hätte absprechen dürfen, nicht aber darüber, ob die Voraussetzungen für die Wiedererteilung der Lenkberechtigung "grundsätzlich" vorliegen.

Dem ist zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht den Bescheid der belangten Behörde gemäß § 27 VwGVG aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG), somit im Hinblick auf die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren der Beschwerde, zu überprüfen hatte. Dabei hatte das Verwaltungsgericht jedoch zu berücksichtigen, dass die Frage der Befristung der Lenkberechtigung von der Frage der Erteilung der Lenkberechtigung nicht getrennt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2000/11/0242).

3. Nach dem Gesagten ist es daher nicht als rechtswidrig anzusehen, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klassen A und C mangels Nachweises der fachlichen Befähigung (praktische Fahrprüfung) für diese Klassen abgewiesen wurde.

Da somit die vom Revisionswerber behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 27. April 2015

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