VwGH Ra 2015/08/0188

VwGHRa 2015/08/018812.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revisionen des M P in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Köb, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 2/5, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 28. Oktober 2015, Zlen. W198 2106421-1/7E (hg. Ra 2015/08/0188), W198 2102270-1/4E (hg. Ra 2015/08/0189), W198 2017849-1/4E (hg. Ra 2015/08/0190), W198 2102269-1/4E (hg. Ra 2015/08/0191), W198 2101510-1/4E (hg. Ra 2015/08/0192) und W198 2017885-1/4E (hg. Ra 2015/08/0193), jeweils betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A E in Wien, (Ra 2015/08/0188), 2. DI M H in Wien, (Ra 2015/08/0189), 3. D J in Wien, (Ra 2015/08/0190), 4. F S in Wien, (Ra 2015/08/0191),

5. M T in Wien, (Ra 2015/08/0192), 6. I W in Wien, (Ra 2015/08/0193), 7. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, 8. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67,

9. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

1.2. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit den angefochtenen Erkenntnissen bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die bekämpften Bescheide der Gebietskrankenkasse und stellte fest, dass der Erst-, der Zweit-, die Dritt-, der Viert-, der Fünft- und die Sechstmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung beim Revisionswerber jeweils für einen bestimmten Zeitraum im Jahr 2007 der Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegen.

Die Revision wurde jeweils für nicht zulässig erklärt.

2.2. Dagegen wenden sich die außerordentlichen Revisionen, in denen der Revisionswerber jedoch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt, sodass - nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung - die außerordentlichen Revisionen zurückzuweisen sind.

3. Das Verwaltungsgericht ist jeweils unter eingehender Würdigung der in den angefochtenen Erkenntnissen dargelegten Erhebungsergebnisse auf vertretbare Weise zur Überzeugung gelangt, dass nach den im Sinn der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 10. Dezember 1986, VwSlg. 12.325/A, uva.) anzuwendenden Abgrenzungskriterien, bezogen auf das jeweilige Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigungen jedenfalls von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von (echten bzw. abhängigen) Dienstverhältnissen im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und nicht bloß von freien Dienstverträgen im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG oder von Werkverträgen im Sinn der §§ 1165 ff ABGB auszugehen ist.

4.1. Der Revisionswerber stellt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung das Vorliegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit in Abrede, weil auch immaterielle Güter (Know-how) als Betriebsmittel zu werten seien. Der Rechtsprechung, wonach als Betriebsmittel ausschließlich Sachmittel (körperliche Gegenstände) zu erachten seien, stehe die herrschende Lehre entgegen, die Judikatur finde auch im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien keine explizite Deckung.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa die Erkenntnisse vom 19. Februar 2014, 2013/08/0160, und vom 14. März 2013, 2012/08/0018), dass sich die wirtschaftliche Abhängigkeit bereits aus der persönlichen Abhängigkeit ergibt, ist mit jener doch ein Fehlen der (eigenen) Verfügungsmacht über die wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel verbunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, 2001/08/0053). Folglich kann wirtschaftliche Abhängigkeit zwar bei persönlicher Unabhängigkeit bestehen, nicht aber persönliche Abhängigkeit ohne wirtschaftliche Abhängigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, 2007/08/0296).

Vor diesem Hintergrund ergibt sich in den vorliegend zu beurteilenden Fällen, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit bereits zwingend aus der vom Verwaltungsgericht jeweils bejahten persönlichen Abhängigkeit der Dienstnehmer folgt. Die aufgeworfene wesentliche Rechtsfrage ist schon deshalb nicht gegeben.

4.3. Im Übrigen vertritt der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit § 4 Abs. 4 ASVG die Auffassung (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. Juni 2014, 2012/08/0245, und vom 22. Dezember 2009, 2006/08/0317), dass es sich bei einem wesentlichen Betriebsmittel um ein nicht bloß geringwertiges Wirtschaftsgut handelt, das der Dienstnehmer durch Aufnahme in das Betriebsvermögen der Schaffung einer unternehmerischen Struktur gewidmet hat oder das seiner Art nach von vornherein der betrieblichen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Dabei ist stets vorausgesetzt, dass es sich um ein Sachmittel handelt, das für die konkret in Rede stehende Tätigkeit wesentlich ist, Fertigkeiten (Know-how) bzw. die Arbeitskraft als solche fallen nicht darunter. Dem stehen auch das Gesetz und die Gesetzesmaterialien sowie die herrschende Lehre nicht entgegen, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2008, 2007/08/0223, eingehend ausgeführt hat.

Ausgehend davon ist für die wirtschaftliche Abhängigkeit ausschließlich maßgeblich, dass nach den Feststellungen (die auch in Ansehung des Erst- und des Zweitmitbeteiligten durchaus genügen) der Revisionswerber bzw. dessen Kunden den Dienstnehmern die wesentlichen Betriebsmittel überlassen haben. Auf die von den Dienstnehmern eingebrachten speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten - mögen sie auch das Ergebnis einer über längere Zeit erworbenen und mit erheblichen Kosten verbundenen Aus- und Weiterbildung sein - kommt es in dem Zusammenhang nicht an.

5. Insgesamt wird daher in den Revisionen keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2016

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