VwGH Ra 2015/08/0098

VwGHRa 2015/08/009819.12.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Ing. Mag. Dr. E N in K, vertreten durch Dr. Kristina Venturini, Rechtsanwältin in 2020 Hollabrunn, Raiffeisenplatz 1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2015, W156 2101592-1/7E, betreffend Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Bauern; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §66 Abs4;
BSVG §2 Abs7;
BSVG §2;
BSVG §348 Abs1 Z1;
BSVG §348 Abs2 Z2;
BSVG §39a Abs2;
BSVG §39a;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080098.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Der im Jahr 1977 geborene Revisionswerber stellte am 9. Dezember 2014 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG für bestimmte Zeiträume in den Jahren 1992 bis 1996, in denen er eine höhere landwirtschaftliche Schule mit Internatsaufenthalt besucht habe und daneben im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern hauptberuflich beschäftigt gewesen sei.

Die belangte Behörde wies den Antrag mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 ab, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ein Schüler, der mit Ausnahme der Ferien die gesamte Zeit im Internat verbringe, nicht hauptberuflich im elterlichen Betrieb beschäftigt sein könne.

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Jänner 2015 keine Folge.

Im Vorlageantrag führte der Revisionswerber unter anderem aus, der Beitragsnachentrichtung stehe auch die Änderung des § 39a Abs. 2 BSVG durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2015 (wonach die Beitragsnachentrichtung ausgeschlossen sei, wenn sich die Beschäftigungszeiten mit als Ersatzzeiten geltenden Schul- oder Berufsausbildungszeiten deckten, es sei denn die persönliche Mitarbeit wäre wegen außergewöhnlicher Umstände zur Aufrechterhaltung des Betriebs unerlässlich gewesen) nicht entgegen, zumal die geänderte Rechtslage auf Grund der früheren Antragstellung im konkreten Fall noch nicht anzuwenden sei.

Die belangte Behörde erwiderte, die durch das SVAG geänderte Rechtslage sei hier bereits anzuwenden.

2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte im Wesentlichen aus, gemäß § 39a Abs. 2 BSVG in der Fassung seit dem SVAG sei die Nachentrichtung verjährter Beiträge ausgeschlossen, wenn sich - wie vorliegend - die Versicherungszeiten mit als Ersatzzeiten geltenden Schul- oder Berufsausbildungszeiten deckten und kein Nachweis erbracht werde, dass die persönliche Mitarbeit wegen außergewöhnlicher Umstände zur Aufrechterhaltung des Betriebs unerlässlich gewesen sei. Die durch das SVAG mit 1. Jänner 2015 geänderte Rechtslage sei hier bereits anzuwenden, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung grundsätzlich an der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten habe. Anderes würde gelten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck gebracht hätte, dass auf anhängige Verfahren das bisher geltende Gesetz weiter anzuwenden sei, oder wenn darüber abzusprechen wäre, was zu einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen sei. Das SVAG sehe freilich keine Übergangsbestimmung vor, der zufolge auf bereits anhängige Verfahren das bisherige Gesetz weiter anzuwenden sei, auch aus den Gesetzesmaterialien erschließe sich kein diesbezüglicher Wille des Gesetzgebers. Aus der Betrachtung, was zu einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen sei, könne ebenso nichts gewonnen werden, liege doch eine diesbezügliche Konstellation hier nicht vor.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3.1. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattete. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob die Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung oder die Rechtslage im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung anzuwenden sei. Die Frage sei vor allem wegen der plötzlichen Änderung der Rechtslage durch das SVAG ohne Übergangsrecht, verbunden mit einem massiven Eingriff in bereits erworbene Rechtspositionen (Pensionsversicherungszeiten), von Bedeutung. Die Frage sei aber auch deshalb bedeutsam, weil die Behörde - käme es stets auf die Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt an - durch Provozieren von Rechtsmittelverfahren bzw. Hinauszögern von Entscheidungen die Anwendung einer neuen Rechtslage willkürlich herbeiführen könnte.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

4.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof - ausgehend vom Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 4. Mai 1977, 898/75, VwSlg. 9315 A - in ständiger Rechtsprechung vertritt, hat die Rechtsmittelbehörde bzw. das Verwaltungsgericht im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids bzw. Erkenntnisses geltende Recht anzuwenden (vgl. VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066). Eine andere Betrachtungsweise ist dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen ist (siehe etwa VwGH 19.2.1991, 90/08/0177; 6.6.1991, 91/09/0077). Für die Beurteilung der Frage, welche Rechtslage heranzuziehen ist, ist auf die Auslegung der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschriften abzustellen (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2015/07/0008).

4.2. Vorliegend sieht das SVAG - wie auch der Revisionswerber einräumt - keine Übergangsbestimmung für die hier zu beurteilende Fallkonstellation vor. Soweit § 348 Abs. 2 Z 2 BSVG eine Übergangsregelung für die (ebenso neu eingefügte) Vorschrift des § 2 Abs. 7 BSVG (über die Voraussetzungen für das Vorliegen einer hauptberuflichen Beschäftigung sowie deren grundsätzlichen Ausschluss für die Dauer einer Schul- oder Berufsausbildung) enthält, ist diese Regelung nicht (auch) auf § 39a Abs. 2 BSVG zu beziehen, wird doch in § 348 Abs. 1 Z 1 BSVG das Inkrafttreten des § 39a BSVG ausdrücklich mit 1. Jänner 2015 angeordnet, ohne dass insofern eine Übergangsbestimmung vorgesehen wäre.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend hervorhebt, lässt sich den Materialien zum SVAG (vgl. ErläutRV 321 BlgNR 25. GP  14) auch nicht entnehmen, dass eine Übergangsregelung vom Gesetzgeber intendiert gewesen wäre. Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass einer "überschießenden Entwicklung" (auf Grund der bis dahin nahezu lückenlosen Bejahung einer hauptberuflichen Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft neben einer Schul- bzw. Berufsausbildung und der erheblich günstigeren Beiträge bei Nachentrichtung gemäß § 39a BSVG im Vergleich mit einem "Einkauf" von Schulbzw. Ausbildungszeiten) "gegenzusteuern" sei, was für eine sofortige Anwendung der neuen Rechtslage auch auf anhängige Verfahren spricht.

4.3. Aus dem (im Sinn der obigen Rechtsprechung ferner beachtlichen) Kriterium der Stichtags- bzw. Zeitraumbezogenheit ist für den Rechtsstandpunkt des Revisionswerbers gleichfalls nichts zu gewinnen. Die Nachentrichtung verjährter Beiträge zur Pensionsversicherung gemäß § 39a BSVG ist - im Gegensatz zur Vorfrage des Vorliegens einer Pflichtversicherung - insbesondere nicht zeitraumbezogen, kommt es doch für die Beitragsnachentrichtung nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Pflichtversicherung, sondern auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligung der Nachentrichtung an. Folglich ist auf den Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abzustellen und damit die durch das SVAG ohne Übergangsrecht geänderte Rechtslage maßgeblich.

4.4. Dem steht auch die Argumentation des Revisionswerbers, die Behörde könnte durch Provozieren von Rechtsmittelverfahren bzw. Hinauszögern von Entscheidungen die Anwendung einer neuen Rechtslage willkürlich herbeiführen, nicht entgegen. Einerseits dienen dem Schutz vor derartigen unsachlichen Differenzierungen der - auch die Vollziehung bindende - Gleichheitsgrundsatz (Art. 7 Abs. 1 B-VG), der als umfassendes Willkürverbot zu verstehen ist, das Legalitätsprinzip und gesetzliche Entscheidungsfristen. Andererseits sind fallbezogen keinerlei Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde ersichtlich.

5. Insgesamt hat daher das Verwaltungsgericht im Einklang mit der ständigen hg. Rechtsprechung erkannt, dass der Antrag auf Beitragsnachentrichtung gemäß § 39a Abs. 2 BSVG auf Basis der durch das SVAG geänderten im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts geltenden Rechtslage zu beurteilen ist.

Damit vermochte der Revisionswerber in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 15.2.2017, Ra 2014/08/0055) keine Rechtsfrage aufzuzeigen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2018

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