VwGH Ra 2014/21/0052

VwGHRa 2014/21/005222.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des I F in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14/1/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 2014, Zl. G307 2010195- 1/2E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §20;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs2 idF 2011/I/038;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47 Abs2;
BFA-VG 2014 §20;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §67 Abs1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §67 Abs2 idF 2011/I/038;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) über die Beschwerde des slowakischen Revisionswerbers gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Juli 2014 dahin entschieden, dass der Beschwerde gemäß § 67 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG insoweit stattgegeben werde, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre herabgesetzt werde. Außerdem sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend wurde nach der Darstellung des Verfahrensgangs Folgendes festgestellt: Der 1985 in der Slowakei geborene Revisionswerber sei Anfang 2011 in das Bundesgebiet eingereist, halte sich seither ohne Unterbrechung in Österreich auf und habe seit 10. Juli 2012 einen gemeinsamen Hauptwohnsitz mit seinen ebenfalls in Österreich aufhältigen Eltern. Am 2. August 2012 sei ihm eine unbefristete Anmeldebescheinigung für EU-Bürger erteilt worden. Er gehe seit dem 16. Mai 2014 einer geringfügigen Beschäftigung nach und beziehe Notstandshilfe. Vom 5. September 2011 bis 28. September 2012 sei er als Arbeiter und am 14. Dezember 2012 sowie vom 21. März 2014 bis 16. Mai 2014 als geringfügig beschäftigter Arbeiter beschäftigt gewesen. Er besuche Fortbildungskurse beim AMS und BFI und verfüge über eine herkunftsstaatliche schulische Bildung auf Reifeprüfungsniveau. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sei er am 2. Juli 2014 rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall SMG zu einer bedingten zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Auf diese Feststellungen folgt unter der Überschrift "Beweiswürdigung" eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen: Wenn vorgebracht werde, dass die Verurteilung in auffallendem Widerspruch zum bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers stünde, sei dem zu entgegnen, dass allein aus dem Umstand der bis zur Verurteilung vorliegenden Unbescholtenheit kein derart auffallender Widerspruch gesehen werden könne, sei doch einer Erstverurteilung die "Vorverurteilungsfreiheit" immanent. Dem Gerichtsurteil sei zudem wörtlich zu entnehmen, dass ein ordentlicher Lebenswandel des Revisionswerbers auf Grund zurückliegenden Suchtgiftkonsums nicht vorliege und das Zusammentreffen von fünf Verbrechen erschwerend zu werten sei. Auch werde im Urteil dezidiert erwähnt, dass sämtliche Angeklagten die Methamphetamin HCL enthaltende Droge "PICO" "konsumierten oder konsumiert hätten", weshalb den diesbezüglichen Vorhalten in der Beschwerde nicht gefolgt werden könne, zumal die belangte Behörde sich auf Feststellungen im seinerzeit unbeeinsprucht gebliebenen Strafurteil gestützt habe und somit eine hinreichende Begründung vorzuweisen vermöge. Vor diesem Hintergrund erscheine es "nicht abwegig", wenn die belangte Behörde von der Gefahr der Schaffung einer Einnahmequelle seitens des Revisionswerbers zur Finanzierung eines allfälligen Drogenkonsums ausgehe. Die in der Beschwerde diesbezüglich vorgebrachten Entgegnungen vermöchten auf Grund ihrer Unsubstantiiertheit dem rechtskräftigen Strafurteil nicht entgegenzutreten. So könne dem Urteil auch entnommen werden, dass der Revisionswerber im Bewusstsein und Willen, das Suchtmittel PICO nach Österreich einzuführen, gehandelt habe und seine Freiheitsstrafe lediglich wegen des Umstandes der Erstverurteilung bedingt nachgesehen worden sei und nicht, wie in der Beschwerde behauptet, auf Grund seiner untergeordneten Rolle im Zuge der angelasteten Straftat.

Der Beteuerung des Revisionswerbers, auf Grund der Verhängung der Strafe von zukünftigen Straftaten Abstand nehmen zu wollen, könne kein "Beweis bringender Wert" beigemessen werden, weil selbst die im Raum stehende Gefahr einer Inhaftierung sowie des Verlusts des Aufenthaltsrechts und damit einhergehend die allfällige Beeinträchtigung der familiären Beziehungen im Bundesgebiet den Revisionswerber nicht von der Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat abgehalten hätten. Zudem sei mit der Suchtgiftkriminalität ein erhöhtes Wiederholungspotential verbunden. Dieses erfahre auch im Fall des Revisionswerbers auf Grund seiner strafgerichtlich festgestellten Wiederholungstendenz, des eigenen Drogenkonsums, der lediglich geringfügigen Beschäftigung, des Bezuges von Notstandshilfe sowie der finanziellen Lage eine Potenzierung.

In der rechtlichen Beurteilung verwies das BVwG - nach Wiedergabe des § 67 FPG und des § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) -

neuerlich auf die strafgerichtliche Verurteilung des Revisionswerbers. Beim begangenen Delikt handle es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten des Revisionswerbers, bei dem die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß sei. Es sei aber auch zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber bereits seit 2011 durchgehend in Österreich aufhältig sei, am Arbeitsmarkt - wenn auch überwiegend nur auf Grund geringfügiger Beschäftigung -

Fuß gefasst habe und zahlreiche Kontakte in Österreich pflege sowie dass ein Teil seiner Familie im Bundesgebiet aufhältig sei. Zudem forciere der Revisionswerber sein berufliches Fortkommen durch das Absolvieren einschlägiger Fortbildungsmaßnahmen.

Das Aufenthaltsverbot stelle einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers dar, wobei jedoch dessen Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt eine deutliche Beeinträchtigung erfahren habe. Den insoweit geminderten persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet stehe die aus seiner Straftat resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, wobei ihm ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last liege. Bei Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen sei zu schließen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei. Dem Vorbringen betreffend fehlende Bindungen, Kontakte, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten im Herkunftsland sei entgegen zu halten, dass durch § 67 FPG iVm § 9 BFA-VG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet werde und ferner mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen werde, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er allenfalls abgeschoben werde.

Vor dem Hintergrund des Eigenkonsums von Drogen, der gegenwärtigen geringfügigen Beschäftigung und des Bezugs von Notstandshilfe sowie des Umstands, dass nicht einmal familiäre Bezüge im Bundesgebiet und die Gefahr des Verlusts seines Aufenthaltstitels den Revisionswerber von der Begehung einer derartigen Straftat abgehalten hätten, sei davon auszugehen, dass der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers die öffentliche Sicherheit gefährden werde und der Tatbestand des § 67 Abs. 1 FPG verwirklicht sei.

Nichtsdestotrotz sei eine Einzelfallbetrachtung anzustellen, wobei auch ein Blick auf die Strafhöhe und das verletzte Rechtsgut zu werfen sei. Halte man sich vor Augen, dass die Entscheidung der belangten Behörde mit Bezug auf die Dauer des Aufenthaltsverbotes (acht Jahre) sich im oberen Drittel der höchstmöglichen Dauer nach § 67 Abs. 2 FPG bewege, so bleibe in jenen Fällen kaum ein Spielraum, welche noch schwerer wögen als jener des Revisionswerbers. Angesichts des vom Revisionswerber begangenen Verbrechens, der Strafhöhe, seiner bis dahin aufrechten Unbescholtenheit und jener Umstände, die für eine Integration im Bundesgebiet sprächen, werde anzunehmen sein, dass die zuvor geschilderten, die Verhängung eines Aufenthaltsverbots rechtfertigenden Gründe bereits vor Ablauf der von der belangten Behörde angenommenen acht Jahre wegfallen würden. Die Dauer des Aufenthaltsverbots sei daher auf eine angemessene Dauer von drei Jahren herabzusetzen gewesen.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine, habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben können Was das Vorbringen des Revisionswerbers in der Beschwerde betreffe, so finde sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Den Ausspruch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dass die in Art. 133 Abs. 4 B-VG normierten Voraussetzungen im gegenständlichen Fall nicht vorlägen. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung seien weder in der Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die herangezogene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie sei jedoch auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen:

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Dem Ausspruch des BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hält die Revision insbesondere entgegen, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Einerseits habe es bei der Gefährdungsprognose nicht beurteilt, ob das persönliche Verhalten des Revisionswerbers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre; es sei nicht einmal das strafgerichtliche Urteil richtig wiedergegeben worden, insbesondere hinsichtlich der untergeordneten Rolle des Revisionswerbers bei der Tatbegehung. Andererseits habe das BVwG zu Unrecht von der in der Beschwerde beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Damit wird im Ergebnis zutreffend geltend gemacht, dass die Revision entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des BVwG zulässig ist; sie ist auch berechtigt.

2. Auf den Revisionswerber - als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten, aber (entgegen der Revision) noch nicht über das Daueraufenthaltsrecht verfügenden EWR-Bürger - war § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG (in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) anzuwenden. Demnach ist gegen ihn die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, mwN).

3. Das BVwG nahm bei seiner Gefährdungsprognose nur auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit Bezug und begründete deren Vorliegen lediglich mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers und dem allgemeinen Hinweis auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die damit verbundene Wiederholungsgefahr. Der angefochtenen Entscheidung lässt sich weder entnehmen, dass das BVwG auf eine "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr" abgestellt hat, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, noch enthält sie Feststellungen zum persönlichen Verhalten des Revisionswerbers und zu seiner Rolle bei der Tatbegehung. Auch die Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen - disloziert im Abschnitt "Beweiswürdigung" - geht letztlich über bloße Verweise auf das Strafurteil nicht hinaus, wobei das BVwG zwischen dem Revisionswerber und den - durchwegs zu (zum Teil erheblich) höheren Strafen verurteilten - Mittätern nicht differenziert. Die Annahme der - schon in der Beschwerde in Abrede gestellten - aktuellen Drogensucht des Revisionswerbers wird lediglich mit dem Hinweis auf die Feststellung im Strafurteil begründet, wonach "sämtliche Angeklagte" die Droge PICO "konsumierten oder konsumiert hätten".

Damit hat das BVwG sein Erkenntnis mit Begründungsmängeln belastet, bei deren Vermeidung es bei der Gefährdungsprognose zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

4. Das BVwG hat außerdem die gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG und Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta - GRC bestehende Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt (vgl. zur Anwendbarkeit des Art. 47 Abs. 2 GRC bei der Erlassung von Aufenthaltsverboten gemäß § 67 FPG das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039).

Gemäß dem hier anzuwendenden § 21 Abs. 7 BFA-VG kann zwar - trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Voraussetzung für die Annahme eines in diesem Sinn geklärten Sachverhalts ist aber, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden ist und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, und vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039).

Im vorliegenden Fall konnte von einem geklärten Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG schon deswegen keine Rede sein, weil die Annahme einer Drogensucht bzw. eines laufenden Drogenkonsums - mit welcher der Revisionswerber im Ermittlungsverfahren nicht konfrontiert worden war - im Bescheid des BFA begründungslos geblieben ist. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hinzuweisen (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039, mwN).

5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Jänner 2015

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