VwGH Ra 2014/19/0085

VwGHRa 2014/19/008527.1.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Feiel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Revision des N H in S, vertreten durch Dr. Christian Lind, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2014, Zl. W224 1434413-1/14E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §67d Abs1;
AVG §67d;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §67d Abs1;
AVG §67d;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, somit in seinem Spruchpunkt A I., wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 17. September 2012 nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Asylverfahren machte der Revisionswerber - auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst - geltend, sein Vater sei Dorfvorsteher seines Heimatdorfes gewesen. Die Taliban hätten vom Vater verlangt, Mitglieder dieser Organisation in die Koranschule des Dorfes einzuschleusen sowie ihnen die Namen und Dienstadressen von Personen auszuhändigen, die mit Hilfsorganisationen und anderen ausländischen Organisationen zusammenarbeiten würden. Zunächst habe der Vater, der für dieses Gespräch von den Taliban in ein von ihnen beherrschtes Dorf gebracht worden sei, aus Angst zugesagt, diese Dienste zu leisten. Nach Rückkehr in sein Heimatdorf habe er einen "kämpferischen" Taliban angerufen und ihm mitgeteilt, nicht für die Taliban tätig zu werden. In weiterer Folge sei eine Handgranate in den Hof seines Anwesens geworfen worden. Bei der Explosion sei allerdings nur Sachschaden entstanden. Davon seien die Polizei und der Distriktvorsteher in Kenntnis gesetzt worden, die zugesagt hätten, "dass sie die Leute finden würden". Danach sei der Vater von einem Mitglied der Taliban angerufen und telefonisch bedroht worden. Die Drohanrufe hätten sodann über zwei Monate hinweg weiterhin stattgefunden.

Am 31. Juli 2011 habe sich der Revisionswerber zwecks Fortbildungsunterrichtes in einem 25 Kilometer entfernten Dorf aufgehalten, als ihm telefonisch mitgeteilt worden sei, dass auf seinen Vater ein Attentat verübt worden sei. Daraufhin sei er in sein Heimatdorf zurückgefahren. Dort angekommen sei ihm gesagt worden, dass der Vater auf dem Weg zur Moschee gewesen wäre, als er von maskierten Personen angeschossen worden sei. Der Vater sei dann seinen Verletzungen erlegen.

Der Revisionswerber sei dennoch seiner Arbeit als Lehrer in einer Mädchenschule wieder nachgegangen. Anfang Oktober 2011 sei sein Bruder verschwunden. Über dessen Verbleib sei nichts bekannt geworden.

Im März 2012 sei der Revisionswerber von einem Freund informiert worden, dass er seit zwei Monaten unter "der Kontrolle der Taliban" stehen würde und "aufpassen" möge. Daraufhin habe er sein Aussehen, etwa durch seinen Kleidungsstil, und die Gewohnheiten der Benutzung von Verkehrsmittel geändert, um von den Taliban nicht erkannt zu werden.

Noch im März 2012 sei der Revisionswerber von H M, über den er später in Erfahrung gebracht habe, dass er "der größte Taliban Kommandant des Distriktes" D J sei, kontaktiert worden. H M, zu dem er habe gehen müssen, habe von ihm verlangt, die Schule zu schließen, weil "Mädchen nicht zur Schule und nicht hinausgehen" dürften. H M, der gewusst habe, dass der Revisionswerber gute Kontakte zum Distriktvorsteher und Polizeikommandanten gehabt habe, habe auch verlangt, dass er als Spion für die Taliban arbeiten solle. Als der Revisionswerber von H M weggegangen sei, sei er von einem anderen Taliban bedroht worden. Dieser habe zu ihm gesagt, dass er so enden werde wie sein Vater, wenn er die Taliban nicht unterstütze. Von da an habe er nun mit Sicherheit gewusst, dass sein Vater von den Taliban ermordet worden sei.

Der Distriktvorsteher, dem er erzählt habe, dass er nunmehr wisse, wer seinen Vater umgebracht habe, habe gesagt, dass er den Mörder des Vaters des Revisionswerbers kenne. Er könne aber nichts "dagegen" tun.

In weiterer Folge habe der Revisionswerber H M angerufen und ihm unter Bitten mitgeteilt, dass er die von ihm verlangten Dinge nicht tun könne. H M habe nichts darauf geantwortet, sondern das Telefon einer anderen Person gegeben, die den Revisionswerber bedroht und gefragt habe, ob er denn nicht den Leichnam seines Vaters gesehen habe. Dieser Mann habe gedroht, der Revisionswerber werde so enden, wie sein Vater, wenn er "sie" nicht unterstütze.

Der Revisionswerber habe in der Folge auch zwei Drohbriefe erhalten, in denen ebenfalls seine Unterstützung für die Taliban einfordert und er aufgefordert worden sei, seine Tätigkeit an der Mädchenschule zu beenden. Das habe er vorerst nicht getan. Dann sei aber seine Mutter "ein paar Mal aufgesucht" und ihr mitgeteilt worden, dass ein Mullah "den Naqib", womit der Revisionswerber gemeint gewesen sei, suche. Daraufhin und auch weil zuvor schon sein Vater ermordet worden sei, habe der Revisionswerber sein Heimatland verlassen.

Das Bundesasylamt (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 2. April 2013 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigen (gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) ab. Unter einem wurde der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nach Afghanistan ausgewiesen.

In ihrer Begründung führte die Verwaltungsbehörde zusammengefasst aus, die Identität des Revisionswerbers habe nicht festgestellt werden können. Er sei afghanischer Staatsangehöriger. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubwürdig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass für ihn im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine wie auch immer geartete Gefährdung bestehe. Dass seine Angaben nicht den Tatsachen entsprochen hätten, begründete die Verwaltungsbehörde mit - von ihr konstatierten und näher dargestellten - Widersprüchen, der "allgemeinen Vagheit des Vorbringens" und nicht nachvollziehbarer Angaben.

Überdies sei die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative möglich und zumutbar. Gerade in Kabul sowie in jenen Regionen Afghanistans, die als verhältnismäßig sicher eingestuft werden könnten, sei "man" grundsätzlich gewillt und in der Lage, Schutz vor Angriffen der Taliban zu gewähren. Eine Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Afghanistans sei nicht gegeben. Davon, dass die Taliban den Revisionswerber in Kabul oder einem anderen Teil des Landes suchen oder gar finden würden, sei nicht auszugehen. Der Revisionswerber sei in seinem Heimatland im Fall seiner Rückkehr auch keiner existenzbedrohenden Situation ausgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Asylgerichtshof. Das Verfahren über diese Beschwerde wurde gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende geführt. In dieser Beschwerde trat der Revisionswerber den Erwägungen der Verwaltungsbehörde argumentativ entgegen und suchte die ihm vorgeworfenen Widersprüche mit konkreten Ausführungen zu entkräften. Des Weiteren führte er unter Hinweis und Zitierung von Berichten zu seinem Heimatland des Näheren aus, dass ihm, anders als die Verwaltungsbehörde meine, eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung stehe. Die Durchführung einer Verhandlung wurde in der Beschwerde nicht ausdrücklich beantragt.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber eingebrachte Beschwerde, soweit sie die Frage der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten betraf, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - allerdings nach weiteren Erhebungen, zu deren Ergebnis es Parteiengehör auf schriftlichem Weg einräumte - gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab (Spruchpunkt A I.). Im Übrigen gab dieses Gericht der Beschwerde statt, erkannte dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine (bis 4. Juni 2015 gültige) befristete Aufenthaltsberechtigung. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei Staatsangehöriger Afghanistans, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Anhänger der Glaubensrichtung der Sunniten. Er sei bis zu seiner Ausreise im Dorf R, Distrikt D J, Provinz Ghazni, wohnhaft und als Lehrer tätig gewesen. Die Ausführungen, er habe Afghanistan wegen einer Bedrohung seitens der Taliban verlassen und befürchte, von ihnen getötet zu werden, wenn er nicht mit ihnen zusammenarbeite, hätten sich als nicht glaubhaft erwiesen. Im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen schloss sich das Bundesverwaltungsgericht den Erwägungen der Verwaltungsbehörde an, führte darüber hinaus aber auch weitere Argumente ins Treffen, die sich - wie bereits an dieser Stelle festzuhalten ist - nicht als bloß unwesentliche Ergänzungen bisheriger tragender Überlegungen darstellen.

Zwar erscheine die Verfolgung - so das Bundesverwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung - wegen befürchteter Zwangsrekrutierung des Revisionswerbers "fragwürdig", aber selbst im Fall der "Wahrunterstellung" könne eine asylrechtlich relevante Verfolgung nicht vorliegen. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus politischen Gründen habe sich im Verfahren nicht ergeben. Eine allfällig drohende Zwangsrekrutierung durch die Taliban stelle ohne Hinzutreten weiterer nach der Genfer Flüchtlingskonvention maßgeblicher Umstände keine asylrelevante Verfolgung dar.

Dem Revisionswerber sei allerdings der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, weil sich aus den Feststellungen zur Situation in seinem Heimatland ergebe, dass es sich bei der Provinz Ghazni, aus der der Revisionswerber stamme, um eine der "gewalttätigeren Gegenden des Landes" handle. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz hätten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle ausweiten können. Es habe im 1. Quartal 2013 gegenüber dem 1. Quartal 2012 eine 100%-ige Steigerung der Anzahl von Attacken und Anschlägen durch regierungsfeindliche Kräfte gegeben. Auch im Juli 2013 und August 2013 hätten die Angriffe zugenommen. Ausgehend davon würde der Revisionswerber im Fall der Rückkehr, und zwar bezogen auf das gesamte Staatsgebiet, in eine ausweglose Lebenssituation geraten. Daran ändere nichts, dass im Heimatland noch Familienangehörige lebten. Es sei ihm auch nicht zumutbar, sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt, wo er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte habe, niederzulassen, weil er bis zu seiner Ausreise nur in seinem Heimatdorf in der Provinz Ghazni gelebt habe. Mangels anderweitigen Familienanschlusses oder sozialen Netzwerks wäre er nicht in der Lage, in anderen Städten Fuß zu fassen und seine existenziellen Grundbedürfnisse zu decken, zumal er auch nicht über die für eine Neuansiedelung nötigen finanziellen Mittel verfüge.

Von der Durchführung einer Verhandlung sei gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) iVm § 24 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgesehen worden, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. Der Sachverhalt sei nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde festgestellt worden. In der Beschwerde sei auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet worden.

Zur Unzulässigkeit der Revision führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Abweisung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt A I. des angefochtenen Bescheides sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz seien "in Anlehnung" an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 ergangen. Zum Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision, die sich ausdrücklich nur gegen die Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten wendet (Spruchpunkt A I.), nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurde nicht erstattet - erwogen:

Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision auf das Wesentliche zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Insbesondere wird geltend gemacht, es sei keine Verhandlung durchgeführt worden, obwohl die maßgeblichen Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Verhandlung nicht vorgelegen seien.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

§ 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

..."

§ 21 Abs. 7 BFA-VG hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21. ...

(7) Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG."

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 24 VwGVG bereits festgehalten, dass sich die bisher zu § 67d Allgemeines Verfahrensgesetz - AVG (in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Ausgehend davon wurde für die Auslegung des § 24 Abs.1 VwGVG die zu § 67d Abs. 1 AVG ergangene Rechtsprechung für maßgeblich angesehen. Demnach hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft und/oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird (vgl. nochmals das erwähnte Erkenntnis vom 9. September 2014).

Dies trifft auf das Vorbringen des Revisionswerbers in der Beschwerde ebenso zu, wie auf jenes, das über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts in der Stellungnahme vom 4. Juni 2014 erstattet wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hatte somit gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Fall VwGVG auch ohne ausdrücklichen Antrag des - im Übrigen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht unvertretenen - Revisionswerbers eine Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, es sei denn, andere gesetzliche Bestimmungen hätten es ermächtigt, davon Abstand zu nehmen. Fallbezogen kam dafür nur der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltene erste Tatbestand, worauf auch das Bundesverwaltungsgericht abgestellt hat, in Betracht (die in § 24 Abs. 2 und 5 VwGVG angesprochenen Konstellationen liegen hier nicht vor; zur Subsidiarität des § 24 Abs. 4 VwGVG vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, und vom 16. Oktober 2014, Ra 2014/21/0039).

Im genannten Erkenntnis vom 28. Mai 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Die Beschwerde richtet sich im hier gegenständlichen Fall nicht bloß unsubstantiiert gegen die verwaltungsbehördlichen Feststellungen, sondern sucht mit konkreten Argumenten die vom Bundesasylamt im Rahmen seiner Beweiswürdigung angeführte Widersprüche zu entkräften, und fordert darüber hinaus (wie auch in der später eingebrachten Stellungnahme vom 4. Juni 2014) ergänzende Feststellungen anhand neuerer (konkret bezeichneter) Berichte zur Situation im Heimatland des Revisionswerbers ein. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich zwar der Beurteilung der Verwaltungsbehörde, das Vorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubwürdig, an; untermauert dies aber - offenkundig wegen der der behördlichen Beweiswürdigung anhaftenden Mängel und dem Inhalt der Beschwerde - mit dem Aufzeigen weiterer, nicht als bloß untergeordnet oder unwesentlich anzusehender Aspekte, aus denen sich die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens ergebe. Des Weiteren erachtete es dieses Gericht (zutreffend) für geboten, die Feststellungen hinsichtlich der Situation im Heimatland des Revisionswerbers anhand im Beschwerdeverfahren getätigter Erhebungen und neu ins Verfahren eingeführter Beweismittel zu aktualisieren.

Vor diesem Hintergrund kann aber nicht gesagt werden, es wären die - oben dargestellten - Voraussetzungen zur Abstandnahme von der Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG erfüllt gewesen.

Die Entscheidung kann auch nicht von der vom Bundesverwaltungsgericht alternativ vorgenommen Begründung getragen werden, selbst wenn dem Revisionswerber die Zwangsrekrutierung durch die Taliban drohe, stelle dies keine asylrelevante Verfolgung dar. Dem Vorbringen, wonach der Revisionswerber nicht bereit gewesen sei, seine Tätigkeit als Lehrer an einer Mädchenschule aufzugeben und für die Taliban als Spion zu fungieren, kann nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht von vornherein ohne weitergehende Feststellungen der Inhalt abgesprochen werden, dass die Ursache seiner Weigerung in der (gesellschafts-)politischen Einstellung des Revisionswerbers, die jener der Taliban widerspreche, zu finden sei (vgl. etwa seine Angaben, wonach er deswegen aufgefordert worden sei, seine Lehrtätigkeit einzustellen, weil nach der Auffassung der Taliban Mädchen nicht unterrichtet werden und nicht "hinausgehen" dürften, was nahelegt, dass als Hintergrund der Weigerung des Revisionswerbers seine politische Gesinnung stehen könnte oder er den auf religiöser Auslegung gegründeten gesellschaftlichen Forderungen der Taliban nicht beitreten könne). Im Übrigen wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG hinsichtlich der Beurteilung der Asylrelevanz von Zwangsrekrutierungen durch nicht staatliche Akteure - insbesondere im Hinblick auf eine allfällig unterstellte politische Gesinnung - auf die Entscheidungsgründe der hg. Erkenntnisse vom 28. November 2014, Ra 2014/01/0094, und vom 10. Dezember 2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, verwiesen. Dass die dort genannten Kriterien im gegenständlichen Fall bei der rechtlichen Beurteilung vom Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich angesehen worden wären, ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Demgemäß enthält die angefochtene Entscheidung auch keine ausreichenden Feststellungen, die eine solche Beurteilung ermöglicht hätten.

Die angefochtene Entscheidung war daher im - Umfang der Anfechtung, demnach im Ausspruch nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 5 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Jänner 2015

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