VwGH Fr2014/01/0048

VwGHFr2014/01/004818.12.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über den Fristsetzungsantrag des B A in H, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Verwaltungsgericht Wien betreffend Übertretung des Wappengesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

VStG §51 Abs7;
VwGG §38 Abs1;
VwGVG 2014 §34 Abs1;
VwGVG 2014 §38 Abs1;
VwGVG 2014 §41;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwGVG 2014 §51;

 

Spruch:

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 13. Februar 2014 wurde der Antragsteller einer Übertretung nach § 8 Z. 4 Wappengesetz für schuldig erkannt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde langte am 25. Februar 2014 beim Magistrat der Stadt Wien ein (der sie am 6. März 2014 an das Verwaltungsgericht Wien weiterleitete, wo sie am 10. März 2014 einlangte).

Mit am 30. September 2014 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz stellte der Antragsteller einen Fristsetzungsantrag. Begründend führte er aus, dass das Verwaltungsgericht Wien über seine Beschwerde nicht entschieden habe.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 wies das Verwaltungsgericht Wien den Fristsetzungsantrag gemäß § 30a Abs. 1 und 8 iVm § 38 VwGG als unzulässig zurück. Begründend verwies es - unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien zu Art. 130 B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 - darauf, dass die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 34 Abs. 1 VwGVG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung komme. Dem Verwaltungsgericht stehe gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG eine Entscheidungsfrist von 15 Monaten ab Einlangen der Beschwerde zur Verfügung; diese Frist laufe im Hinblick auf die am 25. Februar 2014 eingelangte Beschwerde erst am 25. Mai 2015 ab. Da die Entscheidungsfrist bei Stellung des Fristsetzungsantrags noch nicht abgelaufen sei, erweise sich der Antrag als unzulässig.

2. Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag, aufgrund dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über den Fristsetzungsantrag berufen ist (§ 30b Abs. 1 VwGG).

3. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG ist das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG tritt ein Straferkenntnis außer Kraft, wenn seit dem Einlangen einer dagegen rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten bei der Behörde 15 Monate vergangen sind; das Verfahren ist einzustellen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. werden in die Frist gemäß Abs. 1 die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und 51 VwGVG nicht eingerechnet.

Gemäß § 51 VwGVG werden in die Frist gemäß § 34 Abs. 1 leg. cit. auch nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, bei einem Gericht oder bei einer Verwaltungsbehörde geführt wird.

Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.

4. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zum VwGVG (RV 2009 BlgNR, 24. GP, S. 8) entspricht die "Verjährungsbestimmung" des § 43 VwGVG der Bestimmung des § 51 Abs. 7 VStG (vgl. auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 43 VwGVG, Anm. 2).

Der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 aufgehobene (Art. 7 Z. 43 BGBl. I Nr. 33/2013) § 51 Abs. 7 VStG hatte (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitigen und zulässigen Berufung des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis 15 Monate vergangen, tritt es von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen. ..."

5. Für den Fall eines mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG sohin dieselbe fünfzehnmonatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG normiert war. § 43 VwGVG ist daher dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. August 2014, Zl. Ro 2014/02/0106).

6. Zur Bestimmung des § 51 Abs. 7 VStG hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass damit der (vormaligen) Berufungsbehörde eine 15-monatige Entscheidungsfrist in jenem Fall eingeräumt war, in dem vom Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis Berufung erhoben wurde. Eine Säumnis der Behörde vor Ablauf dieser Frist war diesfalls ausgeschlossen; die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 27 VwGG aF konnte nicht zum Tragen kommen. Eine vor Ablauf der fünfzehnmonatigen Entscheidungsfrist nach § 51 Abs. 7 VStG erhobene Säumnisbeschwerde (gemäß Art. 132 B-VG aF) war daher unzulässig (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 22. März 1996, Zl. 95/17/0450, und vom 29. Mai 2013, Zl. 2013/01/0004).

Diese Rechtsprechung ist - infolge der dargestellten Fortschreibung des Regelungsgehalts des § 51 Abs. 7 VStG für das neue System des Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte erster Instanz - auf die Bestimmung des § 43 VwGVG bzw. auf die Frage der Zulässigkeit eines Fristsetzungsantrags gemäß § 38 Abs. 1 VwGG übertragbar.

7.1. Das Verwaltungsgericht Wien ist demnach zutreffend davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist des § 43 Abs. 1 VwGVG als lex specialis zur Entscheidungsfrist des § 34 Abs. 1 VwGVG (argum:

"Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist ...") anzusehen ist. Wird die Beschwerde vom Beschuldigten erhoben, hat das Verwaltungsgericht daher innerhalb von 15 Monaten zu entscheiden, wobei diese Frist mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Verwaltungsbehörde ausgelöst wird; die sechsmonatige Frist des § 34 VwGVG wird für diesen Fall verdrängt (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K. 4. und 8. zu § 43 VwGVG).

Bei der Regelung der 15-Monate-Frist handelt es sich in diesem Sinne auch um die Festlegung einer längeren - als der im Regelfall vorgesehenen sechsmonatigen - Frist zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 38 Abs. 1 VwGG und § 34 Abs. 1 VwGVG (vgl. Eder/Martschin/Schmid, aaO., K 9. zu § 38 VwGG).

Entgegen der im Vorlageantrag (unter Hinweis auf die Ausführungen bei Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz. 1218) vertretenen Auffassung steht dem auch die Regelung des § 51 VwGVG nicht entgegen; diese Bestimmung ist nämlich nicht als Hinweis auf die Anwendbarkeit der sechsmonatigen Frist des § 34 VwGVG im verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren (auch für den Fall, dass der Beschuldigte Beschwerde erhebt) zu verstehen; sie ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass die dort normierten Fristen den Lauf der - gemäß § 34 Abs. 1 VwGVG zur Anwendung kommenden - 15-Monate-Frist des § 43 VwGVG unterbrechen (vgl. auch dazu Eder/Martschin/Schmid, aaO., K 14 zu § 43 VwGVG).

7.2. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 34 Abs. 1 VwGVG gilt daher im verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren nur in jenen Fällen, in denen nicht vom Beschuldigten Beschwerde erhoben wird, zB. im Falle der Erhebung einer Amtsbeschwerde zu Lasten des Beschuldigten sowie in einem Wiedereinsetzungs- oder Wiederaufnahmeverfahren.

7.3. Eine gegenteilige Sichtweise, wonach auch im Falle der Erhebung einer Beschwerde durch den Beschuldigten die Entscheidungsfrist des § 34 Abs. 1 VwGVG zur Anwendung komme bzw. ein Fristsetzungsantrag nach ungenütztem Ablauf dieser Frist erhoben werden könne, ist auch aus Rechtsschutzerwägungen nicht geboten, zumal der vom Beschuldigten erhobenen Beschwerde ex lege aufschiebende Wirkung zukommt (§ 41 VwGVG) und dem Rechtsschutzbedürfnis durch die Rechtsfolge des Außerkrafttretens des Straferkenntnisses nach Ablauf der 15-Monate-Frist Rechnung getragen wird (vgl. auch die Gesetzesmaterialien zu Art. 130 B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, RV 1618 BlgNR,

24. GP, S. 13, wonach dem "Rechtsschutzbedürfnis bereits durch ein ex-lege-Außerkrafttreten des Strafbescheides Genüge getan ist.").

8. Im vorliegenden Fall ist die vom Antragsteller als Beschuldigten gegen das Straferkenntnis vom 13. Februar 2014 erhobene Beschwerde am 25. Februar 2014 beim Magistrat der Stadt Wien eingelangt. Der am 30. September 2014 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangte Fristsetzungsantrag war daher unzulässig.

9. Der Fristsetzungsantrag war somit gemäß § 38 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 VwGG wegen mangelnder Berechtigung zu seiner Erhebung in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2014

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