VwGH AW 96/06/0034

VwGHAW 96/06/003417.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1.) des P-Verbandes, und 2.) des Dr. B, beide in I, der Erstbeschwerdeführer vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, der gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. März 1996, Zl. I-1307/1996, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Normen

BauO Tir 1989;
VwGG §30 Abs2;
BauO Tir 1989;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 17. Jänner 1996 wurde der Wohnungseigentum - Tiroler gemeinnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H. die Baubewilligung für den Abbruch von Bestandsobjekten und die Errichtung einer aus vier Einzelgebäuden bestehenden Wohnanlage samt Büroeinheiten und Tiefgarage auf dem Grundstück mit der neu zu bildenden Grundstücksnummer .195, KG Innsbruck, bewilligt. Auf Grund von Berufungen mehrerer Nachbarn, darunter auch die Beschwerdeführer, erging der mit der zur Zl. 96/06/0130 protokollierten Beschwerde angefochtene Bescheid. Die belangte Behörde wies mit diesem Bescheid die Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet ab.

Mit der Beschwerde ist der Antrag verbunden, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründet wird der Antrag insbesondere unter Hinweis auf die Gefahr, daß der Grund der Beschwerdeführer (Grundstücksnummer 200/1 und .238/4 mit dem Haus Kirschentalgasse 8) abrutsche und die darauf befindlichen Baulichkeiten einstürzten. Im durchgeführten Bauverfahren sei hervorgekommen und von den Baubehörden erster und zweiter Instanz festgestellt worden, daß aus Sicherheitsgründen zur Vermeidung von Rutsch- und Einsturzgefahr auf dem Grund der Beschwerdeführer eine Bodenvermörtelung mittels Hochdruckinjektionen unter dem Haus Kirschentalgasse 8 bzw. vernagelte Spritzbetonsicherungen errichtet werden müßten. Ohne diese baulichen Anlagen, zu deren Errichtung die Zustimmung der einzelnen Nachbarn erforderlich sei, bestehe die Gefahr, daß der Grund abrutsche.

Die belangte Behörde hat zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mitgeteilt, daß zwingende öffentliche Interessen für einen Aufschub des Vollzuges der erteilten Baubewilligung nicht vorliegen. Ihrer Ansicht nach sei nach Abwägung der berührten Interessen durch den Vollzug der erteilten Bauberechtigung für die Beschwerdeführer kein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben, da die Wohnungseigentum - Tiroler gemeinnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H.

zwischenzeitlich jenen Teil der bekämpften Baubewilligung, mit welchem die Unterfangung des Grundstückes der Beschwerdeführer genehmigt worden sei, "zurückgezogen" habe und nunmehr die Absicht bestehe, das Bauvorhaben entsprechend dem diesbezüglichen Änderungsbescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 30. Mai 1996 auszuführen. Auch die mitbeteiligte Wohnungseigentum - Tiroler gemeinnützige Wohnbaugesellschaft m.b.H. hat in einer Stellungnahme auf diesen Umstand hingewiesen und die Auffassung vertreten, daß damit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jede Grundlage entzogen sei.

In einer Äußerung zu diesen Stellungnahmen weisen die Beschwerdeführer ergänzend darauf hin, daß das Bezirksgericht Innsbruck aufgrund eines vorgenommenen Augenscheines eine einstweilige Verfügung erlassen habe, derzufolge die beklagte Partei (die mitbeteiligte Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bauverbotsverfahrens schuldig erkannt werde, sich ab sofort jedweder Bautätigkeit auf der neu zu bildenden Grundstücksnummer .195 KG Innsbruck in einem Grundstücksstreifen mit einer Breite von 1,5 m entlang der nordöstlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes mit dem Haus Kirschentalgasse 8 (GSt Nr. 200/1 und .238/4) zu enthalten. Der Beschluß mit der Geschäftszahl 26 C 1520/96-y-6 ist der Stellungnahme angeschlossen.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. In ständiger Rechtsprechung wird der Beschwerde eines Nachbarn gegen die Erteilung einer Baubewilligung die aufschiebende Wirkung dann nicht zuerkannt, wenn mit der Ausübung der Baubewilligung lediglich die allgemeinen Unannehmlichkeiten, die sich aus der Bauführung für den Nachbarn ergeben, verbunden sind (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 20. März 1990, Zl. AW 89/06/0059, vom 1. Juni 1990, Zl. AW 90/06/0022, vom 25. März 1991, Zl. AW 90/06/0067, und vom 25. März 1991, Zl. AW 91/06/0013, 0014).

Hingegen kann ein dem Nachbarn für den Fall der Bauführung drohender Vermögensschaden (oder - umso mehr - ein Personenschaden) einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darstellen.

Einen solchen Nachteil behaupten die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall.

Die Beschwerdeführer weisen in der erwähnten Äußerung zur Stellungnahme der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei zur Frage der aufschiebenden Wirkung darauf hin, daß ihnen die in diesen Stellungnahmen angeführte Planänderung nicht bekannt sei. Es sei daher die Zustellung des von der belangten Behörde erwähnten Bescheides beantragt worden. Die Sicherung des Grundes der Beschwerdeführer und des darauf errichteten Wohnhauses Kirschentalgasse 8 gegen Einsturz infolge des Abgrabens unmittelbar an der Grundgrenze berühre die nachbarlichen Interessen der Beschwerdeführer und zwar auch dann, wenn es entgegen den Ergebnissen des Bauverfahrens und des eingeholten Gutachtens nicht mehr notwendig sein sollte, den Grund der Beschwerdeführer in Anspruch zu nehmen.

Der von der belangten Behörde vorgelegte Bescheid vom 30. Mai 1996 nimmt in der Baubeschreibung Bezug auf die Baubewilligung vom 17. Jänner 1996, welche mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, und erteilt die Bewilligung für eine Planänderung betreffend das vorliegende Bauvorhaben. Entsprechend der einleitenden Baubeschreibung dieser Bewilligung soll die Unterkellerung des zur Grundgrenze der Beschwerdeführer zu gelegenen Objektes nicht bis an die Grundgrenze zur Parzelle Nr. 200/1 bzw. .238/1 (gemeint offenbar: .238/4), KG Hötting, erfolgen, sondern die westliche Außenmauer des zweiten Untergeschoßes einen Grenzabstand "zum Bestandsobjekt Kirschentalgasse 8 von 2,39 m im Nordwesteck bzw. 3,78 m im Südwesteck" einhalten. In der Mitte sei der Abstand maximal 4,37 m breit. Die technische Ausführung der Baugrubensicherung erfolge auf Grund der Beschreibung im ergänzenden Gutachten von Dipl. Ing. Tropper vom 9. Mai 1996.

Mit dem Spruch dieses Bescheides wird einerseits unter Bezugnahme auf "einen Bestandteil dieses Bescheides bildende Pläne" (die nicht näher zitiert werden) die beantragte Bewilligung zur Planänderung erteilt und unter den Auflagen unter anderem ausgesprochen:

"3. Die Baugrubensicherung im Bereich zum Anwesen Kirschentalgasse 8 hat sinngemäß den Vorschlägen der Ergänzung zum geotechnischen Bericht vom 9.5.1996 des Dr. Tropper zu erfolgen.

4. Neben der vorgesehenen vermessungstechnischen Überwachung des Nachbarhauses ist zudem auch die neue Stützwandkonstruktion in diese Überwachung miteinzubeziehen. Dazu sind mindestens alle drei Meter Meßbolzen in den Horizontalteil der Stützkonstruktion zu verlegen. Die Kontrollmessungen sind bis zur Fertigstellung der Baugrubensicherung in neuen Intervallen vorzunehmen, welche für die Herstellung der Stützwandabschnitte benötigt werden."

In der Begründung des Bescheides wird nur knapp auf das Ergebnis des Augenscheines und die Gutachten der Sachverständigen verwiesen.

Nach dem Vorbringen der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei soll die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte Gefahrensituation insofern nicht mehr bestehen, als die Ausführung des Bauvorhabens nunmehr in geänderter Form (entsprechend der Änderungsbewilligung) geplant sei. Dazu ist aber darauf hinzuweisen, daß auch nach dem Änderungsbewilligungsbescheid Maßnahmen zur Baugrubensicherung im Interesse (auch) der Beschwerdeführer vorgeschrieben wurden, wobei jedoch die bescheidmäßige Vorschreibung einer Baugrubensicherung "sinngemäß" entsprechend einem Gutachten nicht präzise genug ist, daß eine Einhaltung der Auflage überprüft werden könnte.

Im Hinblick auf diesen Verfahrensstand muß die Abwägung im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zugunsten der Beschwerdeführer ausfallen (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt einer nicht vollständigen Übernahme der vom Sachverständigen vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen den hg. Beschluß vom 2. März 1994, AW 94/06/0004). Es kann daher vorerst dahingestellt bleiben - was allenfalls anläßlich der Entscheidung in der Sache durch den zuständigen Senat zu beurteilen sein wird -, ob die Bewilligung der Planänderung vom 30. Mai 1996 in Verbindung mit dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Schreiben vom 17. Juni 1996 an den Stadtmagistrat Innsbruck, in dem die mitbeteiligte Partei mitteilt, "jenen Teil der mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 17.1.1996, Zl. VI-3923-III/RR/95 erteilten Bewilligung zurück"zunehmen, "worin die Inanspruchnahme von Fremdgrund im Bereich Kirschentalgasse 8 (GSt 200/1 und GSt .238, beide GB Innsbruck) erforderlich ist und" zugleich "diesen Bereich durch die Bewilligung vom 30.5.1996" zu "ersetzen", tatsächlich eine Rechtslage geschaffen hat, derzufolge die ursprünglich erteilte Bewilligung nicht mehr ausgeübt werden könnte (bzw. inwieweit die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Bewilligung als modifiziert anzusehen ist). Selbst wenn dies der Fall wäre, ist aufgrund der auch im Zusammenhang mit der Bewilligung vom 30. Mai 1996 erforderlichen Sicherungsmaßnahmen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Auch die Bedachtnahme auf den von den Beschwerdeführern vorgelegten Beschluß des Bezirksgerichts Innsbruck vom 23. August 1996 führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da nach den Annahmen der belangten Behörde auch bei Umsetzung der geänderten Baubewilligung Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind und daher auch Baumaßnahmen außerhalb der vom Gerichtsbeschluß erfaßten Zone (1,5 m von der Grundstücksgrenze) die Gefährdung des Bauwerks auf dem Grundstück der Beschwerdeführer herbeiführen können.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß gemäß § 30 Abs. 2 vorletzter Satz VwGG über den Antrag auf aufschiebende Wirkung auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden ist, wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte