Normen
BauO Tir 1989;
B-VG Art119a Abs4;
VwGG §30 Abs2;
BauO Tir 1989;
B-VG Art119a Abs4;
VwGG §30 Abs2;
Spruch:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Februar 1991 wurde dem Erstmitbeteiligten die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung eines Dreifamilienwohnhauses mit Unterflurgaragen auf einer näher bezeichneten Grundparzelle im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, welche mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. September 1991 als unbegründet abgewiesen wurde. Nach Behebung dieses Bescheides durch den Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 1992 wurde von der Berufungsbehörde ein Sachverständigengutachten vom 16. März 1992 zur Frage der Standsicherheit des Hanges im Bereich der Bauparzelle in Verbindung mit der geplanten Baumaßnahme eingeholt. Darin heißt es unter anderem zu den "Sicherheiten während des Bauzustandes", daß sich nach Aushub der Baugrube im ungünstigten Geländeabschnitt eine theoretische Standsicherheit von 1,0 ergäbe. Diese zu geringe Standsicherheit sollte bei der Durchführung der Aushubarbeiten insofern erhöht werden, als der talseitige Kelleraushub dem bergseitigen vorzuziehen sei. Darüber hinaus sei der talseitige Kellerbereich mit einer entsprechenden Einbindung der Bodenplatte herzustellen, damit die in weiterer Folge herzustellende bergseitige Baugrubenböschung auf den Keller abgestützt werden könne. Zu den "Sicherheiten nach Errichtung des Wohnhauses" führt dieses Gutachten aus, daß eine Einbindung der Fundamentplatte durch zwei 0,9 m tiefe Riegel erforderlich sei, um die Standsicherheit des Hauses auf die normgerechte Größe von 1,3 zu bringen, wenn die ungünstige geotechnische Annahme zuträfe, daß das Lockergestein bis zur Gründungssohle reicht. In der Schlußbemerkung zu diesem Gutachten heißt es, daß die darin gemachten Aussagen sich zunächst auf Schätzungen stützen würden. Deshalb seien während der Aushubarbeiten die angetroffenen Bodenschichten mit den vorgenommenen Schätzungen aus Sicherheitsgründen zu überprüfen, damit gegebenenfalls eine entsprechende Anpassung der "Gründung und Entwässerung an die tatsächlichen Gegebenheiten" rechtzeitig erfolgen könne. Weiters werde angenommen, daß das Hanggrundstück nicht zusätzlich durch Aushubmaterial belastet werde.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. Dezember 1992 führte der Sachverständige - in Erwiderung auf ein Schreiben des Beschwerdevertreters - u.a. aus, daß "das Projekt ZT XY", welches bei ihm am 7. Dezember 1992 eingegangen sei, an der Westgrenze des Grundstückes des Erstmitbeteiligten den Neubau einer "kräftigen Winkelstützmauer" vorsehe, welche mit den im Gutachten vom 16. März 1992 genannten Bodenkenndaten bemessen werden solle. Nach Information des genannten Ziviltechniker-Büros sei vorgesehen, diese Stützmauer vor Beginn des Hausbaues zu errichten und im Anschluß daran mit dem Aushubboden zu verfüllen. Diese Vorgangsweise sei "aus geotechnischer Sicht in Ordnung, weil sie keinerlei Probleme für das Nachbargrundstück" des Erstbeschwerdeführers erkennen lasse. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Mai 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführer neuerlich als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Februar 1991 bestätigt. In der Bescheidbegründung heißt es u. a., daß die vom Sachverständigen genannte Winkelstützmauer nicht Gegenstand des Verfahrens sei und in einem eigenen Bauverfahren abgehandelt werde.
Die belangte Behörde hat mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen diesen Berufungsbescheid als unbegründet abgewiesen. Die vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Maßnahmen während des Baues zur Erhöhung der Standsicherheit seien mit der Auflage "die Bauarbeiten sind entsprechend den genehmigten Plänen SACH- UND FACHGEMÄß vor dem hiezu befugten
Unternehmer ... auszuführen" gewährleistet. Nur eine
Arbeitsweise, wie sie der Sachverständige in seinem Gutachten darlege, sei "sach- und fachgemäß". Dieser Begriff sei hinreichend konkret, einem befugten Unternehmer die während des Baues zu treffenden Maßnahmen vorzugeben. Auch die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß die Errichtung der Stützmauer nicht im Vorstellungsverfahren behandelt werden könne.
Die Beschwerdeführer beantragen, ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und begründen dies wie folgt:
"Durch das sehr umfangreiche Bauprojekt unseres Nachbarn im Zusammenhang mit der Bodenbeschaffenheit und der unbestrittenermaßen notwendigen Absicherung des Geländes im Zuge der Bauführung liegt auf der Hand, daß im Falle eines Abrutschens wir großen Schaden erleiden, allenfalls nicht nur Vermögensschaden, sondern könnte vielleicht sogar auch ein Unfall mit Personenschaden entstehen. Es steht auch fest, daß ein Teil dieser Sicherungsmaßnahmen die noch in Verhandlung befindliche Winkelstützmauer ist. Sollte daher die gegenständliche Baugenehmigung für die Errichtung des Dreifamilienwohnhauses samt Unterflurgaragen erteilt werden, bevor überhaupt die Winkelstützmauer errichtet werden darf, kann der Bauwerber mit dem Bau ohne Rücksicht auf die Mauer beginnen und diesen auch fertigstellen. Dem zu befürchtenden unwiderbringlichen Schaden stehen keinerlei zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgefordert, zum Antrag der Beschwerdeführer Stellung zu nehmen, die mitbeteiligte Gemeinde überdies, die - eingangs zitierten - Sachverständigengutachten und den Berufungsbescheid vom 10. Mai 1993 dem Verwaltungsgerichtshof mit der Stellungnahme zum Antrag auf aufschiebende Wirkung vorzulegen.
Die zweitmitbeteiligte Gemeinde ist der Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorlage der genannten Unterlagen nachgekommen und führt in ihrer Stellungnahme aus, daß gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seitens der Gemeinde kein Einwand erhoben werde, da der Tatbestand Gefahr im Verzug nicht gegeben sei und auch keine zwingenden öffentlichen Interessen vorlägen.
Zwingende öffentliche Interessen stehen auch nach der im Schriftsatz der belangten Behörde vom 17. Februar 1994 zum Ausdruck kommenden Auffassung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Ob und welche Nachteile durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für die erstmitbeteiligte Partei entstehen könnten, könne die belangte Behörde nicht beurteilen. Der im Falle des Abrutschens des Geländes nicht auszuschließende Vermögens- und Personenschadends stelle nach Ansicht der belangten Behörde einen unverhältnismäßigen Nachteil für den Beschwerdeführer dar.
Der Erstmitbeteiligte wirft dem Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vor, die Beschwerde mutwillig und zum Zwecke der Verschleppung bzw. schikanös zu erheben und legt dar, daß die Innehaltung mit der bereits begonnenen Bauführung dem Erstmitbeteiligten unwiderbringlichen Schaden zufügen würde. Die mitbeteiligte Partei habe bereits im Jahr 1989 das Baubewilligungsgesuch eingebracht. Erwerb, Baureifmachung und Bebauung des Grundstückes seien von Anfang an unter der Voraussetzung der Errichtung von drei Wohnungen und des Verkaufes zweier Einheiten hievon zur Projektfinanzierung erfolgt. Die Kosten- und Zinsenlast sei für die mitbeteiligte Partei bereits drückend und nahezu unerträglich geworden. Die mitbeteiligte Partei habe bisher keine Kosten und Mühen gescheut, allen behördlichen Auflagen zu entsprechen, mehr als die notwendigen Gutachten und Befundungen einzuholen und sogar noch ein Zufahrtsprojekt ohne jede Kostenbeteiligung des dadurch begünstigten Erstbeschwerdeführers anzubieten. Eine Verzögerung in der Bauausführung würde die mitbeteiligte Partei zwingen, das Projekt abzubrechen, das Grundstück samt den mittlerweile errichteten Bauwerksteilen den kreditierenden Banken zu überlassen bzw. der Zwangsversteigerung preiszugeben. Aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage sei für den Fall der Zwangsversteigerung ein nicht einmal annähernd deckender Verwertungerlös zu erwarten. Die mitbeteiligte Partei bliebe im Endeffekt nach Verlust des Grundstückes und der bisher errichteten Bauwerksteile mit einer erheblichen Kreditschuld belastet, die sie nie mehr durch eine Projektverwirklichung wie die gegenständlich begonnene, erwirtschaften könne. Ein näher bezeichnetes Bauunternehmen habe bereits die Zufahrt errichtet, die Baustelle eingerichtet und die Bauerrichtung für das kurz bevorstehende Frühjahr geplant und vorbereitet. Dazu werde auf vorgelegte Urkunden verwiesen. Der Gefahrengrund sei vom Beschwerdeführer selbst dadurch geschaffen worden, daß er eine auf seinem Grundstück errichtete Krainerwand entfernt habe.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Beschwerde gegen einen abweisenden aufsichtsbehördlichen Bescheid nach Art. 119a Abs. 4 B-VG in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die aufschiebende Wirkung dann zuerkannt werden, wenn der Bescheid der obersten Gemeindeinstanz im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG vollziehbar ist oder gleichfalls im Sinne dieser Gesetzesstelle einem Dritten eine von diesem ausübbare Berechtigung einräumt (vgl. die hg. Beschlüsse vom 22. Februar 1977, Zl. 1812/76, sowie - betreffend einen Abgabenbescheid - vom 27. Mai 1983, Slg. Nr. 5791/F).
Ungeachtet dessen, daß sich somit der angefochtene Bescheid als prinzipiell vollzugstauglich im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG erweist, kommt im allgemeinen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Nachbarbeschwerde nicht in Betracht, weil in der Regel für den Nachbarn mit der Bauführung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens kein derart unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist, daß die erforderliche Interessenabwägung zugunsten des Nachbarn spräche und zu einer Stattgebung des Aufschiebungsantrages führen müßte. Es hätte nämlich der Bauwerber im Falle des Obsiegens des Nachbarn wegen der dann gegebenen Konsenslosigkeit des zwischenzeitlich allenfalls bereits ausgeführten Bauvorhabens die rechtlichen Folgen eines solchen Fehlens der Baubewilligung zu tragen (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 20. März 1990, AW 89/06/0059, vom 1. Juni 1990, Zl. AW 90/06/0022, vom 25. März 1991, Zl. AW 90/06/0067, und vom 25. März 1991, Zl. AW 91/06/0013, 0014 u.v.a.).
Hingegen kann ein dem Nachbarn für den Fall der Bauführung drohender Vermögensschaden (oder - umsomehr - ein Personenschaden) einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darstellen.
Einen solchen Nachteil behauptet der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall und bescheinigt ihn auch, und zwar durch die Begründung des vorgelegten angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 6. Dezember 1993. Wie aus dieser Begründung - welche durch die vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Sachverständigengutachten und dem Berufungsbescheid vom 10. Mai 1993 bestätigt wird - hervorgeht, solle die zu geringe Standsicherheit während des Bauzustandes durch eine bestimmte Vorgangsweise während der Bauarbeiten (talseitiger Kelleraushub vor dem bergseitigen, Herstellung des talseitigen Kellerbereiches mit einer entsprechenden Einbindung der Bodenplatte) erhöht werden. Ferner sei eine Einbindung der Fundamentplatte durch zwei 0,9 m tiefe Riegel erforderlich, um die Standsicherheit des Wohnhauses auf die normgemäße Größe von 1,3 zu bringen.
Demgegenüber hat die Berufungsbehörde auf diese Ausführungen des Sachverständigen insoweit nicht reagiert, als sie die Vorschreibung diesbezüglicher Auflagen unterlassen hat. Ungeachtet der Frage, ob sie dadurch die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt hat (und der angefochtene Bescheid, der diese Rechtsverletzung nicht aufgegriffen hat, aus diesem Grund rechtswidrig sein könnte) - eine Frage, die vom erkennenden Senat zu beantworten sein wird - geht der Verwaltungsgerichtshof vorläufig davon aus, daß den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen mit der (unbestimmten) Auflage, die Bauarbeiten seien "sach- und fachgemäß" auszuführen, nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Eine den Ausführungen des Sachverständigen nicht Rechnung tragende Bauführung, welche die geschilderten Gefahren für das Nachbargrundstück mit sich bringen würde, wäre nämlich offenbar nicht konsenslos und könnte daher nicht im Sinne des § 40 Abs. 3 TBO eingestellt werden, sodaß - unter der Annahme des Sachverständigen, daß ohne Beobachtung der von ihm genannten Sicherheitsmaßnahmen eine Gefährdung für das Nachbargrundstück gegeben wäre - ein für die Beschwerdeführer unverhältnismäßiger Nachteil durch die Gebrauchnahme der erteilten Baubewilligung durch die erstmitbeteiligte Partei als bescheinigt angesehen werden muß.
Eine Abwägung der auf diese Weise beeinträchtigten Interessen der Beschwerdeführer mit jenen Umständen, welche die erstmitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme ins Treffen führt, schlägt zugunsten der Beschwerdeführer aus. Es ist nämlich der belangten Behörde recht zu geben, daß die bescheinigte Gefahr nicht nur Vermögens- sondern auch Personenschäden nach sich ziehen könnte, denen gegenüber die wirtschaftlichen Interessen des Erstmitbeteiligten nicht durchzudringen vermögen. Der Verwaltungsgerichtshof kann offenlassen, ob die im Stadium des Bewilligungsverfahrens befindliche Winkelstützmauer nach ihrer Errichtung solche Gefahren nicht mehr besorgen läßt, zumal es der erstmitbeteiligten Partei freisteht, eine solche Änderung des Sachverhaltes (bzw. den dadurch gegebenen Wegfall der bescheinigten Gefahr) beim Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen. Gemäß § 30 Abs. 2 vorletzter Satz VwGG ist nämlich über den Antrag auf aufschiebende Wirkung auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden, wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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