Normen
StarkstromwegeG OÖ 1970 §6;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §7;
VwGG §30 Abs2;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §6;
StarkstromwegeG OÖ 1970 §7;
VwGG §30 Abs2;
Spruch:
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Oktober 2012 wurde unter Spruchpunkt I. der mitbeteiligten Partei (im Folgenden: MP) gemäß den §§ 6 und 7 des Oö. Starkstromwegegesetzes 1970 - Oö. StWG die Bau- und Betriebsbewilligung für den Neubau der "110 kV-Freileitung Vorchdorf - Steinfelden - Kirchdorf" bis zum Umspannwerk Kirchdorf in einer Länge von 23,482 km, den Neubau des "110/30 kV-Umspannwerks Steinfelden" auf einem näher bezeichneten Grundstück und die Erweiterung des "110/30 kV-Umspannwerks Kirchdorf" erteilt. Unter Spruchpunkt II. wurde gemäß § 7 Abs. 1 Oö. StWG festgestellt, dass die angeführten elektrischen Leitungsanlagen dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie entsprächen.
Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 2013, B 1492/2012, wurde die Behandlung der von den Antragstellern an ihn erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Ihren in der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Beschwerdeergänzung gestellten Antrag, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, begründen die Antragsteller (beschwerdeführenden Parteien) im Wesentlichen damit, dass mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides für sie ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Durch die bewilligten Trassenvorbereitungs- und Bauarbeiten würden alle von ihnen dargestellten Schäden sofort, vollständig und unwiederbringlich eintreten, was namentlich für irreversible Eingriffe in das Natur- und Landschaftsbild sowie die großflächige Vernichtung von bis zu 100-jährigem Hochwaldbestand im Bereich der 40 m breiten Trasse, verbunden mit jahrzehntelangen Nebenwirkungen in sensiblen benachbarten Waldbeständen, gelte. Dadurch würden vollendete Tatsachen geschaffen werden, die auch im Fall eines Beschwerdeerfolges nicht mehr bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand bzw. erst nach Generationen allmählich korrigiert werden könnten. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen und auch keine Interessen der MP entgegen, sei doch ein zusätzlicher Energiebedarf im ungünstigsten Fall frühestens in der Zeit 2017 bis 2020 gegeben. Ein Aufschub des Vollzuges zumindest bis 2017 bis 2020 hätte vorerst keinerlei reale Auswirkungen auf das öffentliche Energieversorgungsinteresse, und es bestehe bis dahin kein aktueller, durch das bewilligte Projekt zu erfüllender Energiebedarf. Ergänzend werde auf das Urteil des EuGH vom 21. März 2013, C-244/12 , und damit im Zusammenhang darauf hingewiesen, dass, obwohl die Errichtung der gegenständlichen 110- kV-Freileitung gemäß dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 nicht UVPpflichtig sei, wegen des unzweifelhaft hervorgekommenen erheblichen Eingriffs in die Umwelt eine UVP-Pflicht bestehe. Der EuGH habe es nämlich als unzulässig erachtet, "dass in der Praxis eine ganze Klasse von Projekten von vornherein von der Pflicht zur Untersuchung ihrer Auswirkungen ausgenommen wäre". Ein hierauf gestützter UVP-Feststellungsantrag einer beteiligten Behörde werde wegen der erst seit kurzem bekannt gewordenen neuen Rechtslage gegenwärtig noch vorbereitet. Die Interessen der beschwerdeführenden Partei, in die durch Errichtung des gegenständlichen Projekts eingegriffen werde, würden durch einen negativen UVP-Bescheid in gleicher Weise geschützt wie im energierechtlichen Verfahren. Insbesondere für eine Reihe von Beschwerdeführern als Waldeigentümer ergäben sich auch Folgeschäden bis weit in die Bestände hinein bzw. bis zur Zerstörung ganzer Bestände, wodurch die von ihnen entwickelten langfristigen Waldbewirtschaftungspläne auf Jahrzehnte irreversibel zunichte gemacht würden. Für einen weiteren Beschwerdeführer würde die Errichtung der Freileitung in unmittelbarer Nähe des im Aufbau befindlichen Reitbetriebes den Aufbau eines Kundenkreises derart erschweren, dass ein Verlust der für die bereits getätigten Investitionen aufgewendeten Mittel zu erwarten wäre. Für zwei andere Beschwerdeführer sei der existenznotwendige Mostheurigenbetrieb vom bisher ungestörten Landschaftsbild abhängig und dessen Weiterführung unmöglich. Auch für die landwirtschaftliche Betriebssicherung von drei weiteren Beschwerdeführern und deren Direktvermarktungsschiene würde der für die Kundschaft prägende Eindruck der landschaftlichen Intaktheit des Umfeldes durch die unübersehbar in unmittelbarer Hofnähe verlaufende Freileitung beeinträchtigt werden. Wenn die MP mit der Notwendigkeit einer unverzüglichen Steigerung der Netzzuverlässigkeit und Versorgungssicherheit, also einem zwingenden öffentlichen Interesse, argumentiert habe, so übergehe sie, dass die dargestellten Situationen nur unter der Annahme des (äußerst seltenen) gleichzeitigen Ausfalls beider Leitungssysteme der angeführten bestehenden Leitung einträten. Die Absicherung für ein solches Schadensereignis möge vorteilhaft sein, werde jedoch durch die geltenden elektrotechnischen Vorschriften keinesfalls verlangt.
Die belangte Behörde brachte in ihrer Stellungnahme vom 10. Juli 2013 u.a. vor, dass einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden, weil die beabsichtigte Errichtung einer zweiseitigen Anspeisung bereits jetzt erforderlich sei, um die Versorgung zahlreicher Haushalte und Betriebe mit elektrischer Energie auch im Falle einer Leitungsunterbrechung gewährleisten zu können, und durch die Realisierung des Vorhabens das vom Stand der Technik zur Gewährleistung eines störungsfreien Betriebes des Netzes geforderte (n-1)-Kriterium erfüllt werde. Abgesehen davon hätten die beschwerdeführenden Parteien keinen unverhältnismäßigen Nachteil in ausreichend konkreter Weise dargestellt, und im Fall einer allfälligen Aufhebung des angefochtenen Bescheides kämen entsprechende Rückabwicklungs- und Rekultivierungsmaßnahmen in Betracht. Die belangte Behörde stelle daher den Antrag, dem Aufschiebungsantrag nicht stattzugeben.
Auch die MP hat in ihrer Stellungnahme vom 15. Juli 2012 die Abweisung des Aufschiebungsantrages beantragt.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. dazu den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg. Nr. 10.381/A).
Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. zum Ganzen etwa den Beschluss vom 21. März 2013, Zl. AW 2013/05/0011, mwN).
Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, nicht als unschlüssig zu erkennenden, auf gutachterliche Stellungnahmen beigezogener Amtssachverständiger gestützten Sachverhaltsannahmen werden die Umspannwerke von vier näher angeführten Gemeinden derzeit jeweils nur aus einer Richtung mit elektrischer Energie versorgt, weshalb die MP die Errichtung eines "110 kV-Ringschlusses" zwischen zwei Umspannwerken samt einem weiteren Umspannwerk zwecks Erhöhung der Netzzuverlässigkeit und Versorgungssicherheit durch eine zweiseitige Anspeisung beabsichtigt. Durch die Realisierung des Vorhabens würden das vom Stand der Technik geforderte "(n-1)-Kriterium" und die "(n-1)- Sicherheit" erfüllt werden, welche Anforderungen in Hoch- und Höchstspannungsnetzen dann erfüllt seien, wenn nach Ausfall eines Betriebsmittels keine daraus resultierende Versorgungsunterbrechung, keine thermische Überlastung von Betriebsmitteln, keine Verletzung von Spannungstoleranzen und keine Verletzung von Grenzen der Kurzschlussleitung und dergleichen einträten. Die Errichtung des geplanten 110 kV-Umspannwerkes sei laut den Amtssachverständigen deshalb erforderlich, weil fünf näher bezeichnete Gemeinden derzeit aus drei relativ weit entfernten Umspannwerken (mit Abzweiglängen von bis zu 75 km) über ein 30-kV-Netz versorgt würden. Die energiewirtschaftliche und technische Notwendigkeit des Leitungsprojektes stehe für die Behörde außer Zweifel, weil eine ausreichende und sichere Versorgung mit elektrischer Energie in den beschriebenen Gebieten mit den vorhandenen technischen Einrichtungen nicht mehr gewährleistet sei, weshalb das Leitungsprojekt dem öffentlichen Interesse entspreche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27. Juli 2007, Zlen. AW 2007/05/0029, 0033, 0034, die Gefährdung der Versorgungssicherheit als besonders qualifiziertes, somit zwingendes öffentliches Interesse anerkannt. Auf dem Boden der von der belangten Behörde getroffenen, nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverhaltsannahmen ist es den beschwerdeführenden Parteien mit ihrem Vorbringen zum Aufschiebungsantrag nicht gelungen, einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG darzulegen, erscheint doch das hier jedenfalls beträchtliche öffentliche Interesse an der Sicherung der Versorgung weiter Bevölkerungsteile mit elektrischer Energie nachvollziehbar und plausibel. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Falle des Obsiegens einer beschwerdeführenden Partei die MP die Folgen einer dann allenfalls gegebenen Konsenslosigkeit des zwischenzeitig ausgeführten Vorhabens zu tragen haben wird.
Wenn die beschwerdeführenden Parteien unter Hinweis auf das oben genannte Urteil des EuGH vorbringen, dass ein UVP-Feststellungsantrag vorbereitet werde und sie durch einen negativen UVP-Bescheid wie im energierechtlichen Verfahren geschützt wären, so führt dies zu keiner anderen Beurteilung des Aufschiebungsantrages. Abgesehen davon, dass eine UVP-Pflicht in Bezug auf das gegenständliche Vorhaben nicht feststeht und, wie bereits erwähnt, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang eines Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben haben, wäre auch bei einer Beurteilung, ob der Eingriff in durch das UVP-G 2000 geschützte Interessen einen "unverhältnismäßigen Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darstellte, auf dem Boden der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde nicht erkennbar, dass ein Vollzug des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführenden Parteien mit einem unverhältnismäßigen Nachteil im genannten Sinn verbunden wäre.
Schon mangels Darlegung eines derartigen unverhältnismäßigen Nachteiles war somit dem Aufschiebungsantrag nicht stattzugeben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 12. August 2013
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