VwGH 99/21/0012

VwGH99/21/001223.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, in der Beschwerdesache des S, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Feststellungsverfahren nach § 75 Abs. 1 FrG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67c;
AVG §71;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
VwGG §36 Abs2;
VwRallg;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67c;
AVG §71;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs3;
VwGG §36 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, gelangte am 24. Februar 1993 nach Österreich und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag, der mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. Juli 1998 gemäß § 7 AsylG 1997 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer war mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. August 1994 (zusammen mit drei weiteren Mittätern) wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, 2 und 3 Z 3 Suchtgiftgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. In der Folge wurde gegen ihn mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. März 1995 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Mai 1996 wurde in Erledigung des (mit Schreiben vom 23. März 1995 näher begründeten) Antrages des Beschwerdeführers vom 20. Februar 1995 gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes BGBl. Nr. 838/1992 (kurz: FrG 1993) festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei im Iran gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG 1993 bedroht. Auf Grund der dagegen eingebrachten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 96/21/0496, hinsichtlich des auf § 37 Abs. 1 FrG 1993 bezogenen Ausspruches wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Im Übrigen - somit in Ansehung der im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG 1993 getroffenen Feststellung - wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dem aufhebenden Teil lag die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde, die Berufungsbehörde hätte zum Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm drohe bei einer Abschiebung in den Iran eine neuerliche Verurteilung wegen des in Österreich begangenen Drogendeliktes, wofür "im Iran von Gesetzes wegen die Todesstrafe als mögliche Bestrafung vorgesehen" sei und "für Suchtgiftdelikte auch tatsächlich praktiziert" werde, nähere Feststellungen zu treffen gehabt. Im Einzelnen kann dazu und zum bisherigen Verwaltungsgeschehen auf die Ausführungen in dem genannten Erkenntnis verwiesen werden.

Da die Berufungsbehörde mit der Erlassung des Ersatzbescheides säumig wurde, stellte der Beschwerdeführer am 7. Juli 1998 einen Devolutionsantrag an den Bundesminister für Inneres. Im Hinblick auf die Untätigkeit des Bundesministers für Inneres erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Säumnisbeschwerde, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Voranzustellen ist, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der vorliegenden Entscheidung davon ausgeht, dass sich der Beschwerdeführer nicht (mehr) in Österreich aufhält. Diese Feststellung gründet sich auf negative Auskünfte aus dem zentralen Melderegister in Verbindung mit einem polizeilichen Erhebungsbericht vom 29. Juni 2004, wonach der Beschwerdeführer an der von seinem Rechtsvertreter angegebenen Adresse nie wohnhaft gewesen sei. Diesen Ermittlungsergebnissen und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer halte sich nicht (mehr) in Österreich auf, ist der Vertreter des Beschwerdeführers nicht entgegen getreten.

Nach Abs. 1 des am 1. Jänner 1998 (an Stelle des weitgehend inhaltsgleichen § 54 FrG 1993) in Kraft getretenen und vorliegend anzuwendenden § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist. Gemäß § 75 Abs. 4 zweiter Satz FrG ist das Feststellungsverfahren nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat als gegenstandslos einzustellen.

Das Feststellungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann einzustellen, wenn der Fremde während des Verfahrens - ungeachtet gegenteiliger gesetzlicher Anordnung - in den von seinem Antrag erfassten Staat abgeschoben worden ist. Er ist insoweit, was die Effektuierung des begehrten Abschiebungsschutzes für den Fall seiner nochmaligen Einreise nach Österreich anlangt, nicht anders gestellt als ein gesetzeskonform in ein "Drittland" abgeschobener Fremder. Die Verfahrenseinstellung nach der genannten Bestimmung kann - lediglich in einem Aktenvermerk dokumentiert - formlos erfolgen. (Siehe zur vergleichbaren Bestimmung des § 30 Abs. 1 AsylG 1997 die Ausführungen in der RV, 686 BlgNR 20. GP, 28, wo ausdrücklich davon die Rede ist, dass die Einstellung formlos zu erfolgen habe.) Das bedeutet, dass nach durchgeführter Abschiebung des Fremden die Behörde im Verfahren nach § 75 FrG mangels weiterbestehender Verpflichtung zur Erlassung eines Bescheides nicht mehr säumig werden kann. Damit ist es dem betreffenden Fremden aber auch unmöglich, mit Erfolg eine Entscheidungspflicht dieser Behörde geltend zu machen. Die zum Ganzen gemachten Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 97/21/0611, zu § 54 Abs. 4 FrG 1993 treffen auch für den inhaltsgleichen § 75 Abs. 4 FrG zu.

Die vorstehenden Überlegungen gelten aber nicht nur für abgeschobene Fremde. Auch Fremde, die freiwillig aus Österreich ausgereist sind, wären, was die Effektuierung des begehrten Abschiebungsschutzes bei einer allfälligen Wiedereinreise nach Österreich anlangt, nicht anders gestellt. Auch sie könnten entweder die Fortsetzung des formlos eingestellten Feststellungsverfahrens begehren oder einen (u.U. auch amtswegig zuzuerkennenden) Abschiebungsaufschub beantragen. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Interesse des Fremden an einer Feststellung im Sinne des § 75 Abs. 1 FrG auch dann nicht mehr besteht, wenn er sich (nach freiwilliger Ausreise) nicht mehr in Österreich aufhält. (Vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2000, Zl. 99/21/0099, und mehrere daran anschließende Entscheidungen, in denen ausgeführt wurde, der Fremde habe nur dann ein subjektives Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung, wenn eine konkrete Aussicht bestehe, dass er abgeschoben werde.) Auch in diesen Fällen kann daher mit einer formlosen Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos vorgegangen werden. Eine Entscheidungspflicht besteht nicht mehr.

Der Wegfall der Entscheidungspflicht und damit der Säumnis tritt bereits bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Einstellung ein. Davon zu unterscheiden ist die formlos vorzunehmende Einstellung des Verfahrens selbst, auf die es für die Frage der Beendigung der Säumnis nicht ankommt (vgl. in diesem Zusammenhang den zur - wie erwähnt - vergleichbaren Bestimmung des § 30 Abs. 1 AsylG 1997 ergangenen hg. Beschluss vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0395; in diesem Sinn auch die eine Einstellung nach § 15 Abs. 3 erster Satz FrG betreffenden hg. Erkenntnisse vom 10. September 1999, Zl. 99/19/0102, und vom 8. September 2000, Zl. 2000/19/0094).

Im Hinblick auf die (mittlerweile) erfolgte Ausreise des Beschwerdeführers aus Österreich ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine Entscheidungspflicht betreffend den gegenständlichen Feststellungsantrag nicht (mehr) besteht und ein Interesse des Beschwerdeführers an der Erledigung der Säumnisbeschwerde somit weggefallen ist. Dieser Auffassung entgegenstehende Gesichtspunkte wurden auch vom Vertreter des Beschwerdeführers nicht ins Treffen geführt, obwohl ihm dazu vom Verwaltungsgerichtshof Gelegenheit gegeben wurde.

Eine Säumnisbeschwerde ist auch dann zurückzuweisen, wenn die (ursprünglich auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangene) Entscheidungspflicht nach ihrer Einbringung - innerhalb der Frist des § 36 Abs. 2 VwGG oder danach - in anderer Weise als durch "ihre Erfüllung" (durch Nachholung der versäumten Entscheidung) wegfällt (vgl. dazu den schon erwähnten hg. Beschluss vom 24. Juni 1999, Zl. 98/20/0395, mit weiteren Nachweisen, und daran anschließend etwa den hg. Beschluss vom 11. Juni 2002, Zl. 2001/01/0556).

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des eingetretenen Verlustes der Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Ein Kostenzuspruch nach § 51 VwGG an die belangte Behörde war nicht vorzunehmen, weil diese keinen Aufwandersatz angesprochen hat.

Wien, am 23. September 2004

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