Normen
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
FrG 1997 §44;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
FrG 1997 §44;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. Jänner 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, auf Aufhebung des von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 22. September 1993 gegen ihn erlassenen - in Rechtskraft erwachsenen - Aufenthaltsverbotes mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe schon im März 1997 einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt. Dieser Antrag sei im Instanzenzug von der belangten Behörde abgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer, der während seiner Aufenthaltsdauer von 1987 bis 1993 viermal, und dabei mehrfach wegen strafbarer Handlungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten "(uzw. vorsätzliche Sachbeschädigung, vorsätzliche schwere Körperverletzung)", verurteilt worden sei, nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes neuerlich wegen gefährlicher Drohung verurteilt worden und nach erfolgter Abschiebung wieder nach Österreich zurückgekehrt sei, und sich hier wieder illegal aufgehalten habe und neuerlich habe abgeschoben werden müssen, wodurch die öffentlichen Interessen am Aufenthaltsverbot noch mehr Gewicht erhalten hätten, wogegen bei den privaten und familiären Interessen keine Veränderung eingetreten sei. Abgesehen davon, dass von einem Wohlverhalten während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht gesprochen werden könne, würde auch dem Wohlverhalten während dieser Gültigkeitsdauer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch darauf habe die belangte Behörde bereits in ihrem abweisenden Bescheid hingewiesen - keine relevante Bedeutung zukommen, weil bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits das Wohlverhalten während der Gesamtgültigkeitsdauer vorausgesetzt worden sei.
Unter den gegebenen Voraussetzungen wäre bei gleicher Rechtslage ein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Nun sei allerdings am 1. Jänner 1998 das FrG in Kraft getreten, dessen § 114 Abs. 3 zufolge Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FrG noch nicht abgelaufen seien, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer weiter gelten würden, jedoch auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben seien, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht hätten erlassen werden dürfen. Daher sei das in Rede stehende Aufenthaltsverbot auch an den Bestimmungen des FrG zu messen.
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider laufe. Als bestimmte Tatsache im Sinn dieser Bestimmung habe gemäß § 36 Abs. 2 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Voraussetzungen seien im Beschwerdefall in mehrfacher Hinsicht gegeben, sodass das Aufenthaltsverbot den diesbezüglich gleich gebliebenen Bestimmungen entspreche. Auf Grund des verstärkten öffentlichen Interesses bestehe auch keine Veranlassung, das Aufenthaltsverbot im Rahmen des der Behörde nach § 36 Abs. 1 leg. cit. eingeräumten Ermessens aufzuheben. Dem im Jahr 1993 erlassenen Aufenthaltsverbot wären auch die Bestimmungen der §§ 35 und 38 FrG über die Aufenthaltsverfestigung nicht entgegen gestanden, weil der Beschwerdeführer die erste maßgebliche Verurteilung bereits zweieinhalb Jahre nach seiner Niederlassung, im Jahr 1989, erlitten habe. Das Aufenthaltsverbot hätte daher auch nach den Bestimmungen des FrG erlassen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde auch bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 FrG eingeräumte Ermessen zu üben. (Vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0426, mwH.) Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. das zu § 26 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 ergangene, diesbezüglich auch für die nach dem FrG gegebenen Rechtslage maßgebliche hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 96/18/0483, mwH).
Für - auf das Fremdengesetz aus 1992 gegründete - Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 dieses Gesetzes Folgendes:
"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."
2.1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid (u.a.) ein, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Die Anlassfälle, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, seien - was den Unrechtsgehalt der Taten betreffe - nicht so gravierend gewesen, dass der massive Eingriff einer zehnjährigen Trennung des Beschwerdeführers von seiner Familie gerechtfertigt wäre. Bei "gleich gelagerten Fällen" habe die Behörde "meist" mit der Verhängung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbotes das Auslangen gefunden, wobei diese fünf Jahre nunmehr schon abgelaufen seien. Durch den weiterhin massiven Eingriff durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers liege ein Verstoß gegen § 37 FrG vor. Bei der Frage, ob das Aufenthaltsverbot nach mehr als der Hälfte seiner Geltungsdauer aufgehoben werden solle, sei auch "analog" die Bestimmung des § 37 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG zur Anwendung zu bringen. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung ausgeführt, dass seine Frau in Österreich einen Dienstposten habe und auf diese Art und Weise für die Familie wirtschaftlich sorgen könne, wobei ihre Rückkehr nach Indien aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei, weil der Beschwerdeführer und seine Frau drei ehelich geborene Kinder hätten, wovon zwei (in den Jahren 1993 und 1994) in Österreich geboren worden seien und zur Heimat des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau überhaupt keine Beziehung hätten und nur Deutsch sprächen. Die Familienmitglieder des Beschwerdeführers seien wirtschaftlich und sozial in Österreich integriert und hätten Österreich zu ihrem Lebensmittelpunkt für ihre zukünftige Lebensplanung erkoren. Die weitere Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes beeinträchtige daher das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers und das seiner Familie wesentlich schwerer als die öffentliche Ordnung und Sicherheit beeinträchtigt wäre, wenn das Aufenthaltsverbot vorzeitig aufgehoben würde.
2.2. Dieses Vorbringen ist zielführend. Die belangte Behörde hat zwar die (unter I.1. ersichtliche) Prüfung gemäß § 114 Abs. 3 FrG vorgenommen, es aber gänzlich unterlassen, die bei einer Prüfung nach § 44 FrG gebotene Abwägung gemäß § 37 leg. cit. durchzuführen. Dies hätte im Beschwerdefall nicht geschehen dürfen, hat doch der Beschwerdeführer in seinem Antrag nach § 44 FrG (Blatt 450 ff der vorgelegten Verwaltungsakten), in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 1998 gegenüber der Erstbehörde (Blatt 470 ff der vorgelegten Verwaltungsakten) und in seiner Berufung gegen den Erstbescheid vom 23. Dezember 1998, (Blatt 477 ff der vorgelegten Verwaltungsakten) mehrere Umstände aus seinem privaten und familiären Bereich für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ins Treffen geführt. Durch das Unterlassen einer Zulässigkeitsprüfung gemäß § 37 FrG hat die belangte Behörde den spruchmäßig ausdrücklich auf § 44 FrG gestützten Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, dass eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am 10. Mai 2000
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