VwGH 99/18/0089

VwGH99/18/008924.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der N, (geb. 1970), in Rumänien, vertreten durch Dr. Thomas Treichl und Mag. Martin Krumschnabel, Rechtsanwälte in 6330 Kufstein, Maximilianstraße 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 27. Jänner 1999, Zl. III 10/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangene Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 27. Jänner 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 6, §§ 37, 38, 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Es sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin am 8. Oktober 1998 erlaubt nach Österreich eingereist sei, und zwar auf der Grundlage eines Einreisetitels gemäß § 6 FrG (Visum C, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Bukarest am 24. September 1998, gültig vom 1. Oktober 1998 bis 30. Oktober 1998). Am 30. Oktober 1998 habe die Beschwerdeführerin im Standesamt Wörgl einen näher genannten Österreicher geheiratet und bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein einen sogenannten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 7 FrG gestellt (Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, Zweck: Familiengemeinschaft mit dem genannten Österreicher). Sie habe das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums C nicht verlassen, sondern sich weiterhin rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten. "Vgl. die in Rechtskraft erwachsene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 11.12.1998, ... wegen Verwaltungsübertretung nach § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG, Geldstrafe von S 3.000,--", weil sich die Beschwerdeführerin "zwischen 1.11.1998 und 11.12.1998 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten" habe. Am 11. Dezember 1998 habe die Bezirkshauptmannschaft Kufstein gegen die Beschwerdeführerin das vor der belangten Behörde bekämpfte Aufenthaltsverbot erlassen. In der Folge habe die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet verlassen. Die belangte Behörde gehe auf Grund dieses Sachverhaltes davon aus, dass die Beschwerdeführerin anlässlich der Beantragung des Visums C gegenüber der österreichischen Botschaft in Bukarest, sohin gegenüber einer österreichischen Behörde, unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet gemacht habe, um sich den Einreisetitel zu verschaffen, indem sie angegeben habe, dem Einreisetitel entsprechend für einen kurzfristigen Aufenthalt in das Bundesgebiet reisen zu wollen, während sie sich in Wirklichkeit im Bundesgebiet auf Dauer habe niederlassen wollen. Das erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG, und das wiederum rechtfertige die Annahme des § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG, weshalb vom Ermessen des § 36 Abs. 1 leg. cit. zum Nachteil der Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht werde.

Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. aber nicht unzulässig. Die sich in ihrem Gesamtfehlverhalten manifestierenden Neigung, sich zur Erreichung persönlicher Ziele über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen (fremdenpolizeilichen) Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe sich zum Teil erlaubt, zum Teil unerlaubt, insgesamt aber nur für kurze Zeit von Oktober 1998 bis Dezember 1998 in Österreich aufgehalten, und weiters (unerlaubt) im Bundesgebiet gearbeitet, und weise eine dementsprechend geringe Integration auf. Ihren Ehegatten, einen Österreicher, habe die Beschwerdeführerin am 30. Oktober 1998, am letzten Tag der Gültigkeitsdauer ihres Einreisetitels geheiratet, im Wissen, dass die Gültigkeitsdauer ihrer "österreichischen Aufenthaltsbewilligung" am Tag der Eheschließung ende, weshalb das Gewicht ihrer familiären Bindung im Bundesgebiet gering sei. Weiters habe die Beschwerdeführerin eine private, der Kürze ihres Aufenthalts entsprechend nicht intensive Bindung im Bundesgebiet zu einer näher genannten Österreicherin, der Freundin des Bruders der Beschwerdeführerin, gehabt, bei der sie zeitweise gewohnt habe. Die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin am Aufenthalt im Bundesgebiet wögen im Hinblick auf ihr Gesamtfehlverhalten und die daraus hervorleuchtende Gefährlichkeit ihrer Person für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbots auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der öffentlichen (fremdenpolizeilichen) Ordnung habe einen großen Stellenwert, ein großes öffentliches Gewicht. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 38 komme im Fall der Beschwerdeführerin nicht zum Tragen. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Die belangte Behörde sei der Auffassung, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, das Verstreichen von fünf Jahren vonnöten sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung, sie wäre zu einem Besuch nach Österreich gereist bzw. "um sich die hiesige Situation anzusehen", nicht aber um sich in Österreich auf Dauer niederzulassen, und sie hätte daher gegenüber der österreichischen Botschaft in Bukarest anlässlich der Beantragung des Visums C keine unrichtige Angabe über den Zweck und die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts in Österreich gemacht, um sich den Einreisetitel zu verschaffen, und sie wäre nur deshalb länger als behördlich erlaubt in Österreich geblieben, weil sie in einem Cafe in Kufstein den schon genannten Österreicher kennengelernt, sich in ihn verliebt (und ihn sofort geheiratet) hätte, sei unglaubwürdig. Es widerspreche nämlich der Lebenserfahrung, dass ein Fremder, wenn er in seiner Heimat ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt in Österreich beantrage, nach Erhalt des Einreisetitels erlaubt einreise und nicht mehr (freiwillig) ausreise, sondern am letzten Tag der Gültigkeitsdauer des Einreisetitels einen Österreicher heirate, und einen Aufenthaltstitel (Niederlassungsbewilligung) beantrage, nicht bereits zum Zeitpunkt der Beantragung des Einreisetitels die Absicht gehabt habe, sich auf Dauer in Österreich niederzulassen. Zu bedenken sei auch, dass ein gesetzestreuer Mensch nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums C jedenfalls ausgereist wäre und die Einwanderung - wie vom Gesetz vorgeschrieben - vom Ausland aus betrieben hätte. Ob die Ehe der Beschwerdeführerin mit dem genannten Österreicher eine sogenannte Scheinehe, "ausschließlich zur Erreichung einer Aufenthalts- und/oder Arbeitsbewilligung" sei, sei angesichts des erörterten Sachverhalts für das gegenständliche Verwaltungsverfahren unerheblich, weshalb sich weitere Ermittlungen zum allfälligen Vorliegen einer solchen Scheinehe erübrigten und den Beweisanträgen der Beschwerdeführerin auf zeugenschaftliche Einvernahme der schon angesprochenen Österreicherin, bei der sie zeitweilig gewohnt habe, und auf neuerliche zeugenschaftliche Einvernahme ihres Ehemannes und einer anderen näher genannten Person nicht stattgegeben werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, verzichtete aber auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach den unbestrittenen Feststellungen ist die Beschwerdeführerin seit dem 30. Oktober 1998 mit einem Österreicher verheiratet. Im Hinblick auf diese Ehe ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen sie als begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 47 Abs. 3 Z. 1 FrG) unter dem Blickwinkel des § 48 Abs. 1 FrG zu beurteilen. Wenn die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides allein auf § 36 FrG (und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit.) gestützt hat, so bewirkte dies für sich keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, zumal § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 leg. cit. bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 2000/18/0008). Als Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers hatte die Beschwerdeführerin gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 FrG einen Rechtsanspruch auf Ausstellung einer - auch vom Inland aus zu beantragenden - Niederlassungsbewilligung, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Im Hinblick auf diesen Rechtsanspruch kann daher aus dem Umstand, dass sie - wie die belangte Behörde meint - bei Beantragung des Touristensichtvermerkes unrichtige Angaben über Zweck und Dauer ihres beabsichtigten Aufenthaltes gemacht habe, sowie aus dem rechtswidrigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums und ihrer darauf beruhenden rechtskräftigen Bestrafung keine Gefährdung im Sinn des § 48 Abs. 1 FrG abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 98/18/0050, mwH). Die belangte Behörde hat daher, wenn sie im Beschwerdefall die Annahme für gerechtfertigt erachtete, dass auf Grund des Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung beeinträchtigt sei, die Rechtslage verkannt.

2. Schon deshalb leidet der angefochtene Bescheid an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Juli 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte