Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. März 1993 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien dem Beschwerdeführer die Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 Abs. 1 lit. c GebG in der Höhe von S 1,019.498,-- vor. Die Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Berufungsbescheid der belangten Behörde betreffend die Gebührenfestsetzung wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zl. 94/16/0238, als unbegründet ab.
Mit der Eingabe vom 4. Juli 1995 stellte der Beschwerdeführer in eventu - für den Fall, dass seinem Nachsichtsansuchen gemäß § 236 BAO nicht gefolgt werde - den Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß § 237 BAO im Wesentlichen mit der gleichen Begründung wie im Antrag auf Nachsicht nach § 236 BAO (hinsichtlich der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen nach § 236 BAO wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/16/0099, verwiesen).
Mit Bescheid vom 8. August 1995 wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien den Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO ab. In der Begründung heißt es, es läge weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit vor.
In der Berufung gegen diesen Bescheid vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, dass die sachliche Unbilligkeit nicht durch die Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührten, vorliege, sondern diese durch die Unzumutbarkeit und Unverhältnismäßigkeit des Einzelfalles und durch die verfahrensmäßigen Besonderheiten der Entstehung der Abgabenanspruches gegeben sei. Zur persönlichen Unbilligkeit brachte der Beschwerdeführer vor, im bekämpften Bescheid werde lediglich angeführt, dass aus dem Anbringen nicht hervorgehe, ob und mit welchem Ergebnis der Regress gegenüber dem Treugeber in Anspruch genommen worden sei. Die theoretische Regressmöglichkeit gegenüber dem Treugeber sei jedoch kein Hindernis für die vorliegende persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung. Weiters sei hervorzuheben, dass die seinerzeitige Treuhandschaft ausschließlich auf dringenden Wunsch des Treugebers eingegangen worden sei. Dieser habe durch die Treuhandschaft erhebliche wirtschaftliche und geschäftliche Vorteile erwartet und auch realisiert. Dem Beschwerdeführer sei damals als Dienstnehmer des Treugebers keine Wahl geblieben und er habe auf Auftrag und Weisung des Dienstgebers diesen "Gefallen" selbstverständlich unentgeltlich getan und als Treuhänder fungiert. Der Beschwerdeführer verwies nochmals ausdrücklich auf die mit seiner Eingabe vom 4. Juli 1995 detailliert dargestellte Begründung, warum für ihn im Falle der Eintreibung der Abgabe durch das Finanzamt Existenzgefährdung und wirtschaftlicher Ruin drohe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. September 1995 wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern die Berufung als unbegründet ab.
Nach gestelltem Vorlageantrag, in dem der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine Argumente wiederholte, wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Sie führte in den Entscheidungsgründen zur sachlichen Unbilligkeit aus, die Abstellung auf den Zeitpunkt des maßgeblichen Einheitswertes lasse Entnahmen und Vermögensveränderungen in der Zeit bis zum tatsächlichen Abtretungszeitpunkt außer Betracht, doch begründe dies keine Unbilligkeit des Einzelfalles, die der Gesetzgeber hätte vermeiden wollen. Die Einbußen, die den Beschwerdeführer getroffen hätten, seien Auswirkungen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden seien und die jeden gleich berührten, der einen Steuertatbestand verwirkliche. Eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor. Zur persönlichen Unbilligkeit führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer beziehe Einkünfte aus Gewerbebetrieb von monatlich durchschnittlich S 26.500,-- netto. Demgegenüber habe er monatlich aliquotierte Ausgaben in der Höhe von S 29.090,30 angegeben. Der Beschwerdeführer besitze auch Liegenschaften. Der monatliche Nahrungsstand sei damit nicht gefährdet. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Hypotheken seien zum Großteil in den monatlichen Belastungen als Rückzahlung erfasst. Der Kredit wegen Firmengründung bilde eine Betriebsausgabe. Wenn der Beschwerdeführer Kreditwürdigkeit für einen Kredit von S 489.060,-- aufweise und in der Lage sei, S 10.430,-- monatlich zurückzuzahlen, dann müsse sein wirtschaftlicher Dispositionsrahmen es auch erlauben, die Abgabe ohne Existenzgefährdung zu bezahlen. Zusammenfassend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb und ein Grundstück mit Haus. Der Nahrungsstand sei damit nicht gefährdet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Entlassung aus der Gesamtschuld verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer äußerte sich in einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Antrag eines Gesamtschuldners kann dieser gemäß § 237 Abs. 1 BAO aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen alle übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.
Die Voraussetzungen für die Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus dem Gesamtschuldverhältnis sind grundsätzlich dieselben wie die für die Nachsicht, nämlich die Unbilligkeit der Einziehung der Abgabe, für welche ein Gesamtschuldner (potenziell oder aktuell) einzustehen hat. Während für die Nachsicht (§ 236 BAO) das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen bei allen Mitschuldnern gefordert wird, genügt es für eine Maßnahme nach § 237 BAO, wenn die Billigkeitsgründe lediglich in der Person des antragstellenden Gesamtschuldners gelegen sind. Es können hier etwa die gleichen Billigkeitsgründe wie bei einer Nachsicht in Frage kommen, darüber hinaus aber auch Gründe, die in den Besonderheiten liegen, die zu der die Gesamtschuld begründeten Gemeinschaft führten, falls diese die Einhebung der Gesamtschuld beim Antragsteller unbillig erscheinen lassen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2451).
Da § 237 Abs. 1 BAO ausdrücklich verlangt, die Unbilligkeit müsse in der "Einhebung", also im Inkasso oder in der Vollstreckung der Abgabenforderung liegen, reicht eine Unbilligkeit, die etwa aus der gesetzlich normierten Einrichtung der Gesamtschuld, der Zusammenveranlagung oder der Haftung als solcher abgeleitet werden könnte, für Maßnahmen nach § 237 BAO nicht aus, denn eine allgemein gültige Rechtsvorschrift für sich allein vermag keine Unbilligkeit im Sinne von § 236 und § 237 BAO zu begründen (vgl. hg. Erkenntnis vom 4. März 1999, Zl. 96/16/0221, 0222).
Vom Beschwerdeführer wurden für das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit dieselben Argumente wie in dem mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/16/0099, entschiedenen Beschwerdefall vorgebracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis entschieden, dass die belangte Behörde mit Recht vom Nichtvorliegen einer sachlichen Unbilligkeit ausgehen konnte. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird insofern verwiesen. Aus den dort genannten Gründen hat die belangte Behörde auch hinsichtlich des Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO mit Recht das Gegebensein einer Unbilligkeit nach Lage der Sache verneint.
Im angefochtenen Bescheid wird das Nichtvorliegen einer persönlichen Unbilligkeit wortgleich wie in dem mit der Beschwerde Zl. 99/16/0099 angefochtenen Bescheid begründet. Hinzu kam in der Begründung nur, dass die belangte Behörde auch die Ansicht vertritt, wenn der Beschwerdeführer Kreditwürdigkeit für einen Kredit von S 489.060,-- aufweise und offenbar in der Lage sei S 10.430,-- monatlich zurückzuzahlen, dann müsse ihm sein wirtschaftlicher Dispositionsrahmen es auch erlauben, die Abgabe zu bezahlen, ohne dass dadurch seine Existenz gefährdet werde. Freiwillig eingegangene Verpflichtungen hätten im Allgemeinen bei der Beurteilung einer Existenzgefährdung als Voraussetzung einer Nachlassgewährung außer Betracht zu bleiben.
Nach der Behauptung des Beschwerdeführers handle es sich bei dem zur Firmengründung aufgenommenen Kredit von ca. S 500.000,-- um die Basis der Existenzgrundlage und -sicherung und das Unternehmen stelle die einzige tragende Einkunftsquelle des Beschwerdeführers dar. Die belangte Behörde behauptet ihrerseits, ohne dies im angefochtenen Bescheid durch Tatsachen näher darzustellen, das Vorliegen eines ausreichenden wirtschaftlichen Dispositionsrahmen des Beschwerdeführers und einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung. Die belangte Behörde begründet nicht, über welchen wirtschaftlichen Dispositionsrahmen der Beschwerdeführer tatsächlich überhaupt verfügt sowie aus welchen Gründen von einer "freiwillig" eingegangenen Verpflichtung bei diesem zur Firmengründung aufgenommenen Kredit auszugehen ist, der im Beschwerdefall konkret bei der Beurteilung einer Existenzgefährdung als Voraussetzung einer Nachlassgewährung außer Betracht zu bleiben hatte. Darüber hinaus haften der Bescheidbegründung auch dieselben Mängel wie in dem mit Beschwerde, Zl. 99/16/0099, angefochtenen Bescheid an. Es wird daher insofern auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 99/16/0099, verwiesen.
Aus den dort dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. März 2000
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