VwGH 99/11/0340

VwGH99/11/034023.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des K in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 10. November 1999, Zl. III-561-1304/99, betreffend Ladung in einem Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 1. Oktober 1999 langte bei der belangten Behörde eine Anzeige des Gendarmeriepostens V. gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Vergehens gemäß § 27 SMG ein. Nach dem Inhalt der Anzeige wurde der Beschwerdeführer von G. (einem des Vergehens und des Verbrechens nach den §§ 27 und 28 SMG Verdächtigen) bei dessen Vernehmung am 9. März 1999 beschuldigt, im Laufe von Jahren ca. 40 g Cannabisharz bzw. -kraut gekauft zu haben. 10 g habe er ihm geschenkt. Der Beschwerdeführer habe dies bei seiner Vernehmung am 20. September 1999 bestritten und ausgeführt, dass G. auch andere Personen fälschlich belastet habe. In der Anzeige wird weiters ausgeführt, dass außer den Angaben des G. bisher keine Hinweise auf einen möglichen Drogenkonsum des Beschwerdeführers bekannt seien. Dieser habe sich bei seiner Vernehmung zu einem Drogenschnelltest bereit erklärt, als ihm dieser angeboten worden sei, habe er erklärt, nicht urinieren zu können. Ihm sei die Möglichkeit geboten worden, an einem der folgenden Tage auf der Dienststelle einen solchen Test durchzuführen. Davon habe der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht.

Gestützt auf diese Anzeige erließ die belangte Behörde den Mandatsbescheid vom 12. Oktober 1999, mit dem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorzulegen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, der von der Behörde zu Grunde gelegte Sachverhalt rechtfertige nicht die Aufforderung, ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, weil selbst ein gelegentlicher Konsum von Cannabis die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht berühre. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer von G. keine Suchtmittel erworben.

Die belangte Behörde erließ hierauf den angefochtenen Ladungsbescheid. Als zu bearbeitende Angelegenheit ist auf dem Bescheidformular "Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung" angemerkt. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, persönlich am

17. oder 18. November 1999 bei der belangten Behörde zu erscheinen und den Führerschein mitzubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde ihm eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 1.000,-- angedroht.

Der Beschwerdeführer erstattete hierauf den Schriftsatz vom 16. November 1999, in dem er bekannt gab, dass das Strafverfahren gegen ihn gemäß § 90 StPO eingestellt worden sei. G. habe seine belastenden Angaben bereits am 12. April 1999 bei seiner Vernehmung als Beschuldigter vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch widerrufen. Er sei wegen seiner unrichtigen Angaben mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. Mai 1999 rechtskräftig wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB verurteilt worden. Diesem Schriftsatz war unter anderem eine Ablichtung dieses Urteils angeschlossen.

Gegen den Ladungsbescheid vom 10. November 1999 richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. In der Gegenschrift wird ausgeführt, auf Grund der Vorstellung habe die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren eingeleitet und den Ladungsbescheid erlassen, "um sich einen genauen Überblick über die Sachlage zu machen". Der Beschwerdeführer habe der Ladung keine Folge geleistet, sondern mit Schreiben vom 16. November 1999 eine Kopie des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. Mai 1999 vorgelegt. In einem in der Folge geführten Telefonat mit dem Vertreter des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde erklärt, dass das Verfahren eingestellt werde und die Ladung hinfällig sei. Für die Behörde sei bis zum Einlangen des genannten Gerichtsurteiles das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers notwendig gewesen, um die Wahrheit zu erforschen. Eine fernmündliche oder schriftliche Stellungnahme der Partei hätte nicht das gewünschte Ergebnis erbracht, da dieser Hinweis schon bei der schriftlich eingebrachten Vorstellung gefehlt habe. Die Ladung sei daher aus der Sicht der Behörde erforderlich und zum damaligen Zeitpunkt die zweckmäßigste Art der Wahrheitsfindung gewesen. Die Angaben des - im Jahr 1957 geborenen - Beschwerdeführers bei seiner Vernehmung vom 20. September 1999, dass er als 17-Jähriger Cannabis konsumiert habe und auch noch mit Personen aus der "Szene" verkehre, habe zur Vermutung geführt, dass er einen schon seit längerer Zeit andauernden Kontakt mit Suchtmitteln haben könne. Auf Grund der bekannten Umstände sei nicht völlig auszuschließen gewesen, dass eine Suchtmittel-Abhängigkeit vorliege. Diese Vermutung sei dadurch bestärkt worden, dass der Beschwerdeführer den Drogenschnelltest nicht absolviert habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass es sich bei der angefochtenen Erledigung um einen Ladungsbescheid im Sinne des § 19 AVG handelt, dies insbesondere auf Grund seiner Bezeichnung und der in ihm enthaltenen Androhung einer Zwangsstrafe für den Fall des Nichterscheinens vor der Behörde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. April 2000, Zl. 98/11/0273, mwN). Gegen diesen Bescheid war gemäß § 19 Abs. 4 AVG kein Rechtsmittel zulässig, weshalb dagegen unmittelbar Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden konnte.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Voraussetzung für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung sind begründete Bedenken, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4 FSG) noch gegeben sind (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, und vom 24. August 1999, Zlen. 99/11/0092, 0175). Im gegebenen Zusammenhang wäre somit die Einleitung des Entziehungsverfahrens - in dessen Rahmen der angefochtene Ladungsbescheid erlassen wurde - nur dann rechtens gewesen, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden hätten, dem Beschwerdeführer fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Derartige Anhaltspunkte waren jedoch nicht gegeben. Der vom Beschwerdeführer zugestandene Cannabiskonsum vor Jahrzehnten und seine gelegentlichen Kontakte mit G. berühren seine gesundheitliche Eignung nicht. Eine Aussage des Beschwerdeführers, dass er "mit Personen aus der 'Szene' verkehre", findet sich in den Akten nicht. Auch unter Zugrundelegung der Angaben des G. vom 9. März 1999 war die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers noch nicht in Zweifel zu ziehen, weil der gelegentliche Konsum von Cannabis die gesundheitliche Eignung nicht berührt (vgl. auch dazu das zuvor zitierte Erkenntnis vom 24. August 1999). Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, es habe nicht völlig ausgeschlossen werden können, dass eine Suchtmittelabhängigkeit vorliege, ist sie darauf hinzuweisen, dass nur begründete Bedenken in Ansehung einer Erteilungsvoraussetzung (hier der gesundheitlichen Eignung) die Einleitung des Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung rechtfertigen, nicht aber die Unmöglichkeit, eine gesundheitliche Beeinträchtigung auszuschließen.

Wenn hingegen auf Grund der Aktenlage begründete Bedenken in Ansehung der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers gerechtfertigt gewesen wären, hätte die belangte Behörde nach Einlangen der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 12. Oktober 1999 den Vorstellungsbescheid erlassen und damit die im gegebenen Zusammenhang allein zielführende Beweisaufnahme anstreben können, sodass es auch bei Vorliegen begründeter Bedenken nicht der Erlassung des angefochtenen Ladungsbescheides bedurft hätte.

Da mangels begründeter Bedenken das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung nicht hätte eingeleitet werden dürfen, erweist sich auch der in diesem Verfahren ergangene Ladungsbescheid als rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Mai 2000

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