VwGH 99/11/0161

VwGH99/11/016121.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf sowie Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden des

A in N, vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana und Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen die Bescheide des Militärkommandos Niederösterreich 1.) vom 18. Februar 1999, Zl. 1724-3100/90/99, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 99/11/0161),

2.) vom 26. April 1999, Zl. N/73/11/03/15, betreffend Feststellung der Tauglichkeit (hg. Zl. 99/11/0184), und 3.) vom 29. Juni 1999, Zl. N/73/11/03/15, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 99/11/0252),

1. den Beschluss

gefasst:

Die zu Zl. 99/11/0161 prokollierte Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt. Das diesbezügliche Verfahren wird eingestellt.

2. zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1990 §24 Abs3 Z4;
WehrG 1990 §24 Abs3 Z4;

 

Spruch:

Im Übrigen werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 8. Jänner 1999 teilte der Beschwerdeführer dem Militärkommando Niederösterreich mit, er arbeite in seiner (röm.kath.) Pfarre als Pastoralassistent und erteile Religionsunterricht an einer Hauptschule. Er sei ordentlicher Hörer der philosophisch-theologischen Hochschule in St. Pölten und stehe knapp vor der Beendigung des Studiums.

Der Bundesminister für Landesverteidigung befreite den Beschwerdeführer daraufhin mit Bescheid vom 12. Jänner 1999 gemäß § 36a Abs. 1 Z. 1 des Wehrgesetzes 1990 (WG) von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes bis zum 30. Juni 1999. Durch Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 18. Februar 1999, mit dem ein früherer Einberufungsbefehl vom 22. Jänner 1999 gemäß § 68 Abs. 2 AVG abgeändert wurde, wurde der Beschwerdeführer zur Leistung des Grundwehrdienstes für den 5. Juli 1999 einberufen. Mit Beschluss der Stellungskommission beim Militärkommando Niederösterreich vom 26. April 1999 wurde die Eignung des Beschwerdeführers mit "Tauglich" festgestellt. Ihm wurde gemäß § 23 Abs. 6 des Wehrgesetzes 1990 (WG) eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt.

Gegen die beiden zuletzt genannten Bescheide des Militärkommandos Niederösterreich, vom 18. Februar 1999 und vom 26. April 1999, richten sich die zu hg. Zlen. 99/11/0161 und 0184 protokollierten Beschwerden.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer von Amts wegen mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. Juni 1999 von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes neuerlich, und zwar einschließlich 15. Oktober 1999, von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes befreit. Mit Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich ebenfalls vom 29. Juni 1999 wurde der Beschwerdeführer für den 2. November 1999 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen. Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die zu hg. Zl. 99/11/0252 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des WG lauten (auszugsweise):

"§ 24.

...

(3) Von der Stellungspflicht sind, sofern sie einer gesetzlich anerkannten Kiche oder Religionsgesellschaft angehören, befreit:

  1. 1. ausgeweihte Priester,
  2. 2. Personen, die auf Grund absolvierter theologischer Studien im Seelsorgedienst oder in einem geistlichen Lehramt tätig sind,
  3. 3. Ordenspersonen, die die ewigen Gelübde abgelegt haben, und
  4. 4. Studierende der Theologie, die sich auf ein geistliches Amt vorbereiten.

    ...

§ 35. (1) Wehrpflichtige sind zum Präsenzdienst nach den jeweiligen militärischen Interessen vom zuständigen Militärkommando mit Einberufungsbefehl einzuberufen. Gegen den Einberufungsbefehl ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Einberufungsbefehl ist zuzustellen

1. spätestens vier Wochen vor dem Einberufungstermin zum Grundwehrdienst und

...

§ 36a.

...

(7) Mit der Zustellung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam."

1. Wie der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. September 1999 selbst mitteilte, wurde er mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. Juni 1999 von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes von Amts wegen bis einschließlich 15. Oktober 1999 befreit. Dadurch wurde gemäß § 36a Abs. 7 WG der angefochtene Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 18. Februar 1999, mit dem der Einberufungsbefehl vom 22. Jänner 1999 abgeändert worden war, für den Beschwerdeführer unwirksam. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist diesbezüglich dadurch gegenstandslos geworden (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 21. Oktober 1994, Zl. 94/11/0264). Das Verfahren über die Beschwerde war insoweit gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

2. Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Beschwerdeführer Mitglied der römisch-katholischen Kirche ist, Anfang 1997 aus dem Priesterseminar ausgetreten und kein Kleriker ist. Außer Streit steht ferner, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Studierender der Theologie an der philosophisch-theologischen Hochschule in St. Pölten und nebenbei als Pastoralassistent tätig war, wobei er an einer Hauptschule Religionsunterricht erteilt hat.

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, weil er gemäß § 24 Abs. 3 WG von der Stellungspflicht befreit sei. Der Beschwerdeführer stützt sich dabei auf den Umstand, Studierender der Theologie zu sein und als Pastoralassistent und Religionslehrer an einer Grundschule bereits derzeit ein geistliches Amt auszuüben. Mit dieser Auffassung verkennt der Beschwerdeführer jedoch die maßgebliche Rechtslage.

Der Beschwerdeführer kann die von ihm behauptete Befreiung von der Stellungspflicht offenkundig nicht auf die Z. 1 und 3 des § 24 Abs. 3 WG stützen, weil er weder Priester noch Ordensperson ist. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht ausführt, kommt für ihn auch nicht die Anwendung der Z. 2 des § 24 Abs. 3 WG in Frage, weil er seine theologischen Studien noch nicht abgeschlossen hat. Damit käme eine Befreiung von der Stellungspflicht nur noch auf Grund des § 24 Abs. 3 Z. 4 in Frage, wenn davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer, ein Studierender der Theologie, sich auf ein geistliches Amt vorbereitet.

Der Begriff "geistliches Amt" wird im WG nicht definiert. Eine Ausnahme von der Stellungspflicht für Studierende der Theologie, die sich auf ein geistliches Amt vorbereiten, findet sich erstmals in § 23 Abs. 2 der Stammfassung BGBl. Nr. 181/1955. Auch die Gesetzesmaterialien geben keinerlei Aufschluss darüber, was unter einem "geistlichem Amt" zu verstehen ist.

Welche Bedeutung der Wortgruppe "geistliches Amt" im § 24 Abs. 3 Z. 4 WG zukommt, kann daher nur unter Heranziehung der Rechtsordnung der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft - hier der römisch-katholischen Kirche - beurteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 1973, Zlen 1972, 1973/72).

Der Codex Iuris Canonici (CIC) von 1983 hält an der Unterscheidung zwischen Klerikern und Laien, wie sie bereits im CIC von 1917 enthalten war, fest (vgl. Ahlers, Die rechtliche Grundstellung der Christgläubigen, in: (Hrsg.) Listl / Schmitz, Handbuch des katholischen Kirchenrechts2 (1999), 231). In c. 207 § 1 CIC/1983 - der c. 107 CIC/1917 entspricht - wird ausgeführt, dass es kraft göttlicher Weisung in der Kirche unter den Gläubigen geistliche Amtsträger gebe, die im Recht auch Kleriker genannt werden. Die übrigen dagegen hießen Laien. C. 1008 CIC/1983 - der

c. 948 CIC/1917 entspricht - führt aus, dass durch das Sakrament der Weihe kraft göttlicher Weisung aus dem Kreis der Gläubigen einige zu geistlichen Amtsträgern bestellt werden. Als Weihen sind in c. 1009 § 1 Episkopat, Presbyterat und Diakonat genannt (in c. 949 CIC 1917 werden diese als höhere Weihen bezeichnet). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel, dass von dem in § 24 Abs. 3 Z. 4 WG umschriebenen Personenkreis nur diejenigen Personen umfasst sind, die sich auf eine Klerikern vorbehaltene Position in der Kirche vorbereiten. Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob § 24 Abs. 3 Z. 4 WG unter Heranziehung des 1955 geltenden CIC 1917 oder - die mittlerweile erfolgte innerkirchliche Entwicklung berücksichtigend - unter Heranziehung des nunmehr geltenden CIC 1983 auszulegen ist, weil der Beschwerdeführer als Nichtkleriker, der sich auch nicht auf ein Klerikern vorbehaltenes Amt vorbereitet, ungeachtet seiner Tätigkeit als Pastoralassistent und Religionslehrer keinesfalls zu dem in § 23 Abs. 3 Z. 4 WG umschriebenen Personenkreis zählt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass, wie der Beschwerdeführer vorbringt, gemäß Art. 1 § 3 Abs. 2 des Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von mit dem Schulwesen zusammenhängenden Fragen, BGBl. Nr. 273/1962, die Erteilung des Religionsunterrichtes an den Besitz der "missio canonica" gebunden ist (vgl. auch § 5 Abs. 1 des Religionsunterrichtsgesetzes, der vom "Erfordernis der kirchlich (religionsgesellschaftlich) erteilten ... Ermächtigung für die Erteilung des Religionsunterrichtes" spricht). Die Bindung der Erteilung des Religionsunterrichts an den Besitz der "missio canonica" erlaubt nämlich nicht den vom Beschwerdeführer intendierten Rückschluss darauf, dass die Erteilung des Religionsunterrichtes als geistliches Amt im Sinne des § 24 Abs. 3 Z. 4 WG zu verstehen ist.

Nach dem bisher Gesagten ist der Beschwerdeführer somit weder durch den Bescheid der belangten Behörde vom 26. April 1999 noch durch den Einberufungsbefehl vom 29. Juni 1999 in Rechten verletzt worden.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Soweit die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Februar 1999 für gegenstandslos geworden erklärt wurde, wäre gemäß § 58 Abs. 2 VwGG bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers, wie oben gezeigt, die belangte Behörde obsiegende Partei gewesen.

Das Mehrbegehren der belangten Behörde an Vorlage- und Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil die Akten des Verwaltungsverfahrens nur einmal vorgelegt wurden und nur im zu hg. Zlen. 99/11/0161, 0184 protokollierten Verfahren eine Gegenschrift erstattet wurde. Der im zu hg. Zl. 99/19/0252 vorgelegte, als "Gegenschrift" bezeichnete Schriftsatz enthält keine inhaltlichen Ausführungen zur Beschwerde und ist demnach nicht als Gegenschrift im Sinne des § 36 Abs. 1 VwGG zu werten.

Wien, am 21. November 2000

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