VwGH 99/06/0053

VwGH99/06/005320.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1. des DI Dr. F,

  1. 2. der A, 3. des Ing. G, 4. der Mag. E, 5. des Dr. H, 6. der C,
  2. 7. des J und 8. der A, alle in Graz, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 8. Feber 1999, GZ. A 17 - K - 14.209/1996 - 1, betreffend die Vorschreibung der Kosten für die Herstellung eines Gehsteiges, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Stmk 1968 §10 Abs2;
BauO Stmk 1968 §10;
BauRallg;
LAO Stmk 1963;
BauO Stmk 1968 §10 Abs2;
BauO Stmk 1968 §10;
BauRallg;
LAO Stmk 1963;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Beschwerdeführer betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 3. November 1982 wurde der X-Genossenschaft auf Grund einer Widmungsbewilligung vom 11. November 1981 die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung unter anderem eines Wohnhauses S-Gasse 22, mit weiterem Bescheid vom 18. November 1985 die Benützungsbewilligung für dieses Wohnhaus erteilt.

Mit Erledigung vom 22. Feber 1990 teilte die Behörde der X-Genossenschaft mit, es sei zur Sicherung des Fußgängerverkehrs beabsichtigt, an der Südseite der E-Gasse sowie an der Westseite der S-Gasse entlang der (näher bezeichneten) Liegenschaft einen näher beschriebenen Gehsteig zu errichten. Die Herstellung und Erhaltung der Gehsteige obliege entsprechend dem § 10 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO) der Gemeinde, wobei der Eigentümer eines an die Verkehrsfläche angrenzenden gewidmeten Bauplatzes aus Anlass von Neubauten die Kosten der erstmaligen Herstellung dieses Gehsteiges der Gemeinde zu ersetzen habe. Dem Anrainer stehe es jedoch frei, den Gehsteig in der vorgeschriebenen Art innerhalb einer von der Gemeinde zu bestimmenden Frist selbst auszuführen. Mit Bescheid vom 3. November 1982 sei der X-Genossenschaft als Eigentümerin des fraglichen Grundstückes die Baubewilligung für die Errichtung von Wohnhäusern erteilt worden. Die für eine Kostenvorschreibung erforderlichen Voraussetzungen seien daher gegeben. Sollte die Genossenschaft von der genannten Möglichkeit Gebrauch machen wollen, den geplanten Gehsteig entlang ihrer Liegenschaft selbst durch einen befugten Unternehmer errichten zu lassen, werde sie ersucht, dies binnen einer Frist von vier Wochen ab Zustellung der Erledigung mitzuteilen. Eine solche Mitteilung erfolgte nicht. In einem Aktenvermerk vom 18. Oktober 1990 ist vielmehr festgehalten, dass nach fernmündlicher Mitteilung eines näher genannten Mitarbeiters dieser Genossenschaft der Gehsteig von der Stadt Graz gegen nachträgliche Kostenverrechnung gebaut werden solle.

In weiterer Folge richtete die erstinstanzliche Behörde eine Erledigung vom 29. Feber 1996 an 32 (im Verteiler aufgezählte) Personen (darunter die Beschwerdeführer) des Inhaltes, es werde unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 22. Februar 1990 bekannt gegeben, dass der Gehsteig an der Südseite der öffentlichen Verkehrsfläche E-Gasse sowie an der Westseite der S-Gasse entlang dem fraglichen Grundstück gebaut worden sei. Die Baukosten beliefen sich auf S 258.110,50. Die Herstellung und Erhaltung der Gehsteige auf Gemeindestraßen obliege der Gemeinde, wobei der Eigentümer eines an die Verkehrsfläche angrenzenden gewidmeten Bauplatzes aus Anlass von Neubauten die Kosten der erstmaligen Herstellung dieses Gehsteiges der Gemeinde zu ersetzen habe. Die für eine Kostenvorschreibung erforderlichen Voraussetzungen seien gegeben, weil ein rechtskräftiger Widmungsbescheid vorliege und ein Neubau "unter dem Geltungsbereich" der BO errichtet worden sei. Gemäß § 10 BO in Verbindung mit § 119 Abs. 2 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG) ergehe daher die Aufforderung, den vorgenannten Betrag unter Verwendung des beiliegenden Erlagscheines anzuweisen. In der Folge gab die Behörde über Rückfrage der X-Genossenschaft, die, wie es heißt, "von der Hausgemeinschaft" die Mitteilung vom 29. Februar 1996 erhalten habe und ersucht worden sei, mit der Behörde in Kontakt zu treten, mit Erledigung vom 20. Juni 1996 unter Anschluss verschiedener Beilagen mit, dass die angefallenen Kosten diesen Beilagen zu entnehmen seien. Es werde darauf hingewiesen, dass der hiebei errechnete Betrag noch vom Herstellungsjahr bis zum Vorschreibungszeitpunkt valorisiert worden sei, wobei als Grundlage hiefür der Baupreisindex für den Straßenbau, errechnet vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, herangezogen worden sei.

Hierauf entschied die erstinstanzliche Behörde mit dem Bescheid vom 23. September 1996, der gemäß seinem Verteiler an diese 32 Personen, darunter auch die Beschwerdeführer, gerichtet ist, wie folgt (Wortlaut des Spruches):

"Gem. § 10 Stmk. Bauordnung 1968, in Verbindung mit § 119 Abs. 2 des Stmk. Baugesetzes 1995, LGBl. 1995/59, sind der Stadt Graz die Kosten für die Herstellung des Gehsteiges an der Südseite der E...gasse sowie an der Westseite der S...gasse entlang der Liegenschaft Gst. Nr. ..., KG ..., von den Eigentümern des an diese Verkehrsflächen angrenzenden gewidmeten Bauplatzes in der Höhe von S 258.110,50 zu ersetzen. Dieser Betrag ist innerhalb von 8 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides auf das Konto der Stadt Graz unter Verwendung des beiliegenden Zahlscheines zu überweisen. Falls die Einzahlung nicht termingemäß vorgenommen wird, müssten die gesetzl. Verzugszinsen in Anrechnung gebracht werden."

Begründend heißt es, der Spruch stütze sich auf die angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Demnach sei der Eigentümer eines an die Verkehrsfläche angrenzenden gewidmeten Bauplatzes verpflichtet, der Gemeinde die Kosten der erstmaligen Herstellung eines bauordnungsgemäßen Gehsteiges entlang des Bauplatzes aus Anlass von Neubauten zu ersetzen, wobei die Gemeinde die Breite und Ausführungsart des Gehsteiges festlege. Im Jahr 1989 habe sich zur Sicherung des Fußgeherverkehrs die Notwendigkeit ergeben, an der Südfläche der E-Gasse sowie an der Westseite der S-Gasse entlang der streitgegenständlichen Liegenschaft einen bauordnungsgemäßen Gehsteig zu errichten. Mit Baubescheid vom 3. November 1982 sei die Errichtung eines Neubaues genehmigt worden. Die für eine Kostenvorschreibung erforderlichen Voraussetzungen seien daher gegeben, weshalb die Gehsteigerrichtungskosten in der nunmehrigen Höhe von S 258.110,50 der Stadt zu ersetzen seien. Dieser Betrag sei das Ergebnis der auf der Basis des Baupreisindex für den Straßenbau erfolgten Valorisierung der vom bauausführenden Unternehmen vorgelegten Schlussrechnung vom Zeitpunkt der Einzahlung durch die Stadt Graz bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Kostenvorschreibung im Feber 1996 und enthalte 20 % gesetzliche Umsatzsteuer.

Dagegen erhoben unter anderem die Beschwerdeführer Berufung, die mit dem nun angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen wurde, dass ein Schreibfehler im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides richtig gestellt wurde.

Zusammengefasst schloss sich die Berufungsbehörde der Begründung der ersinstanzlichen Behörde an und führt ergänzend aus, das gegenständliche Verfahren sei von Amts wegen am 22. Februar 1990 eingeleitet worden, sodass gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. BauG die Bestimmungen der BO anzuwenden seien. Der verfahrensgegenständliche Gehsteig sei im Jahr 1989 errichtet worden. Die Vorschreibung der Errichtungskosten sei gemäß § 10 BO erfolgt und sei entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung, was auch zur Folge habe, dass entgegen ihrer Auffassung keine Verjährung gemäß den Bestimmungen des ABGB eintreten könne.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit (den Ausführungen zufolge auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift (die sich darauf beschränkt, auf die Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen) die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 der Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 (im Folgenden: BO), lautet:

"§ 10

Gehsteige

(1) Die Herstellung und Erhaltung der Gehsteige obliegt der Gemeinde. Diese bestimmt durch Verordnung die Breite und die Ausführungsart nach der zu erwartenden Verkehrsbedeutung.

(2) Der Eigentümer eines an die Verkehrsfläche angrenzenden gewidmeten Bauplatzes, der im bebauten Gebiet liegt, hat der Gemeinde die Kosten der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßig befestigten, staubfreien Gehsteiges entlang des Bauplatzes aus Anlass von Neubauten zu ersetzen. Anrechenbar ist jedoch nur eine Breite bis 2 m. Der Ersatz der Kosten ist mit Bescheid vorzuschreiben und zur Zahlung nach Fertigstellung des Gehsteiges fällig zu stellen. Dem Eigentümer steht es jedoch frei, zu einem von der Gemeinde zu bestimmenden Zeitpunkt innerhalb einer zu setzenden angemessenen Frist den Gehsteig in der vorgeschriebenen Art selbst auszuführen.

(3) Für Gehsteige auf Bundesstraßen gelten die Bestimmungen der Abs. 1 und 2 nicht."

Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die wenngleich hilfsweise ins Treffen geführte Argumentation des Beschwerdeführers, beim Kostenersatz im Sinne des § 10 BO handle es sich um eine Abgabe im Sinne der Stmk. Landesabgabenordnung, weil der Landesgesetzgeber diesen Kostenersatz nicht als "Abgabe" ausgeformt hat, wenngleich dies möglich gewesen wäre (vgl. hiezu auch Hauer, Stmk. Baurecht2, Anmerkung 6 zu § 10 BO). Die Bestimmungen der Landesabgabenordnung über die Verjährung sind daher nicht anwendbar. Eine Verfristung oder Verjährung dieses öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruches ist in § 10 BO nicht vorgesehen (vgl. die wenngleich zu anderen Bauordnungen ergangenen hg. Erkenntnisse vom 26. Oktober 1931, Slg. Nr. 16.830/A, und vom 4. Mai 1955. Slg. NF Nr. 3729/A).

Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. BauG sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stmk. BauG anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Richtig ist die Auffassung der belangten Behörde, dass das gegenständliche Verwaltungsverfahren von Amts wegen mit der Erledigung vom 22. Februar 1990, somit vor Inkrafttreten des Stmk. BauG eingeleitet wurde, weshalb sich die Behörden zu Recht auf § 10 BO (und nicht etwa auf die korrespondierende Bestimmung des § 16 Stmk. BauG) gestützt haben.

Die Beschwerdeführer bringen vor, der Gehsteig sei entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht im Jahr 1989, sondern erst im Jahr 1991 hergestellt worden. Jedenfalls sei der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 23. September 1996 rechtlich "zu spät" ergangen. Es wäre nämlich über den Kostenersatzanspruch (zu ergänzen: schon früher) "mindestens dem Grunde nach abzusprechen" gewesen, nämlich im Zusammenhang mit der Erteilung der Baubewilligung oder aber mit der Erteilung der Widmungsbewilligung.

Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Dem § 10 BO ist nicht zu entnehmen, dass eine solche Verpflichtung dem Grunde nach sei es nun in der Widmungsbewilligung, oder sei es in der Baubewilligung, mit der Konsequenz erfolgen müsste, dass ansonsten eine spätere Verpflichtung (nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach) nicht mehr erfolgen könnte.

Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, man könne § 10 Abs. 2 BO dahin verstehen, dass der Eigentümer der Gemeinde die Kosten einer - aus Anlass von Neubauten erfolgenden, erstmaligen Herstellung eines Gehsteiges zu ersetzen habe. Aus diesem Blickwinkel komme eine Ersatzpflicht überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Gehsteigherstellung mit der Neubauerrichtung zeitlich zusammenfalle. Das sei hier nicht der Fall, weil "ein Gehsteig erst Jahre später und völlig ohne Zusammenhang mit den Neubauten hergestellt" worden sei. Man könne aber auch die adverbielle Fügung "aus Anlass von Neubauten" auch auf das Prädikat "ersetzen" beziehen: diesfalls hätte mindestens die Kostenersatzvorschreibung schon zum Zeitpunkt der Bauführung zumindest dem Grunde nach geschehen müssen, unabhängig vom Zeitpunkt der Herstellung des Gehsteiges. Aber weder die Gehsteigherstellung noch die Vorschreibung eines Kostenersatzes sei auch nur annähernd im zeitlichen Rahmen des Ereignisses "Errichtung der Neubauten", das zwischen 1982 bis 1985 zu situieren sei, erfolgt. Vielmehr seien jeweils Jahre verstrichen. Eine Kostenersatzvorschreibung könne daher nicht mehr erfolgen.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Der Auffassung der Beschwerdeführer ist beizutreten, dass die Annahme der belangten Behörde, der Gehsteig sei bereits 1989 hergestellt worden, im Akteninhalt keine Stütze findet und es zutreffen mag, dass er erst 1991 hergestellt wurde. Jedenfalls wurde er nach Erteilung der Widmungsbewilligung, der Baubewilligung und auch der Benützungsbewilligung hergestellt, sodass im Beschwerdefall nicht zu untersuchen ist, was rechtens wäre, wenn der Gehsteig vor Erteilung einer Widmungsbewilligung, Baubewilligung oder allenfalls auch der Benützungsbewilligung hergestellt worden wäre. Im Beschwerdefall ist auch nicht die Frage zu lösen, ob der Begriff "aus Anlass von Neubauten" rechtlich mit der Herstellung des Gehsteiges oder aber mit der Ersatzpflicht (im Sinne eines die Ersatzpflicht auslösenden Momentes) verknüpft ist, wie die Beschwerdeführer als Alternativen zur Verneinung ihrer Ersatzpflicht aus dem Blickwinkel einer Verfristung in den Raum stellen. Die von den Beschwerdeführern ins Treffen geführte zeitliche Komponente reicht in beiden Fällen nicht aus. Vielmehr besteht der geltend gemachte Kostenersatzanspruch dem Grunde nach zu Recht.

Zutreffend ist aber die Argumentation der Beschwerdeführer, dass § 10 BO die Aufwertung des von der Gemeinde aufgewendeten Betrages um einen "Baukostenindex" ebenso wenig vorsieht, wie die im erstinstanzlichen Bescheid angekündigte "Anrechnung" von gesetzlichen Verzugszinsen, wobei allerdings der normative Gehalt dieser Ankündigung vorliegendenfalls unklar ist, was aber im Beschwerdefall deshalb nicht näher zu erörtern ist, weil schon allein durch diese erfolgte "Valorisierung" (des nicht näher bezifferten, nach Auffassung der Behörden zu ersetzenden Grundbetrages) die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete, sodass er - schon deshalb - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. In einem allfälligen Ersatzbescheid wäre der zu ersetzende Betrag nachvollziehbar aufzuschlüsseln.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Jänner 2000

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