Normen
BauO NÖ 1976 §62 Abs2 impl;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2 impl;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §48;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 19. Jänner 1998, eingelangt bei der Behörde am 20. Jänner 1998, haben die Mitbeteiligten die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau einer baubehördlich genehmigten Maschinenhalle in einen Zuchtschweinestall für 60 Tiere auf dem Grundstück Nr. 111/1, KG Breitenau, beantragt. Bis auf die Errichtung eines Zubaues für einen Verbindungsgang im Ausmaß von 2 m mal 8 m sollten keine äußerlichen Veränderungen vorgenommen werden. Mit Schreiben vom 26. Jänner 1998 forderte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde die Mitbeteiligten auf, eine Beschreibung möglichst aller für Emissionen relevanten Betriebsvorgänge vorzulegen, weil es notwendig sei, den Ist-Zustand zu erfassen. Mit Eingabe vom 5. März 1998 erklärten die Mitbeteiligten, im Stall 1 16 Zuchtschweine mit ca. 120 Ferkeln, im Stall 2 ca. 120 Mastschweine mit ca. 45 Ferkeln, im Stall 3 14 Zuchtschweine mit ca. 98 Ferkeln zu halten. In der Folge holte die beschwerdeführende Gemeinde das Gutachten eines Zivilingenieurs für technische Physik ein. In seinem Gutachten vom 25. März 1998 führte D.I. G. B. aus, bei Tag und Nacht werde der ortsübliche energieäquivalente Dauerschallpegel nicht erhöht.
In der mündlichen Verhandlung vom 1. April 1998 wurde festgestellt, dass auf Grund der Istsituation, wie in einem Gutachten des Amtes der NÖ Landesregierung, Abteilung BD 4, vom 3. September 1996 (zu einem Vorläufer dieses Bauvorhabens) in Tabellen ausgeführt, bereits der vorhandene Istzustand mit den Geruchsimmissionen als unzumutbar anzusehen sei. Es wäre daher der Istzustand der Geruchsimmissionen derart abzusenken, dass durch die vorgesehene Betriebserweiterung unzumutbare Beeinträchtigungen der im Einflussbereich liegendenden Anrainer ausgeschlossen werden können. Um eine umwelschutztechnische Beurteilung der von den Mitbeteiligten angeführten Möglichkeiten der Immissionsreduzierung durchführen zu können, seien weitere Angaben und Unterlagen erforderlich.
Nach Vorlage ergänzender Unterlagen durch die Mitbeteiligten holte die Baubehörde sowohl ein agrartechnisches als auch ein umweltschutztechnisches Gutachten ein. Der agrartechnische Sachverständige führte in seinem Gutachten vom 11. August 1998 aus, er habe bereits in einem vorangegangenen Bauverfahren ein Gutachten vom 23. Februar 1996 erstellt, dem damals beurteilten Projekt seien Einreichunterlagen zu Grunde gelegen, wonach die Haltung von insgesamt 90 Zuchtsauen vorgesehen gewesen sei. Über das nunmehrige Ansuchen seien von der Behörde keine Einreichunterlagen übermittelt worden. Es könne daher eine Beurteilung nach Planunterlagen nicht vorgenommen werden. Da einerseits für den neuen Stall die Erstellung eines Gutachtens nicht möglich sei und andererseits nicht geklärt sei, ob Abänderungen und Umbaumaßnahmen bei den bestehenden Stallungen Gegenstand des vorliegenden Bauverfahrens seien, könnten keine gutachtlichen Aussagen getätigt werden. In seinem Gutachten vom 21. Juli 1998 gelangte der Amtssachverständige für Umwelttechnik unter Zugrundelegung der "vorläufigen Richtlinie zur Beurteilung von Immissionen aus der Nutztierhaltung und Stallungen" sowie der vorgelegten Lüftungsbeschreibung zu folgendem Ergebnis: Das Grundstück der Mitbeteiligten sei laut Flächenwidmungsplan als Bauland-Agrargebiet gewidmet. Die angrenzenden Grundstücke seien nordwestlich als Grünland-Landwirtschaft, nördlich, südlich und östlich als Bauland-Wohngebiet, südwestlich als Bauland-Agrargebiet und südöstlich als Bauland-Agrargebiet gewidmet. Der geplante Stall 4 bewirke eine Geruchszahl G 14, der Istzustand ergebe für die bestehenden Ställe 1, 2, 2a und 3 die Geruchszahl G 35, die Geruchszahlen im Sollzustand (nach Verbesserung der bestehenden Ställe 1 bis 3) einschließlich auf Grund der geplanten Betriebserweiterung ergebe eine Geruchszahl von G = 44. Der geplante Umbau (Sollzustand einschließlich der Betriebserweiterung) stelle eine wesentliche Verschlechterung gegenüber dem derzeitigen Istzustand dar; die erforderlichen Schutzabstände, um eine unzumutbare Geruchsbeeinträchtigung hintanzuhalten, würden nicht eingehalten.
In der Verhandlung vom 19. August 1998 führte die medizinische Sachverständige, gestützt auf das Gutachten des Umweltschutzsachverständigen, aus, bei näherbezeichneten Anrainern sei insofern eine unzumutbare Geruchsbelästigung durch die Emissionen des geplanten Schweinemastbetriebes als wahrscheinlich anzusehen, als die erforderlichen Schutzabstände nicht eingehalten werden könnten. In der Folge sei das Auftreten psychosomatischer Erkrankungen bei den genannten Anrainern möglich.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 1998 hat der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde die beantragte Baubewilligung versagt. Die Niederschriften über die Bauverhandlungen sowie die in Abschrift beiliegenden Gutachten der Sachverständigen wurden zum Bestandteil dieses Bescheides erklärt. Die Einwendungen einer Anrainerin wurden als unbegründet abgewiesen, die anderer Personen mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen.
In der dagegen erhobenen Berufung der Mitbeteiligten führten diese im Wesentlichen aus, die Gutachten seien mangelhaft, die Verfahrenskosten seien zu hoch.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1999 hat der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde der Berufung der Mitbeteiligten hinsichtlich der Verfahrenskosten teilweise Folge gegeben, im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Mitbeteiligten hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Bescheid des Gemeinderates vom 18. Februar 1999 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, im Bauland-Agrargebiet sei die Errichtung eines Schweinestalles grundsätzlich zulässig. Aus § 48 Abs. 2 Nö BO 1996 i. V.m. § 6 Abs. 1 und 2 leg. cit. erwachse den Anrainern ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz etwa vor Geruchsbelästigung. Diese Bestimmung gewähre allerdings keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Anrainers, die zu erwartenden Immissionen seien aber durch Vorschreibung entsprechender Auflagen an das örtlich zumutbare Ausmaß anzugleichen. Bei einem Baubewilligungsverfahren handle es sich um ein Projektgenehmigungsverfahren, Beurteilungsgegenstand sei demnach ausschließlich das beantragte Projekt. Dies habe zur Konsequenz, dass nur im Hinblick auf dieses Bauwerk die erforderlichen Auflagen vorzuschreiben seien. Entgegen der Rechtsansicht der Behörden auf Gemeindeebene seien allfällige, bereits in der Umgebung bestehende "Altlasten" nicht mit zu berücksichtigen. Zutreffend hätten die Mitbeteiligten die Mangelhaftigkeit des technischen Gutachtens aufgezeigt und seien daher dem darauf aufbauenden medizinischen Gutachten nicht weiter auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Da die Behörde auf Gemeindeebene in diesem Umfang die Rechtslage verkannt habe, sei ihr Bescheid zu beheben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Im fortgesetzten Verfahren werde sich der Gemeinderat neuerlich mit der Angelegenheit auch im Hinblick auf die Verfahrenskosten zu beschäftigen haben. Dabei würde zu beachten sein, dass der Bewilligungsantrag vom 19. Jänner 1998 lediglich den Umbau der Maschinenhalle in einen Schweinemaststall umfasse. Diesem Antrag sei eine Ausweitung des Tierbestandes in den bestehenden Stallungen nicht zu entnehmen. Auf diesen Umstand habe bereits auch der agrartechnische Sachverständige in seinen Ausführungen aufmerksam gemacht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die Mitbeteiligten brachten eine Gegenschrift ein. Die Beschwerdeführerin erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 116 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 119a Abs. 9 B-VG gewährleistet der Gemeinde ein subjektives Recht auf Selbstverwaltung und demzufolge einen Abwehranspruch gegenüber rechtswidrigen aufsichtsbehördlichen Verwaltungsakten. Da nur die die Aufhebung tragenden Gründe im fortgesetzten Verfahren Bindungswirkung entfalten, konnte die beschwerdeführende Gemeinde allenfalls durch diese Gründe in ihren Rechten verletzt sein.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides war die Aufhebung darauf gestützt, dass nur im Hinblick auf das beantragte Bauwerk erforderliche Auflagen vorzuschreiben und die bestehenden "Altlasten" nicht zu berücksichtigen seien. Mit dem Ausspruch, dass erforderliche Auflagen vorzuschreiben seien, hat die belangte Behörde ihre schon eingangs geschilderte Auffassung vertreten, wonach auch das Auftreten unzumutbarer Geruchsbelästigungen nicht zu einer Versagung der Baubewilligung führen könne.
§ 48 der Nö BO 1996, LGBl. 8200-0, lautet wie folgt:
" 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
- 1. das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;
- 2. Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.
(2) Ob Belästigungen örtlich unzumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Bauwerke und deren Benützung verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen auswirken.
Die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart ist dabei zu berücksichtigen."
Nach den Erläuternden Bemerkungen zu § 48 Nö BO (vgl. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 5. Auflage, Seite 304) soll der Immissionsschutz in der Neufassung der Nö BO exakter geregelt werden als in der bisherigen Fassung. Im Falle, dass die Auswirkungen eines geplanten Bauwerkes oder seiner Benützung die Nachbarn über das erlaubte Maß hinaus belästigen würden und diese Auswirkungen nicht durch Auflagen auf das erlaubte Maß gemindert werden können, solle aus der neuen Formulierung die Versagung der Baubewilligung abzuleiten sein.
Die Absicht des Gesetzgebers, dass dann, wenn durch Auflagen negative Auswirkungen nicht auf das örtlich zumutbare Maß gemindert werden können, eine Versagung der Baubewilligung auszusprechen ist, leuchtet nicht nur aus den Erläuternden Bemerkungen hervor, sie ergibt sich auch aus der gewählten Formulierung, wonach Emissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden dürfen oder Menschen nicht örtlich unzumutbar belästigen dürfen. Nach § 62 Abs. 2 Nö BO 1976 hatte hingegen die Baubehörde für Bauwerke, die u. a. das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarn erwarten ließen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen. Im Gegensatz zu dieser Vorläuferbestimmung sieht aber der gegenwärtige Gesetzestext nicht mehr vor, dass nötige Vorkehrungen zu treffen bzw. Auflagen zu erteilen seien. Das Verbot, dass Emissionen das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden dürfen oder Menschen nicht örtlich unzumutbar belästigen dürfen, ist vielmehr ein absolutes, sodass dann, wenn das örtlich zumutbare Maß überschritten wird, mit einer Versagung der Baubewilligung vorzugehen ist.
Aus der Bestimmung des § 48 Abs. 2 Nö BO 1996 geht hervor, dass die bestehende Immissionsbelastung der (bewilligten) Bauwerke oder deren Benützung zu berücksichtigen ist; anders wäre die Formulierung nicht erklärbar, wonach die durch die Bauwerke und deren Benützung verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu beurteilen sind. Es kommt bei dieser Rechtslage - entgegen der Vorgängerbestimmung des § 62 Abs. 2 Nö BO 1976 - darauf an, wie sich die projektgemäßen Veränderungen auf die vorhandenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auswirken. Eine Beurteilung, ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist daher im Sinne der zitierten Bestimmung des § 48 Nö BO 1996 nur möglich, wenn die vorhandenen Verhältnisse berücksichtigt werden.
Gemäß § 48 letzter Satz Nö BO 1996 ist die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungs- und Nutzungsart zu berücksichtigen. Ein Anhaltspunkt für die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, wonach dabei die Flächenwidmung der das zu bebauende Grundstück umgebenden Grundstücke zu berücksichtigen sei, kann dieser Bestimmung nicht entnommen werden. Da es zu den Grundsätzen des österreichischen Baurechts gehört, dass für die Baubehörde allein die Widmung des zu bebauenden Grundes, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn entscheidend ist (vgl. dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, Seite 263), hätte der Nö Landesgesetzgeber, falls er eine andere Regelung treffen wollte, dies ausdrücklich normieren müssen.
Da die belangte Behörde nach der die Aufhebung tragenden Begründung ihres Bescheides davon ausgegangen ist, dass eine Versagung der Baubewilligung für nach dem Flächenwidmungsplan zulässige Bauwerke nicht möglich ist, und sie weiters die Auffassung vertrat, dass die bestehende Immissionsbelastung nicht zu berücksichtigen ist, belastete sie aus diesen Gründen den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Durch die die Aufhebung tragenden und Bindungswirkung entfaltenden, rechtsirrig angenommenen Gründe hat die belangte Behörde die beschwerdeführende Gemeinde in ihrem subjektiven Recht auf Selbstverwaltung verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Mit Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden. Wien, am 7. März 2000
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