VwGH 99/05/0132

VwGH99/05/013211.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger-Heis, über die Beschwerde der RG in W, vertreten durch Dr. Edith Gagern-Spanner, Rechtsanwalt in Wien, Mariahilferstraße 196, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. März 1999, Zl. UVS- 04/A/44/00014/98, betreffend eine Baustrafe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §835;
BauO Wr §129 Abs10 idF 1976/018;
BauO Wr §129 Abs10 idF 1996/042;
BauO Wr §135 Abs1 idF 1992/048;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;
ABGB §835;
BauO Wr §129 Abs10 idF 1976/018;
BauO Wr §129 Abs10 idF 1996/042;
BauO Wr §135 Abs1 idF 1992/048;
BauO Wr §135 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Bestrafung der Beschwerdeführerin wegen der Übertretung der §§ 135 Abs. 1 und 129 Abs. 1 BauO für Wien aufrecht erhalten wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- (= EUR 1.090,09) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Minderheitseigentümerin der Liegenschaft und des Hauses W. Im Jahre 1984 oder 1985 wurde gegen ihren Willen die Hausbesorgerwohnung Top Nr. 6 vermietet, umgebaut und in der Folge als Kosmetiksalon verwendet. Dies hat sie selbst der Baubehörde angezeigt.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1990 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37-Baupolizei, den Eigentümern dieses Hauses den Auftrag,

1. die bewilligungswidrige Benützung der im Erdgeschoß befindlichen Wohnung Top Nr. 6 und der angrenzenden Waschküche als Arbeitsräume (Kosmetiksalon) aufzulassen und

2. die ohne baupolizeiliche Bewilligung durchgeführten baulichen Abänderungen, wie Herstellen von zwei Türverbindungen zwischen der Wohnung und der angrenzenden Waschküche und die Abänderung der vom Hof zur Waschküche führenden Tür in ein Fenster, zu beseitigen und den bewilligten Zustand entsprechend der Baubewilligung vom 4. Juni 1870, wieder herstellen zu lassen.

Eine dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung blieb erfolglos.

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, forderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. September 1997 zur Rechtfertigung auf. Sie hätte es als Hausmiteigentümerin in der Zeit vom 24. Oktober 1990 (offenbar Datum der Zustellung des zuletzt genannten Berufungsbescheides) bis 15. September 1997 unterlassen, die im Bauauftrag genannte bewilligungswidrige Benützung aufzulassen und die ohne Bewilligung durchgeführten Abänderungen wieder herstellen zu lassen. Sie hätte dadurch je eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 1 und nach § 129 Abs. 10 BauO für Wien begangen.

In ihrer Rechtfertigung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie als Dritteleigentümerin keinen Einfluss auf die Handlungen der Mehrheitseigentümerin J. H. habe, mit der sie sich seit 1984 in Rechtsstreitigkeiten befinde. Sie sei nicht berechtigt, selbst irgendwelche Maßnahmen zu setzen. Es fehle ihr daher an einem Verschulden. Sie habe auch zur widmungswidrigen Benützung nichts beigetragen.

Die als Beschuldigte einvernommene J.H. gab an, sie hätte alles in ihrer Macht stehende getan, um eine nachträgliche Baubewilligung zu erreichen; die Beschwerdeführerin habe aber die Unterschriften unter die Baupläne verweigert.

Mit Bescheid vom 24. November 1997 wurde die Beschwerdeführerin der vorgeworfenen Taten schuldig erkannt; es wurden über sie gemäß § 135 Abs. 1 BauO für Wien Geldstrafen von je S 10.000,-- , insgesamt S 20.000,--, verhängt.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung stellte die Beschwerdeführerin abermals ein Verschulden in Abrede. Zum Beweis dafür, dass die baulichen Abänderungen nicht von ihr durchgeführt worden seien, berief sie sich auf die Einvernahme des Hausverwalters. Außerdem verwies sie auf den Akt 24 C 280/93v des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien; dort sei mit rechtskräftigem Beschluss der Antrag der H.J. abgewiesen worden, wonach die Beschwerdeführerin einen Antrag an die Baubehörde mitzufertigen gehabt hätte. Sie könne als Minderheitseigentümerin eine Benützung und Vermietung nicht verhindern, die von der Mehrheitseigentümerin veranlasst wurde, da die Vermietung ohne ihre Zustimmung im Rahmen der ordentlichen Verwaltung vorgenommen worden sei. Bekämpft wurde auch die Strafhöhe.

Die belangte Behörde schloss den oben genannten Akt des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien an (aus dem sich auf Grund einer Vernehmung der Beschwerdeführerin auch der eingangs geschilderte Sachverhalt aus dem Jahre 1984 oder 1985 ergibt).

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde (unter einer geringfügigen Modifikation bei der Tatbeschreibung) die Berufung als unbegründet ab; lediglich in der Straffrage wurde hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe der Berufung Folge gegeben. Auf Grund des Bauauftrages vom 11. Jänner 1990, der Beschwerdeführerin zugestellt am 1. Februar 1990, und des Umstandes, dass die dortigen Bauordnungswidrigkeiten nicht bestritten werden, sei von der Erfüllung der objektiven Tatbestandselemente auszugehen gewesen. Die Behebungspflicht nach § 129 Abs. 10 BauO für Wien treffe jeden Eigentümer, sohin auch jeden Miteigentümer, und bestehe diese unabhängig davon, ob der Eigentümer selbst oder ein Dritter den konsenswidrigen Zustand herbei geführt habe. Welche Maßnahmen ergriffen würden, um den bauordnungsgemäßen Zustand herzustellen, müsse dem Eigentümer überlassen werden, soferne nur diese Maßnahmen geeignet seien, zum gewünschten Erfolg zu führen. Jeder Miteigentümer sei dazu verpflichtet, den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen und es wäre an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, alles in ihren Kräften Stehende zu unternehmen, um die Vorschriftswidrigkeit so rasch wie möglich zu beseitigen. Dass die Beschwerdeführerin irgendwelche Maßnahmen in Richtung auf eine Beseitigung gerichtet hätte, sei aus dem Akt nicht erkennbar. Während des Tatzeitraumes sei kein nachträgliches Bauansuchen anhängig gewesen, sodass auch aus diesem Grunde die Beschwerdeführerin nicht straflos blieb. Vielmehr habe sie dadurch, dass sie entsprechende Unterlagen nicht mitunterfertigte, nicht zur Möglichkeit der Beseitigung der Konsenswidrigkeiten beigetragen. Da sie weder zur Beseitigung der Bauordnungswidrigkeiten beigetragen habe, noch ihre Zustimmung zur Erwirkung einer nachträglichen Baubewilligung erteilt habe, sei von der Verwirklichung der subjektiven Tatseite auszugehen.

Zur Strafhöhe führte die belangte Behörde aus, dass im Hinblick auf den Umfang der Bauführung der Unrechtsgehalt der Tat als hoch einzustufen sei und das öffentliche Interesse an der Vermietung von nur konsensgemäßen Räumlichkeiten in hohem Maße geschädigt sei. Auf Grund des überaus langen Tatzeitraumes von 7 Jahren sei eine Herabsetzung der Geldstrafe selbst unter Berücksichtigung der geringen monatlichen Pension und der bisherigen Unbescholtenheit nicht vertretbar.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Entscheidungszeitpunkt der Erstinstanz galt die Wiener Bauordnung in der Fassung LGBl. Nr. 42/1996; BO. Gemäß § 135 Abs. 1 BO sind Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes mit Geld bis zu S 300.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen zu bestrafen; vor Inkrafttreten der Novelle LGBl. Nr. 48/1992 am 1. Dezember 1992 betrug der Strafrahmen S 100.000,--.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage des Verschuldens der Beschwerdeführerin strittig; bekämpft wird auch die Strafhöhe. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass ein Verschulden nur in der rechtswidrigen Unterlassung der Beseitigung der konsenswidrigen Baulichkeiten und der widmungswidrigen Benützung liegen konnte, niemals aber in der Unterlassung der Mitwirkung an deren nachträglicher Genehmigung. Es ist daher für die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin belanglos, aus welchen Gründen es nicht zur Einreichung eines ordnungsgemäß belegten Bauansuchens gekommen ist, weil das Gesetz nur eine Verpflichtung zur Beseitigung von konsenslosen Ausführungen, nicht aber eine Verpflichtung zur nachträglichen Sanierung durch Einreichung eines Bauansuchens kennt.

Nach § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben und ist ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, zu beseitigen (auch die zu Beginn des Tatzeitraumes geltende Fassung LGBl. Nr. 18/1976 sah vor, dass der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen ist). Die in der Neufassung dieser Bestimmung ausdrücklich enthaltene Anordnung, dass Aufträge an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes zu richten sind, entsprach der schon zuvor bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (s. Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften1, 517).

§ 129 Abs. 10 BO alter wie neuer Fassung erfasst sowohl die Entfernung vorschriftswidriger Bauten als auch die Wiederherstellung des gesetzmäßigen bzw. bewilligungskonformen Zustandes (hg. Erkenntnis vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0014, m. w.N.). Da es sich hier um keine Bauführung allein innerhalb einer Wohnung oder Betriebseinheit handelte (§ 62 BO in der Fassung LGBl. Nr. 34/1992), spielt auch der Umstand keine Rolle, dass § 129 Abs. 10 BO erst seit der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 auf die anzeigepflichtige Bauführung Bedacht nimmt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO um ein Ungehorsamsdelikt handelt, bei welchem die Strafbehörde, wenn der objektive Tatbestand festgestellt ist, mit einer Verwaltungsstrafe vorzugehen hat, wenn der Täter nicht beweist, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei; der Eigentümer bleibt straffrei, wenn er beweist, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen (siehe beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 7. März 2000, Zl. 96/05/0107, und vom 29. August 2000, Zl. 2000/05/0110).

Im zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof betont, dass auch der Miteigentümer eines Hauses alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternehmen muss, um die Konsenswidrigkeit zu beseitigen.

Die bloße Berufung auf ihre zivilrechtliche Stellung als Minderheitseigentümerin befreit die Beschwerdeführerin von dieser Verpflichtung nicht. Abgesehen davon, dass sie in Anwendung des § 835 ABGB eine Entscheidung darüber hätte herbei führen können, ob einer von Mietern beabsichtigten, bewilligungsbedürftigen Bauführung in einer Wohnung hätte zugestimmt werden sollen (siehe den Nachweis bei Gamerith in Rummel I3, § 835 ABGB, Rz. 10), stünde jedenfalls das streitige Verfahren zur Abwehr von Rechtswidrigkeiten zur Verfügung, worunter auch das Begehren auf Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Veränderung der gemeinsamen Sache fällt (Gamerith a.a.O., Rz. 13). Aus dem Verwaltungsstrafverfahren ist nicht hervor gekommen, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich irgendwelche Bemühungen gesetzt hätte. Sie hat daher den Tatbestand des § 129 Abs. 10 BO auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Insoferne erwies sich die Beschwerde somit als unbegründet.

Nach § 129 Abs. 1 BO ist für die bewilligungsgemäße Benützung der Räume der Eigentümer (jeder Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage verantwortlich. Im Falle der Benützung der Räume durch einen anderen geht die Haftung auf diesen über, wenn er vom Eigentümer über die bewilligte Benützungsart in Kenntnis gesetzt worden ist.

Schon die Bauoberbehörde hat in ihrem Bescheid vom 4. Oktober 1990 darauf verwiesen, dass ein Sachverhalt, der eine Subsumtion unter den zweiten Satz dieser Bestimmung erlauben würde, nicht vorliegt; auch aus dem Verwaltungsstrafverfahren ist nichts in Richtung auf einen Haftungsübergang hervor gekommen, sodass von der Verantwortlichkeit der Miteigentümer nach § 129 Abs. 1 BO auszugehen ist.

Die Beschwerdeführerin wurde wegen der Nichteinhaltung der Bestimmung des § 129 Abs. 1 BO bestraft, weil sie es während des 7- jährigen Tatzeitraumes unterlassen habe, die bewilligungswidrige Benützung des bauordnungswidrig hergestellten Geschäftslokales aufzulassen. In den Fällen der konsenslosen und der konsenswidrigen Bauführung hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen, dass der Strafanspruch wegen einer Benützung ohne Benützungsbewilligung durch den Strafanspruch wegen der nichtbewilligten Bauführung konsumiert wird und die gesonderte Verfolgung der unbewilligten Benützung eines konsenslosen oder konsenswidrigen Gebäudes rechtswidrig ist. Es kommt daher nur mehr die Bestrafung wegen vorschriftswidriger Bauführung in Betracht (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften3, 649).

Allein dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannte und die Beschwerdeführerin gesondert wegen beider Übertretungen bestrafte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dies musste zu einer teilweisen Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Dezember 2001

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