VwGH 99/05/0111

VwGH99/05/011128.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Helga Stelzer in Baden, vertreten durch Dr. Hans Rabl, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 78-80, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. März 1999, Zl. RU1-V-98194/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Christian Brunner in Baden, Neumistergasse 32, 2. Bernhard Brunner in Baden, Neumistergasse 32,

3. Andrea Brunner in Baden, Prinz-Solms-Straße 20, 4. Stadtgemeinde Baden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §10 Z1;
BauTV NÖ 1997 §10 Z3 litb;
BauTV NÖ 1997 §4 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauRallg;
BauTV NÖ 1997 §10 Z1;
BauTV NÖ 1997 §10 Z3 litb;
BauTV NÖ 1997 §4 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 28. Juni 1998 haben die Erst- bis Drittmitbeteiligten als Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für den Umbau des "Verandadaches" über dem zweiten Stock des Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. .417 und 120/6, KG Leesdorf, beantragt. Das Gebäude ist unmittelbar an der Grundgrenze zur Beschwerdeführerin errichtet. Unmittelbar an der Grundgrenze zur Beschwerdeführerin liegt auch der so genannte Verandavorbau, der gegenüber der hofseitigen Gebäudefront um 3,35 m vorspringt und 3,35 m lang ist. In diesem Vorbau, der gemauert ist, sind in jedem Geschoß jeweils zwei dreiflügelige Fenster angebracht.

Das Flachdach mit Blecheindeckung soll entfernt und durch einen Estrich ersetzt werden. An der Grundgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin soll eine 1,53 m hohe Ornamentglaswand und hofseitig ein 1 m hohes Geländer errichtet werden. Die Terrasse soll durch eine Türe begehbar sein.

Bereits vor der mit Kundmachung vom 25. August 1998 für den 9. September 1998 anberaumten Bauverhandlung hat sich die Beschwerdeführerin gegen das Bauvorhaben ausgesprochen. Auch bei bestehender geschlossener Bebauungsweise sei der Bebauungsplan für Baulichkeiten sowie bei baulichen Veränderungen und Zubauten maßgeblich, und auch eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch ein geplantes Bauvorhaben sei zu beachten, durch das Bauvorhaben würden Interessen des Brandschutzes beeinträchtigt werden. Gemäß § 20 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung seien Dachöffnungen und Dachaufbauten mit traufenseitigen Brandwänden nur zulässig, wenn keine Gefahr einer Brandübertragung bestehe. Diese Voraussetzungen fehlten. Außenwände gälten als Brandwände, sie müssten gemäß den §§ 8 und 9 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung in der dort beschriebenen Ausführung und Höhe im gesamten Dachbereich des Hauses der Bauwerber an der Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin errichtet werden. Die Ornamentglaswand sei weder konstruktiv noch ausführungsgemäß als Brandschutzwand geeignet. Schließlich sei die vorgesehene Ableitung der Dach- und Niederschlagswässer von der geplanten, nicht eingedeckten Terrassenfläche in das "bestehende Abfallrohr" nach dem vorhersehbaren Wasserandrang völlig unzureichend und ungeeignet.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der der bautechnische Amtssachverständige ausgeführt hat, dass aus feuerpolizeilichen Gründen keine Bedenken gegen das Bauvorhaben bestehen, erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 17. September 1998 die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet abgewiesen, bzw. hinsichtlich der Beeinträchtigung des Ortsbildes als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine bloße Terrassenfläche weder ein Gebäude noch einen Raum darstelle, welcher mit einer Außenwand abzuschließen sei. Eine Anwendung der Brandschutzanforderungen an den Terrassenabschluss sei daher nicht begründet. Es seien lediglich die Vorschriften des § 76 Abs. 5 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung 1997 zu beachten, wonach die Vorschriften über die Ausbildung der Geländer oder Brüstungen anzuwenden seien. Die Ortsbildfragen stellten kein Anrainerrecht gemäß § 6 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 dar.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 16. Dezember 1998 keine Folge. Die dagegen erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 25. März 1999 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die viertmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist zunächst, ob die Errichtung einer Ornamentglaswand als seitlicher Abschluss der Terrasse an der Grenze der Liegenschaft der Beschwerdeführerin zulässig ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bautechnikverordnung 1997 (NÖ BTV 1997), LGBl. 8200/7-0, müssen brandbeständige Bauteile in ihren wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen; dies gilt nicht für brandbeständige Abschlüsse von Öffnungen.

Die §§ 8, 9 und 10 NÖ BTV 1997 lauten wie folgt:

"§ 8

Brandwiderstand von Wänden

(1) Außenwände, tragende Innenwände und Wohnungstrennwände müssen mindestens brandhemmend sein.

(2) Eine brandbeständige Ausführung ist jedoch erforderlich für Außenwände und tragende Innenwände von Kellerräumen.

(3) Für aussteifende Wände, tragende Pfeiler und Stützen sowie für deren Unterstützungsbauteile gelten die Abs. 1 und 2.

§ 9

Brandwände

(1) Brandwände müssen brandbeständig und so beschaffen sein, dass sie bei einem Brand ihre Standsicherheit nicht verlieren und die Ausbreitung von Feuer auf andere Gebäude, Gebäudeteile oder Nachbargrundstücke verhindern.

(2) Diese Anforderungen müssen auch in Verbindung mit anderen Bauteilen (z.B. Decken, Dachstuhl, Außenwandverkleidungen) erfüllt werden.

(3) Brandwände sind entweder mindestens 15 cm über Dach hochzuführen oder es ist, wenn es der Baustoff zulässt, der auf Brandwänden aufliegende Teil der Dacheindeckung hohlraumfrei in Mörtel zu verlegen.

§ 10

Außenwände als Brandwände

Außenwände sind als Brandwände und öffnungslos zu errichten

1. an einer Grundstücksgrenze, sofern nicht das angrenzende Grundstück als Verkehrsfläche, Parkanlage oder Grüngürtel gewidmet oder ein Gewässer (mindestens 5 m breit) ist;

  1. 2. gegen eine Reiche;
  2. 3. bei einem Abstand von weniger als 3 m, gerichtet gegen eine Grundstücksgrenze, wenn es die Sicherheit von Personen und Sachen auf Grund der zulässigen Bebauung auf dem Nachbargrundstück erfordert, es sei denn

    a) das angrenzende Grundstück ist als Verkehrsfläche, Parkanlage oder Grüngürtel gewidmet oder es ist ein Gewässer (mindestens 5 m breit) oder

    b) es handelt sich lediglich um Vorbauten und diese sind im Verhältnis zur Außenwand untergeordnet."

    Im Beschwerdeverfahren soll die gegenständliche Ornamentglaswand an der Grundstücksgrenze der Liegenschaft der Beschwerdeführerin errichtet werden. Hinweise dafür, dass das angrenzende Grundstück als Verkehrsfläche, Parkanlage oder Grüngürtel gewidmet oder ein Gewässer sei, liegen nicht vor, sodass die vorgesehene Wand gemäß § 10 Z. 1 NÖ BTV 1997 als Brandwand zu errichten ist. Ein Hinweis darauf, dass eine Brandwand nur dann zu errichten wäre, wenn sie eine raumbildende Anlage abschließt, kann weder der Bestimmung des § 10 NÖ BTV 1997 noch einer anderen Bestimmung dieser Verordnung entnommen werden. Gemäß § 9 Abs. 3 dieser Verordnung sind Brandwände 15 cm über Dach hochzuführen.

    Die Bestimmung des § 10 Z. 3 lit. b NÖ BTV 1997 kann nicht herangezogen werden, weil die vorgesehene Wand nicht auf einem Bau errichtet werden soll, der im Verhältnis zur Außenwand untergeordnet ist, weist doch der sogenannte Verandavorbau Ausmaße von ca. 3,35 m x 3,35 m auf; er ist daher im Verhältnis zur gesamten Außenwand im Hofbereich von ca. 10 m nicht als untergeordnet zu qualifizieren. Im Übrigen entspricht der sogenannte Verandavorbau wegen seiner Tiefe auch nicht der Definition des § 52 NÖ BO 1996.

    Da die belangte Behörde nicht erkannte, dass die vorgesehene 153 cm hohe Ornamentglaswand an der Grundstücksgrenze nicht zulässig ist, der Beschwerdeführerin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Brandschutzbestimmungen zukommt (vgl. § 6 Abs. 2 Z. 1 der NÖ Bauordnung 1996) und die Beschwerdeführerin die Verletzung dieses Rechtes rechtzeitig geltend gemacht hat, belastete die belangte Behörde aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

    Im Spruch des Bescheides des Gemeinderates ist ausgeführt, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde in seiner nicht öffentlichen Sitzung vom 15. Dezember 1998 über die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung entschieden hat. Bei der Unterfertigung des Bescheides des Gemeinderates durch den Bürgermeister, der die vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse durchzuführen hat (siehe § 38 Abs. 1 Z. 1 der NÖ Gemeindeordnung), handelt es sich um einen Intimationsbescheid, dem ein Gemeinderatsbeschluss vom 15. Dezember 1998 zugrunde liegt. Die Intimierung eines namens einer Kollegialbehörde ausgefertigten Bescheides ist nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zulässig (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1971, Slg. 6468, sowie das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 94/05/0226, u.v.a.).

    Wenn die Beschwerdeführerin behauptet, die Annahme, dass dem vom Bürgermeister gefertigten Berufungsbescheid ein seinen Inhalt voll deckender Beschluss des Gemeinderates zugrunde liege, sei eine bloße Annahme der belangten Behörde, über welche der Bescheid keine nachvollziehbaren Tatsachenfeststellungen enthalte, so ist darauf hinzuweisen, dass im vorgelegten Verwaltungsakt das Sitzungsprotokoll der mitbeteiligten Stadtgemeinde über die Sitzung vom 15. Dezember 1998 hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 17 (gegenständliche Berufung) einliegt. Demnach lag anlässlich der Gemeinderatssitzung vom 15. Dezember 1998 der Bescheidentwurf mit Begründung vor. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschluss des Gemeinderates kein begründeter Bescheidentwurf oder ein anderer als der zur Ausfertigung gelangte Bescheid zugrunde lag.

    Da die belangte Behörde wie schon erwähnt, nicht erkannte, dass auf einer Terrasse über dem zweiten Stock an der Grundstücksgrenze eine ca. 1,5 m hohe Ornamentglaswand als Abschluss der Terrasse unzulässig ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des BGBl. Nr. 416/1994.

    Wien, am 28. September 1999

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