Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid vom 11. Juni 1999 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. März 1998 gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, mit dem zuletzt genannten Bescheid sei der Beschwerdeführerin eine näher bezeichnete Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen worden. In der Folge habe die Beschwerdeführerin den Antrag gestellt, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen diesen Bescheid zu bewilligen. Gleichzeitig habe sie die versäumte Berufung erhoben. Den Wiedereinsetzungsantrag habe sie damit begründet, dass der Auftrag zur Ausführung einer Berufung gegen den genannten Bescheid bei ihrem Rechtsanwalt am 3. April 1998 eingelangt und von dessen Kanzleileiterin übernommen worden sei. Die Kanzlei sei in der darauf folgenden Karwoche geschlossen gewesen. Am 14. April 1998 habe der Anwalt versucht, in der EDV-Anlage seiner Kanzlei ein neues Textverarbeitungsprogramm zu installieren, wobei es zu einem Systemabsturz gekommen sei, der bis dato nicht habe behoben werden können. Dies habe einen Zusammenbruch der Kanzleiorganisation zur Folge gehabt, wodurch die fristgerechte Ausführung der Berufung unterblieben sei, da weder der Anwalt selbst noch seine Kanzleileiterin auf die Einhaltung der ordnungsgemäß vorgemerkten Frist geachtet hätten. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. April 1998 sei die von der Beschwerdeführerin beantragte Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgewiesen worden, die genannten Umstände stellten kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, das die Einhaltung einer Frist unmöglich mache, da bei ordnungsgemäßer (manueller) Kontrolle der Frist der von der Rechtsanwaltskanzlei zu bearbeitenden Geschäftsfälle die rechtzeitige Einbringung der Berufung trotz Absturz der EDV-Anlage möglich gewesen wäre. Es obliege der Sorgfalt eines Rechtsanwaltes, auch für unvorhergesehene Ausfälle der EDV-Anlage Vorsorge zu treffen und zumindest die nicht erstreckbaren behördlichen Fristen in Evidenz zu halten. In Erwiderung dessen habe die Beschwerdeführerin in ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vorgebracht, die Kanzleileiterin habe auf Grund der Störung der EDV-Anlage, wodurch alle bisher automatisiert ablaufenden Vorgänge vorübergehend händisch erledigt hätten werden müssen, die im Fristenbuch vorgemerkte Berufungsfrist übersehen, sodass die Berufung mit zweitägiger Verspätung ausgeführt worden sei. Die Erstbehörde habe übersehen, dass die für die Wiedereinsetzung geltend gemachten Gründe nicht allein auf den durch Systemabsturz bedingten Zusammenbruch der Kanzleiorganisation abzielten, sondern auf das hiedurch bedingte Versehen der Kanzleileiterin, die auf Grund der damit verbundenen Arbeitsüberlastung nicht auf die Einhaltung des von ihr ordnungsgemäß vorgemerkten Termines geachtet habe. Auf dieses Vorbringen erwiderte der Bundesminister, der Absturz einer EDV-Anlage könne für sich allein kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG bilden, da, wie bereits die Erstbehörde zutreffend ausgeführt habe, es der Sorgfalt eines Rechtsanwaltes unterliege, auch für unvorhergesehene Ausfälle der EDV-Anlage Vorsorge zu treffen und zumindest die nicht erstreckbaren behördlichen Fristen in Evidenz zu halten. Das erst in der Berufung erstattete Vorbringen, die für die Wiedereinsetzung geltend gemachten Gründe zielten nicht allein auf den durch Systemabsturz bedingten Zusammenbruch der Kanzleiorganisation ab, sondern auf das hiedurch bedingte Versehen der Kanzleileiterin, die wegen der damit verbundenen Arbeitsüberlastung nicht auf die Einhaltung des von ihr ordnungsgemäß vorgemerkten Termines geachtet habe, sei nicht geeignet, den Wiedereinsetzungsantrag zu begründen. Denn die Behauptung beruflicher Überlastung reiche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hin. Bei ordnungsgemäßer Kontrolle der im Fristenbuch des Rechtsanwaltes vorgemerkten Berufungsfrist wäre vielmehr die rechtzeitige Einbringung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. März 1998 durchaus möglich gewesen. Es lägen daher die Voraussetzungen für die von der Beschwerdeführerin beantragte Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Berufung gegen den in Rede stehenden Bescheid nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes rügt sie unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens, dass die belangte Behörde die in der Berufung vom 17. April 1998 angebotenen Auskunftspersonen nicht vernommen habe. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt sie vor, die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe, nämlich ein Zusammenbruch der Kanzleiorganisation des Rechtsanwaltes als Folge des Systemabsturzes der EDV-Anlage und die hiedurch bedingte Arbeitsüberlastung der Kanzleileiterin, wodurch diese nicht auf die Einhaltung des von ihr vorgemerkten Termines geachtet habe, seien nicht voneinander getrennt zu betrachten. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, bei ordnungsgemäßer Kontrolle des Fristenbuches wäre eine rechtzeitige Einbringung der Berufung durchaus möglich gewesen, sei wirklichkeitsfremd. Die Organisation einer Anwaltskanzlei sei auf Grund des vermehrten Wettbewerbs bei gleichzeitig steigenden Personalkosten heute auf die von der elektronischen Datenverarbeitung angebotenen Organisationshilfen angewiesen, sodass bei einem Versagen des gesamten Systems die anfallenden Arbeiten auch unter großer Anstrengung händisch nicht zu bewältigen seien. Dies gelte insbesondere auch für das Termin- und Fristenwesen sowie für Schreib- und Buchhaltungsarbeiten. Bei lebensnaher Betrachtung sei daher der vorliegende Sachverhalt nicht als bloße Arbeitsüberlastung, sondern als ein weit reichendes Schadensereignis zu werten, vergleichbar einem Brand- oder Wasserschaden oder einem Elementarereignis, wodurch ein kurzfristiger Stillstand des Kanzleibetriebes ausgelöst werde, dem auch durch sorgfältige Fristenkontrolle nicht abgeholfen werden könne. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass im gegenständlichen Fall die Berufung handschriftlich ausgeführt und die Frist nur geringfügig, nämlich nur um zwei Tage, überschritten worden sei. Die Fristversäumnis gründe sich daher auf ein für die Wiedereinsetzung unschädliches Versehen minderen Grades der langjährigen Kanzleileiterin des Parteienvertreters, der auf die Verlässlichkeit seiner Angestellten vertrauen habe dürfen.
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargestellt hat, ergibt sich aus dieser Gesetzesstelle, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen darüber zu enthalten hat, aus welchem Grund der Antragsteller einerseits den Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt und andererseits den Wiedereinsetzungsantrag als rechtzeitig ansieht. In Anbetracht der in § 71 Abs. 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1994, Zl. 94/03/0096, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei dieser Rechtslage ist zur Beurteilung der Berechtigung des in Rede stehenden Wiedereinsetzungsantrages in sachverhaltsmäßiger Hinsicht allein vom Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem an die Behörde erster Instanz gerichteten Antrag vom 17. April 1998 auszugehen. Darin wird die Versäumung der Frist allein damit begründet, dass sowohl der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin als auch dessen Kanzleileiterin als Folge des Absturzes des EDV-Systems nicht "auf die Einhaltung der ordnungsgemäß vorgemerkten Frist achteten". Dieses Vorbringen allein ist aber schon deshalb nicht geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG darzustellen, weil es jeglicher Ausführungen über die Umstände entbehrt, die eine Beurteilung der Frage zulassen, ob die Folgen des Systemabsturzes die Missachtung der Berufungsfrist in einer solchen Weise indizierten, dass diese Missachtung als jedenfalls noch im Rahmen des Grades eines minderen Verschuldens unterlaufen angesehen werden kann. Dazu hätte es einer durch konkretes Sachverhaltsvorbringen gestützten Darstellung einerseits des Grades bedurft, in dem die Durchführung der in der fraglichen Anwaltskanzlei anfallenden Arbeiten von der Funktionstüchtigkeit des EDV-Systems abhängig ist und andererseits jener durch den Systemabsturz vordringlich notwendig gewordenen Tätigkeiten des Rechtsanwaltes und seiner Kanzleileiterin, deren Vornahme die Missachtung der Berufungsfrist zumindest im Rahmen des Grades eines minderen Verschuldens als gerechtfertigt erscheinen lassen. Denn dass etwa die Einhaltung der Berufungsfrist deshalb unmöglich geworden wäre, weil deren Ende wegen des Versagens des EDV-Systems nicht habe festgestellt werden können, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet. Dass dies auch tatsächlich nicht zutraf, ergibt sich im Übrigen aus dem im Zuge des weiteren Verwaltungsverfahrens erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die fragliche Frist auch in einem von der EDV-Anlage offensichtlich unabhängigen Fristenbuch vorgemerkt war.
Aus diesen Gründen vermag der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis in der Rechtsansicht der belangten Behörde, es seien im vorliegenden Fall die Tatbestandsvoraussetzungen des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht gegeben, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
War aber solcherart schon mit dem Vorbringen im zu Grunde liegenden Antrag ein geeigneter Wiedereinsetzungsgrund nicht zur Darstellung gebracht worden, bildet es jedenfalls keinen der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangel, wenn sie Ermittlungen zur Feststellung des tatsächlich gegebenen Sachverhaltes unterließ.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. November 1999
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