VwGH 98/21/0167

VwGH98/21/01673.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der I, zuletzt in Dornbirn, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. März 1998, Zl. Fr-4250a-47/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

61995CJ0351 Kadiman VORAB;
61998CJ0065 Eyüp VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
EMRK Art6 Abs1;
61995CJ0351 Kadiman VORAB;
61998CJ0065 Eyüp VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
EURallg;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
EMRK Art6 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von sechs Jahren erlassen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen verheiratet und im März 1994 "im Rahmen der Familienzusammenführung" nach Österreich eingereist. Etwa acht Monate nach ihrer Einreise (nach der weiteren Bescheidbegründung: am 16. Oktober 1994) sei die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann aus der Wohnung "geworfen" worden und habe dann bis 2. Dezember 1994 bei einem Onkel in Deutschland gewohnt. Erst seit dem 28. Juli 1997 lebe die Beschwerdeführerin wieder in ehelicher Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten. Während ihres Aufenthaltes in Österreich sei die Beschwerdeführerin nicht in den (regulären) Arbeitsmarkt integriert gewesen und durch Organe der Arbeitsinspektorate zweimal bei einer Beschäftigung betreten worden, für die sie über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfügt habe. So sei die Beschwerdeführerin am 22. Mai 1997 beim Ausschneiden von Stickereien, wofür sie einen Stundenlohn von S 70,-- erhalten habe, betreten worden; ihr damaliger Arbeitgeber sei deshalb wegen Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz rechtskräftig bestraft worden. Am 5. Februar 1998 habe die Beschwerdeführerin Abwascharbeiten in einem näher genannten Gasthaus durchgeführt und sei von den kontrollierenden Organen des Arbeitsinspektorates zur Anzeige gebracht worden. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin als Zeugin vor dem Bezirksgericht Dornbirn ausgesagt, bereits im September 1996 als Heimarbeiterin für S 3.000,-- ausgeholfen zu haben.

Da die Beschwerdeführerin vom 16. Oktober 1994 bis zum 28. Juli 1997 nicht in Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten gelebt habe, sei nicht vom Bestehen einer Berechtigung nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/80) auszugehen. Die Beschwerdeführerin sei nicht nur wiederholt durch den Arbeitsinspektor bei einer "Schwarzarbeit" betreten worden, sondern habe eine solche Beschäftigung auch hinsichtlich des Jahres 1996 eingestanden. Daher seien sowohl der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG erfüllt als auch die Gefährdungsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Angesichts des mehrjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und der zwischenzeitigen Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehegatten sei von einem gewissen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch das Aufenthaltsverbot auszugehen. Da aber die Verrichtung von "Schwarzarbeit" allen Anstrengungen zuwiderlaufe, die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt zu entlasten und überdies zu einem Verlust von Steuereinnahmen des Staates und zur Verzerrung der Wettbewerbssituation der Betriebe führe, sei mit dem Eingehen eines Beschäftigungsverhältnisses ohne entsprechende Arbeitsbewilligung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ruhe und Ordnung sowie für das wirtschaftliche Wohl des Landes verbunden. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen die Beschwerdeführerin sei daher im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Den genannten öffentlichen Interessen an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme stehe zwar einerseits der mehrjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich, andererseits aber auch die Tatsache gegenüber, dass die Beschwerdeführerin erst seit dem 28. Juli 1997 wieder im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten lebe und in Österreich nicht in den (rechtmäßigen) Arbeitsprozess integriert sei. Die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich seien daher nicht schwerer zu gewichten als die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2).

Gemäß § 36 Abs. 2 Z 8 FrG in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 69/2002 gilt als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1, wenn ein Fremder von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen.

Die Beschwerdeführerin hat, was die Abwascharbeiten vom 5. Februar 1998 betrifft, im Verwaltungsverfahren vorgebracht, sie habe sich dabei im Gastgewerbeunternehmen ihres Schwiegervaters aufgehalten und die Küche zu privaten Zwecken benützt. Soweit die Rechtswidrigkeit dieser Tätigkeit auch in der Beschwerde bestritten wird, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf, weil es auf diese Tätigkeit - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - im vorliegenden Fall nicht ankommt. Was die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Tätigkeit vom 22. Mai 1997 betrifft, so seien nach den Beschwerdeausführungen zwar die Voraussetzungen des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG "formell erfüllt", doch werde diese Bestimmung im vorliegenden Fall durch Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 verdrängt. Die belangte Behörde gehe gegenständlich zu Unrecht vom Fehlen der Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung aus, weil sie verkenne, dass die zeitweilige Trennung der Beschwerdeführerin von ihrem Ehegatten während des Zeitraumes 16. Oktober 1994 bis 28. Juli 1997 den in Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 genannten Zeitraum nicht unterbreche, zumal die Eheleute in dieser Zeit "nach wie vor in Vorarlberg ordnungsgemäß wohnten". Zur Tätigkeit im September 1996 meinte die Beschwerdeführerin, sie sei dabei nicht, wie durch § 36 Abs. 2 Z 8 FrG gefordert, durch ein zuständiges Organ betreten worden.

Im Beschwerdefall ist zunächst zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin aus Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 Rechte ableiten kann (Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 6 ARB Nr. 1/80 finden sich gegenständlich nicht).

Art. 7 Satz 1 ARB Nr. 1/80 lautet:

"Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,

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