VwGH 98/21/0054

VwGH98/21/005427.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Robl,

Dr. Rosenmayr, Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des O H E in Wien, geboren am 29. Juli 1970, vertreten durch Dr. Ilse Heimerl-Wagner, Rechtsanwältin in 1060 Wien,

Mariahilfer Straße 103/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. Oktober 1997, Zl. Fr 2092/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §8;
AsylG 1991 §9;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
AsylG 1991 §8;
AsylG 1991 §9;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer am 13. April 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle in einem Lkw versteckt nach Österreich eingereist sei und am 14. April 1997 einen Asylantrag gestellt habe. Der Beschwerdeführer verfüge weder über einen Reisepaß noch sei ihm ein Sichtvermerk oder eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer die "üblichen Schlepperrouten" über Ungarn, Slowakei, Slowenien oder Tschechien benützt habe. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 komme dem Beschwerdeführer ungeachtet seiner Asylantragstellung nicht zu. Der Beschwerdeführer habe vor seiner Einreise nach Österreich in den angeführen Staaten, die alle Mitgliedstaaten des Europarates seien und die EMRK sowie die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hätten, Sicherheit vor einer allfälligen Verfolgung finden können. Selbst Ungarn, welches die Genfer Flüchtlingskonvention nur mit Vorbehalt ratifiziert habe, biete Flüchtlingen insoferne Schutz, als diese beim UNHCR den Asylantrag stellen und aufgrund einer verbindlichen Vereinbarung zwischen dem UNHCR und der ungarischen Regierung eine Aufenthaltsberechtigung erlangen können. Da eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nur jenen Fremden zukomme, die entweder direkt in das Bundesgebiet eingereist seien oder in einem Transitland vor der Einreise vor Verfolgung nicht sicher gewesen seien, komme dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 iVm § 6 Asylgesetz 1991 nicht zu.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Aufgrund seines erst kurzen Aufenthaltes habe er auch keine besonderen privaten Bindungen aufbauen können. Demgemäß sei mit der verfügten Ausweisung ein relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben nicht verbunden, sodaß § 19 FrG auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden sei.

Aber selbst wenn ein relevanter Eingriff anzunehmen wäre, stünde § 19 FrG der Ausweisung nicht entgegen. Die Rechtsordnung messe den fremdenrechtlichen Bestimmungen ein derartiges Gewicht bei, daß selbst bei einem einmaligen Verstoß gegen diese Normen die Verletzung eines erheblichen öffentlichen Interesses vorliege.

Überdies könne der Beschwerdeführer die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen. Darin liege ebenfalls eine Gefährdung von öffentlichen Interessen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Versorgung im Rahmen der Bundesbetreuung genüge nicht zum Nachweis seiner Unterhaltsmittel. Von mittellosen Personen gehe die Gefahr aus, daß sie sich ihren Unterhalt durch "Schwarzarbeit" oder sonstige "kriminellen Machenschaften verschaffen werden".

Die Behörde erster Instanz habe in Anbetracht dieser Umstände die Ausweisung auf § 17 Abs. 2 FrG gestützt. Da der Beschwerdeführer die fremdenrechtlichen Bestimmungen jedoch "im Zuge (seiner) Asylantragstellung" mißachtet habe und er sich "in Bundesbetreuung" befinde, sei allerdings "die sofortige Ausreise nicht im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich gewesen". Deshalb werde die Ausweisung auf § 17 Abs. 1 FrG gestützt.

Im übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt, daß die Ausweisung keine Strafe, sondern eine administrativ-rechtliche Maßnahme darstelle. Mit der Ausweisung sei auch nicht zwingend die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Heimatland verbunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus dem vorstehenden Sachverhalt folgt zunächst, daß ein Fall des Außerkrafttretens des angefochtenen Bescheides mit 1. Jänner 1998 im Sinne des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, nicht vorliegt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde treffe eine amtswegige Ermittlungspflicht. Sie habe abzuwägen und zu begründen, warum das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen des Fremden überwiege. Sie habe zu untersuchen, ob nach dem Gewicht der maßgeblichen öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. auch einer gemäß § 8 Asylgesetz 1991 befristeten Aufenthaltsberechtigung schwerer wögen als die Ausweisung auf die Lebenssituation und die Zukunftsprognose des Fremden. Die belangte Behörde habe keine Ermittlungen zum Asylverfahren getätigt und nehme nicht darauf Bezug, daß dieses noch nicht abgeschlossen sei. Die belangte Behörde hätte abwägen müssen, ob nicht schon auf Grund des anhängigen Asylverfahrens eine Abschiebung geradezu denkunmöglich erscheine. Die Abschiebung führe das laufende Asylverfahren "ad absurdum". Die belangte Behörde habe unterlassen festzustellen, daß der Beschwerdeführer fristgerecht einen begründeten Asylantrag gestellt habe.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Ein behaupteter Verfahrensmangel kann nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn bei Vermeidung des behaupeten Verfahrensmangels eine für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung möglich wäre. Dem diesbezüglichen Vorbringen fehlt jedoch diese rechtliche Relevanz. Der Beschwerdeführer übersieht, daß gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Bestimmungen des § 17 FrG auf ihn anwendbar sind, wenn ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Die fristgerechte Stellung eines Asylantrages für sich allein konnte dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß er über einen Drittstaat unter Zuhilfenahme eines Schleppers in das Bundesgebiet eingereist sei und ihm weder ein Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, daß ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 erteilt worden sei.

Er wendet sich mit keinem Wort gegen die ausdrücklich zum Ausdruck gebrachte Auffassung im bekämpften Bescheid, wonach der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise nach Österreich Sicherheit vor einer allfälligen Verfolgung in seinem Heimatstaat habe finden können. Nach dem Beschwerdevorbringen beziehen sich seine Behauptungen hinsichtlich einer Bedrohung im Sinne des § 37 FrG ausschließlich auf seinen Heimatstaat, nicht aber auf die von der Behörde angenommenen Drittstaaten, die der Beschwerdeführer auf der von ihm benützten "Schlepperroute" durchquert habe. Nach dem Beschwerdevorbringen und dem Bescheidinhalt liegen somit keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß der Beschwerdeführer in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen wäre. Demgemäß kann nicht angenommen werden, daß er gemäß § 37 FrG wegen des Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem er direkt eingereist ist, zurückgewiesen hätte werden dürfen, und ihm deshalb die Einreise gestattet worden oder zu gestatten gewesen wäre (§ 6 Abs. 2 zweiter Fall des Asylgesetzes 1991; vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0701). Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Asylgesetz 1991 kommt nur solchen Fremden zu, welchen diese durch behördlichen Bescheid zuerkannt ist. Der Beschwerdeführer behauptet jedoch nicht, daß ihm eine derartige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden wäre. Der fristgerechte Asylantrag konnte daher dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verschaffen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1996, Zl. 96/21/0599).

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er werde in seinem Heimatstaat Iran verfolgt und sei dort der Gefahr der Folter ausgesetzt, ist zu entgegnen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes mit einer Ausweisung nicht (auch) darüber abesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/21/0839). Den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, daß der Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären Bindungen verfüge und angesichts des erst kurzen Aufenthaltes von etwa sechs Monaten keine nennenswerten privaten Interessen habe aufbauen können, hält die Beschwerde konkret nichts entgegen. Damit ist die Auffassung der belangten Behörde, mit der Ausweisung sei kein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG gegeben, unbedenklich. Bei Fehlen eines mit der Ausweisung verbundenen Eingriffes in das Privat- oder Familienleben ist es entbehrlich zu prüfen, ob die Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK dringend geboten sei.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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