VwGH 98/19/0278

VwGH98/19/027823.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der am 8. September 1980 geborenen A J, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1998, Zl. 308.982/2-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §8 Abs5;
FrG 1997 §8 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. April 1996 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege der österreichischen Botschaft Pressburg die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zum Zwecke der Familiengemeinschaft mit ihren "Zieheltern". Als besonders zu berücksichtigende Gründe für die Familienzusammenführung wird angegeben: "Möchte bei meinem Verlobten in Österreich leben und ihn heiraten". Als gesicherte Unterkunft in Österreich wird eine näher bezeichnete Anschrift in Wien 5 angegeben, die Gesamtnutzfläche der Unterkunft mit 47,38 m2, die Anzahl der diese Unterkunft (in der Folge) mitbewohnenden Personen mit drei. Im Antrag war u.a. ein am 20. Oktober 1986 zwischen dem Hauseigentümer und V. J. "als Untermieter" auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag betreffend die angeführte Wohnung in Wien 5 angeschlossen. Laut der weiters beigelegten "Bestätigung" des Hauseigentümers vom 24. September 1996 wurde für diese Wohnung mit V. J. ein "Hauptmietvertrag" abgeschlossen. In einer an die erstinstanzliche Behörde adressierten "Wohnbestätigung " vom 28. März 1996 wird von

V. J. bestätigt, dass die Beschwerdeführerin "für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung" unentgeltlich bei ihm wohnen dürfe. Unter der Rubrik "Rechtsverhältnis" wurde "Hauptmiete" und "Familienangehöriger" angekreuzt. Weiters wurde eine Verpflichtungserklärung der N. J. vorgelegt, derzufolge diese die Beschwerdeführerin einlade und sich verpflichte, (u.a.) für deren Unterhalt und Unterkunft aufzukommen. Als Wohnadresse der Verpflichterin scheint die im Antrag angeführte Unterkunft in Wien 5 auf.

Am 25. August 1997 langte bei der erstinstanzlichen Behörde ein weiterer, von der Beschwerdeführerin im Wege der österreichischen Botschaft Budapest eingebrachter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Als Aufenthaltszweck wird Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrem mazedonischen Ehegatten angegeben. Als gesicherte Unterkunft in Österreich wird wiederum die Wohnung in Wien 5 angegeben, ebenso wurden wieder der Mietvertrag und die Bestätigung der Hausinhaberin vorgelegt. Des Weiteren war eine Verpflichtungserklärung des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 13. August 1997 angeschlossen, derzufolge sich dieser verpflichtete, für den gesamten Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin so lange uneingeschränkt aufzukommen, bis sie dazu aus eigenem Einkommen in der Lage seien werde. Das Einkommen des Verpflichters wurde mit S 12.272,-- monatlich angegeben und entsprechend belegt.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 19. März 1998 diese Anträge mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft gemäß § 8 Abs. 5 iVm § 12 Abs. 1 FrG 1997 ab. Die antragsgegenständliche Unterkunft in Wien 5 bestehe laut vorgelegtem Mietvertrag aus zwei Zimmern und weise eine Gesamtnutzfläche von 47,38 m2 auf. Da sich bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung drei Personen in dieser Wohnung aufgehalten hätten, sei die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass hier keine Ortsüblichkeit der Unterkunft vorliege, da auch weiters sämtliche Einrichtungen einer zeitgemäßen Badegelegenheit aus dem Mietvertrag gestrichen worden seien und die Wohnung der Ausstattungskategorie D entspreche.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und brachte vor, es sei richtig, dass die Wohnung ca. 48 m2 aufweise. In dieser Wohnung lebe der Ehegatte der Beschwerdeführerin mit seinen Eltern bereits seit nahezu 20 Jahren. Die Wohnung sei adaptiert worden, es sei eine Gaskonvektorheizung eingeleitet und eine Dusche in der Küche installiert worden. Die Wohnung habe eine große Wohnküche und zwei relativ große Zimmer, wobei das eine das Wohn/Schlafzimmer der Eltern des Ehegatten der Beschwerdeführerin, das andere Zimmer jenes für die Beschwerdeführerin und ihren Gatten sein solle. Es könne keine Rede davon sein, dass die Wohnung keine ortsübliche Unterkunft sei. Zur Wohnung gehöre ein am Gang befindliches WC, welches aber ausschließlich zu dieser Wohnung gehöre.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß §§ 8 Abs. 5, 10 Abs. 2 Z. 2 und 12 Abs. 1 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, für die Beschwerdeführerin als Gattin eines in Österreich "legal" aufhältigen Fremden sei dieser als Bezugsperson im Sinne des FrG 1997 anzusehen, von welchem sie (unter Umständen auch) Rechte ableiten könne (bzw. müsste sie bestimmte Rechte, wie z.B. den Nachweis einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft mit Rechtsanspruch nicht selbst erbringen, sondern könne sie sich in einem solchen Fall auf ihre Bezugsperson berufen). Da ihr Gatte jedoch keine Wohnung bzw. keine Unterkunft mit Rechtsanspruch vorweisen könne und die Beschwerdeführerin selbst diese unabdingbare Prämisse auch nicht erbringe, habe sie für die Gültigkeitsdauer einer eventuell erteilten Niederlassungsbewilligung keine gesicherte mit einem Rechtsanspruch versehene Unterkunft. Die von der Beschwerdeführerin (bzw. ihrem Gatten) angegebene Unterkunft gehöre ihrem Schwiegervater bzw. laute der Mietvertrag über dieses Wohnobjekt auf den Namen eines Dritten (und nicht auf den Namen der Beschwerdeführerin bzw. ihres Gatten). Es bestehe daher die Möglichkeit, dass die Beschwerdeführerin - einmal in Österreich aufhältig - unerwartet ohne Wohn- und Schlafmöglichkeit sei und die öffentliche Hand sich ihrer anzunehmen habe. Da § 8 Abs. 5 FrG zwingend auf den Nachweis eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft abstelle und die Beschwerdeführerin diesen Rechtsanspruch nicht realisiere, dürfe ihr eine Niederlassungsbewilligung nicht erteilt werden. Weiters könnte ihr Aufenthalt in Österreich zu einer erheblichen Belastung einer Gebietskörperschaft führen, stünde sie plötzlich ohne Unterkunft dar.

Nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen führte die belangte Behörde weiters aus, zu den persönlichen, familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, dass sie am 20. Juli 1997 ihren in Österreich lebenden Gatten geehelicht habe, aber bis dato noch keinen Aufenthaltstitel für Österreich gehabt habe. Ihr Gatte lebe in der Wohnung einer dritten Person (seines Vaters) und könne keinen Rechtsanspruch auf diese Unterkunft für sich in Anspruch nehmen. Ohne darauf nun näher eingehen zu wollen, stelle die belangte Behörde aber weiters fest, dass eine Wohnung der Kategorie D mit einer Nutzfläche von 47,38 m2 (bestehend aus zwei Zimmern und einer Küche) für zwei Ehepaare nicht als eine ortsübliche Unterkunft anzusehen sei. Ein von den Grundrechten (bzw. einfach gesetzlichen Normen) abgeleiteter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung - welche höher zu bewerten seien als die Nichterfüllung der erforderlichen fremdenrechtlichen Voraussetzungen - existiere nicht und könne daher im Fall der Beschwerdeführerin auch nicht berücksichtigt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 8 Abs. 5 und 12 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 lauten:

"§ 8.

...

(5) Für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels bedarf es des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden, der sich hier niederlassen will. Dieser Nachweis ist auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich; er gilt für in Österreich geborene Kinder als erbracht, wenn der Familie die vor der Geburt bewohnte Unterkunft weiterhin zur Verfügung steht.

...

§ 12. (1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist außer in den Fällen des § 10 Abs. 4 zu versagen, wenn Fremde, die hiezu gemäß § 8 Abs. 5 verpflichtet sind, keinen Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nachweisen."

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die ursprünglich jeweils als Antrag auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebrachten Anträge der Beschwerdeführerin nunmehr als solche auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten waren.

Strittig ist im vorliegenden Fall aber die Frage, ob die Beschwerdeführerin unter Vorlage des auf ihren Schwiegervater lautenden Mietvertrages einen Rechtsanspruch auf eine ihr zur Verfügung stehende Unterkunft nachgewiesen hat und ob diese Unterkunft eine für Inländer ortsübliche Unterkunft im Sinn des § 8 Abs. 5 FrG darstellt oder nicht.

Die Beschwerde bringt (u.a.) vor, die Beschwerdeführerin habe "auf Grund der bestehenden Ehe, der daraus resultierenden Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber der Beschwerdeführerin" in Verbindung mit dem vorgelegten (Unter)Mietvertrag den "Nachweis der Rechtsansprüchlichkeit" erbracht.

Zunächst ist vorauszuschicken, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Mai 2000, Zl. 99/19/0010, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zum Begriff der Ortsüblichkeit einer Unterkunft iSd § 8 Abs. 5 FrG 1997 ausgeführt hat, dass eine derartige Unterkunft dann vorliegt, wenn Inländer mit jeweils vergleichbarer familiärer Situation (Anzahl der Familienmitglieder, Alter etc.) in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen wie der Bewilligungswerber.

Die nicht näher begründete Feststellung der belangten Behörde, dass eine Wohnung der Kategorie D mit einer Nutzfläche von 47,38 m2, bestehend aus zwei Zimmern und einer Küche, für zwei Ehepaare nicht als eine ortsübliche Unterkunft anzusehen sei, ist daher nicht geeignet, als Grundlage für die Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnverhältnisse im oben aufgezeigten Sinn herangezogen zu werden.

Zu der erstmals im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, die Beschwerdeführerin "realisiere" nicht den Rechtsanspruch auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft, auf dessen Nachweis § 8 Abs. 5 FrG zwingend abstelle, bringt die Beschwerde vor, die Beschwerdeführerin hätte bei Einräumung des Parteiengehörs den zwischen ihrem Ehemann und seinem Vater abgeschlossenen Untermietvertrag über die in Frage stehende Wohnung vorgelegt.

Mit diesem auf Tatsachenebene nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden Vorbringen zeigt die Beschwerde in tauglicher Weise den der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehler auf, verschafft doch ein - zulässiger - Untermietvertrag dem Untermieter einen Rechtsanspruch auf die in Rede stehende Unterkunft auch im Sinn des § 8 Abs. 5 erster Satz FrG 1997 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2000, Zl. 99/19/0046, mwH). Selbst wenn die belangte Behörde nach Einsichtnahme in den besagten Vertrag und Durchführung allfälliger Erhebungen zur Feststellung gelangen sollte, dass die zwischen dem Ehemann der Beschwerdeführerin und seinem Vater abgeschlossene Vereinbarung keinen Untermietvertrag darstellte (zu den hiefür maßgeblichen Kriterien vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 5. Mai 2000), könnte das Bestehen eines Rechtsanspruches der Beschwerdeführerin noch nicht abschließend verneint werden. Auch die mit dem Vorantrag vom 5. April 1996 vorgelegte Bestätigung des (nunmehrigen) Schwiegervaters der Beschwerdeführerin über die ihr von ihm eingeräumte unentgeltliche (Mit)Benützung seiner Wohnung "für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung" wäre nämlich als ausreichend anzusehen, spricht doch deren zeitliche Befristung eindeutig gegen eine jederzeitige Widerrufsmöglichkeit und damit gegen das Vorliegen eines einen Rechtsanspruch im Sinn des § 8 Abs. 5 FrG nicht begründenden Präkariums. Die belangte Behörde hat es weiters unterlassen zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin auf Grund eines familienrechtlichen Titels gegenüber ihrem Ehemann und ihrem Schwiegervater ein Rechtsanspruch auf die Benützung der Wohnung zusteht. Art und Umfang dieser (von der belangten Behörde zu ermittelnden) familienrechtlichen Ansprüche der Beschwerdeführerin wären im vorliegenden Fall jedoch aus nachstehenden Erwägungen von Bedeutung: nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit Zustimmung ihres Schwiegervaters einwandern und in seinen Wohnungsverband aufgenommen werden soll. Es ist daher jedenfalls zu prüfen, ob bei einer derartigen Ausgangssituation dem Recht des Schwiegervaters (bzw. allenfalls des Ehemannes), die Beschwerdeführerin aus der Wohnung zu weisen, deren im Familienrecht begründete Ansprüche entgegenstünden.

Indem die belangte Behörde demnach in Verkennung der Rechtslage nicht nur zur Frage der Ortsüblichkeit einen Vergleich mit von Inländern genutzten Wohnungen im aufgezeigten Sinn unterließ, sondern es auch verabsäumte, begründete Feststellungen im oben aufgezeigten Sinn zu treffen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes..

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. März 2001

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