VwGH 98/19/0181

VwGH98/19/018124.11.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des 1975 geborenen S H in S, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §23 Abs4;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1998/I/085 §1 Abs1 Z3;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §112;
FrG 1997 §23 Abs1;
FrG 1997 §23 Abs4;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

1. Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG und § 66 Abs. 4 AVG wird der namens des Landeshauptmannes von Salzburg ergangene Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg vom 27. Oktober 1997, Zl. 1/07- 1268/1/1-1997, dahingehend abgeändert, dass er wie folgt lautet:

Gemäß § 23 Abs. 1 und 4 iVm § 112 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75 (FrG), und § 1 Abs. 1 Z. 3 BosnierG wird dem Beschwerdeführer eine weitere Niederlassungsbewilligung für Private für eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren ab Erteilung erteilt.

2. Die belangte Behörde hat unverzüglich die Ausstellung der entsprechenden Vignette gemäß § 3 Abs. 2 der Fremdengesetzdurchführungsverordnung 1997, BGBl. II Nr. 418/1997, zu veranlassen.

3. Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund des Akteninhaltes sowie der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers geht der Verwaltungsgerichtshof von nachstehendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, reiste am 29. April 1993 in Österreich ein und verfügte zuletzt über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz bis 31. August 1997. Er beantragte am 4. September 1997 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wobei unter der Rubrik "Aufenthaltszweck" sowohl "unselbstständige Erwerbstätigkeit" als auch "Familiengemeinschaft mit Fremden" (unter Beifügung des Wortes "Bruder"), "Schulausbildung" und "privater Aufenthalt" angekreuzt waren. Der Aufenthaltszweck "unselbstständige Erwerbstätigkeit" wurde in weiterer Folge durchgestrichen, und es wurde auf dem Formular der offensichtlich amtliche (allerdings nicht unterschriebene) Vermerk "privater Aufenthalt" angebracht. Unter der Rubrik "Gesicherte Unterkunft in Österreich" wird eine näher bezeichnete Anschrift in Salzburg angegeben, die Gesamtnutzfläche der Unterkunft mit 83 m2 und die Anzahl der diese Unterkunft (in der Folge) mitbewohnenden Personen mit sechs. Die Antragsrubrik "In Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" ist nicht ausgefüllt (im Verwaltungsakt der Mutter des Beschwerdeführers, deren Beschwerdeverfahren zur hg. Zl. 98/19/0180 anhängig war, erliegt allerdings eine Verpflichtungserklärung ihres Sohnes N. H. vom 4. September 1997, in der sich dieser verpflichtet, auch für den Unterhalt des Beschwerdeführers aufzukommen).

Der in Rede stehende Antrag wurde mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg namens des Landeshauptmannes von Salzburg vom 27. Oktober 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG mangels Sicherung einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach den insoweit unbestrittenen Angaben in der Berufung am 31. Oktober 1997 zugestellt. Er erhob dagegen die am 13. November 1997 zur Post gegebene Berufung, in der er u.a. vorbrachte, dass die gegenständliche Wohnung nunmehr nur noch von vier Erwachsenen und einem Kind bewohnt werde. (Sein Vater habe im November 1997 das Bundesgebiet verlassen und sei in seine Heimat zurückkehrt.) Die Wohnungssituation habe sich erheblich gebessert. Auch einer fünfköpfigen inländischen Familie könne zugemutet werden, in einer 86 m2 großen Wohnung zu leben, zumal Küche, sanitäre Anlagen und Heizungsmöglichkeit vorlägen. Weiters gehe die erstinstanzliche Behörde davon aus, dass N. H. und F. H., die für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers aufkämen, ein monatliches Nettoeinkommen von ca. S 20.000,-- bzw. S 8.850,-- bezögen. Dabei seien jedoch Sonderzahlungen nicht berücksichtigt worden. Tatsächlich verfügten die Genannten über ein monatliches Nettoeinkommen von insgesamt S 33.658,--. Mit diesem Betrag sei der Lebensunterhalt einer aus vier Erwachsenen und einem Kind bestehenden Familie, auch unter Berücksichtigung der monatliche Fixkosten, jedenfalls gesichert.

Mit am 20. Juli 1998 zur Post gegebenen und am 22. Juli 1998 eingelangten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Inneres, weil dieser über seine Berufung nicht entschieden habe. Der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen und dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Zweck, mit Ausnahme unselbstständiger Erwerbstätigkeit erteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof leitete mit Verfügung vom 27. Juli 1998 das Vorverfahren ein und räumte der belangten Behörde zur Erlassung eines Bescheides eine Frist von drei Monaten ein (vgl. § 36 Abs. 2 VwGG). Eine Bescheiderlassung ist seitdem nicht erfolgt.

Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm vom Arbeitsmarktservice der Stadt Salzburg mit Bescheid vom 23. November 1999 eine vom 23. November 1999 bis 31. Oktober 2000 gültige Beschäftigungsbewilligung bei einem näher bezeichneten Unternehmen erteilt worden sei. Diese war in Ausfertigung dem Schriftsatz angeschlossen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 28. Dezember 1999 brachte der Beschwerdeführer vor, "derzeit" gemeinsam mit seinem Bruder N. H. und dessen Ehegattin und deren gemeinsamen Sohn eine 52 m2 große Wohnung an einer näher bezeichneten Anschrift in Salzburg zu bewohnen. Der Mietvertrag sei bis 31. März 2000 befristet, die monatliche Miete betrage S 6.700,--. Sofern der Beschwerdeführer über eine entsprechende Niederlassungsbewilligung verfüge, würde er bei einem näher bezeichneten Unternehmen ein monatliches Nettoeinkommen von S 16.433,-- ins Verdienen bringe. Darüber hinaus sei es durchaus denkbar, dass der Beschwerdeführer - sofern er über eine Niederlassungsbewilligung verfüge und einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen und dabei den vorgenannten Betrag ins Verdienen bringen könne - sich selbst eine entsprechende Unterkunft in einer eigenen Wohnung verschaffen könne.

Mit Eingabe vom 6. März 2000 ersuchte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes ergangenes Rundschreiben des Bundesministers für Inneres vom 27. Juni 1995 zur Frage der Zulässigkeit der Änderung der ursprünglich geltend gemachten Aufenthaltszwecke, für das vorliegende Verfahren die entsprechende Zweckänderung auf "unselbstständige Erwerbstätigkeit" vorzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2000 legte der Beschwerdeführer diverse Urkunden vor, aus denen sich u.a. die Verlängerung des obgenannten Mietvertrages bis 31. März 2002 und die Reduktion des Mietzinses um S 300,-- ergibt; weiters Lohnbestätigungen vom 4. Mai 2000 betreffend den Bruder des Beschwerdeführers, derzufolge dieser über einen monatlichen Nettolohn von S 18.000,-- verfüge, sowie vom 10. Mai 2000 betreffend die Schwägerin des Beschwerdeführers, derzufolge diese über ein monatliches Nettoeinkommen von S 5.506,-- verfüge. Der Beschwerdeführer gab weiters bekannt, dass sein Bruder und seine Schwägerin für ein gemeinsames, 1994 geborenes Kind sorgepflichtig seien und keine Kreditverbindlichkeiten hätten.

Schließlich gab der Beschwerdeführer noch mit Schreiben vom 17. Mai 2000 an, dass sein Bruder und seine Schwägerin für das gemeinsame Kind auch Familienbeihilfe bezögen.

Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Quotenauslastung für im Bundesland Salzburg niedergelassene Fremde teilte der Landeshauptmann von Salzburg mit Schreiben vom 8. September 2000 mit, dass im Kalenderjahr 1997 die Quote für "Erwerbstätige/Schüler/Pensionisten/Private" zu 61% (von insgesamt 400 Niederlassungsbewilligungen seien 246 vergeben worden) und im Kalenderjahr 1998 die Quote für Private zu 82 % (von insgesamt 50 Niederlassungsbewilligungen seien 41 vergeben worden) ausgeschöpft war.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2000 gab der Beschwerdeführer schließlich bekannt, dass er bei der Salzburger Gebietskrankenkasse als "Selbstversicherer" ab 30. September 2000 krankenversichert sei und sein Dienstverhältnis zu einem näher bezeichneten Unternehmen per 29. September 2000 einvernehmlich gelöst habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eingangs ist darauf zu verweisen, dass die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 27 Abs. 1 VwGG vorliegen. Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, BGBl. I 1998/85, am 1. August 1998 war der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers vom 4. September 1997 als (quotenpflichtiger) Erstantrag zu werten. Nach der unbedenklichen Auskunft des Landeshauptmannes von Salzburg waren die auf Grund des geltend gemachten Aufenthaltszweckes (siehe dazu die nachstehenden Ausführungen) in Betracht kommenden Quoten im Zeitraum von November 1997 (Einbringung der Berufung) bis Juli 1998 (Einbringung der Säumnisbeschwerde) nie erschöpft, sodass die Entscheidungsfrist von sechs Monaten für die belangte Behörde jedenfalls abgelaufen war.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10. ...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken deckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

(3) ... Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grund einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig.

§ 12. ...

(3) Fremden darf wegen eines Sachverhaltes, der keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot zulässt, ein weiterer Aufenthaltstitel für denselben Aufenthaltszweck nicht versagt werden.

§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). ...

§ 23. (1) Fremden, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihrer Niederlassungsbewilligung auf Dauer niedergelassen bleiben, ist - sofern die Voraussetzungen des 2. Abschnittes weiterhin gesichert scheinen - auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung mit demselben Zweckumfang zu erteilen. Waren die Fremden bisher im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck und erklären sie nunmehr der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung zu stehen (§ 7 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 - AlVG, BGBl. Nr. 609), so ist ihnen auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen unselbstständige Erwerbstätigkeit, zu erteilen. Die Gültigkeitsdauer der weiteren Niederlassungsbewilligung beginnt mit dem Tag der Erteilung.

...

(4) Sofern nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung vorliegen, sind die beiden ersten weiteren Niederlassungsbewilligungen mit einer Gültigkeitsdauer von höchstens zwei Jahren zu erteilen.

§ 37. (1) Würde durch eine Ausweisung gemäß den §§ 33 Abs. 1 oder 34 Abs. 1 und 3 oder durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot darf jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrenstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, BGBl. I 1998/85, lauten:

"§ 1. (1) Fremden, denen auf Grund der Verordnung BGBl. 299/1996 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukam oder die auf Grund der Verordnung BGBl. II Nr. 215/1997 zum Aufenthalt berechtigt sind, ist - sofern sie vor dem 1. Oktober 1997 nach Österreich eingereist sind, sich hier ständig aufhalten und die Voraussetzungen der §§ 5 bis 16 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, bei ihnen bis auf weiteres gesichert scheinen - für die Niederlassung auf Dauer auf Antrag eine weitere Niederlassungsbewilligung (§ 23 FrG) zu erteilen und zwar, wenn

1. für sie eine Sicherungsbescheinigung oder Beschäftigungsbewilligung ausgestellt wurde oder sie über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügen oder eine vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975) ausgenommene unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben oder in Bezug von Leistungen oder Arbeitslosenversicherung stehen oder erlaubt selbstständig erwerbstätig sind, eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck;

2. sie Angehörige im Sinne des § 47 Abs. 3 FrG eines Fremden gemäß Z 1 oder eines Fremden sind, der über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck verfügt, eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck, ausgenommen Erwerbstätigkeit;

3. sie keine Erwerbsabsicht haben, eine Niederlassungsbewilligung für Private.

§ 2. (1) Der Nachweis eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft gilt für Fremde gemäß § 1 als erbracht, so lange sie die ihnen am 1. Jänner 1998 zur Verfügung stehende Unterkunft bewohnen. Fremde, denen eine weitere Niederlassungsbewilligung gemäß § 1 Abs. 1 erteilt wird, sind mit der Erteilung auf Dauer niedergelassen. ..."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage heißt es:

"... Da das Fremdengesetz 1997 die Möglichkeit der Antragstellung im Inland und die Möglichkeit der Erteilung von quotenfreien Erstbewilligungen im Gesetz selbst klar und taxativ umschreibt und da weiters keiner diese Ausnahmetatbestände auf die genannte Personengruppe anwendbar ist, ist eine sondergesetzliche Lösung des Problems erforderlich. Hiefür sollen diese Fremden in das Aufenthaltsrecht überführt werden, wenngleich die Kriegsvertriebenen aus Bosnien-Herzegowina lediglich in "temporarily protected" im Sinne der Europäischen Union waren. Demnach ist ihnen auf Antrag - quotenfrei - eine weitere Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck zu erteilen, sofern sie die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllen. Mit dem Hinweis auf § 23 soll sichergestellt werden, dass auch § 23 Abs. 4 von der Bestimmung erfasst ist; die erste weitere Niederlassungsbewilligung ist für die Gültigkeitsdauer von zwei Jahren zu erteilen. Damit kann vermieden werden, dass diese Fremden die rechtliche Möglichkeit verlieren, weiterhin ihrer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nachzugehen. Jenen Fremden, die ihr Familienleben in Österreich fortsetzen (Z 2) oder als Private (Z 3) hier leben, wird auf Antrag die entsprechende weitere Niederlassungsbewilligung erteilt werden.

...

Für das Erfordernis des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft wurde eine Übergangsregelung geschaffen. ..."

Unstrittig ist, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet bis 31. August 1997 zukam. Weiters ist nach der Aktenlage auch nicht zweifelhaft, dass er vor dem 1. Oktober 1997 nach Österreich eingereist ist und sich hier ständig aufhält. Demnach ist ihm auf Grund seines Antrages - quotenfrei - eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern er die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Streichung des Antragszweckes "unselbstständige Erwerbstätigkeit" im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer anlässlich der Antragstellung erfolgte und "Schulausbildung" nicht als eigener Aufenthaltszweck geltend gemacht werden sollte, vielmehr mit dem Vermerk "zwei Jahre einer höheren Schule" im gegebenen Zusammenhang als Hinweis auf die vom Beschwerdeführer absolvierte Schulausbildung zu verstehen war.

Weiters geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag (ausschließlich) auf den Zweck eines privaten Aufenthaltes gestützt hat. Für diese Deutung spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde, er habe einen Erstantrag auf Erteilung einer "Aufenthaltsbewilligung mit privatem Aufenthaltszweck" eingebracht, nicht entgegengetreten ist. Jedenfalls mit seinem Beschwerdeantrag hätte der Beschwerdeführer einen - allenfalls - geltend gemachten Aufenthaltszweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit wiederum fallen gelassen.

Diesen Aufenthaltszweck durfte der Beschwerdeführer nun - entgegen der von ihm vertretenen Ansicht - während der Geltungsdauer des Aufenthaltsgesetzes aus dem Grunde des § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG, während jener des FrG 1997 aus dem Grunde des § 14 Abs. 3 erster Satz, zweiter Halbsatz, FrG 1997 im laufenden Verfahren nicht ändern. Einer Zweckänderung ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die Hinzufügung eines weiteren Zweckes gleichzuhalten.

Dem Verwaltungsgerichtshof liegt daher ein ausschließlich auf den Zweck des privaten Aufenthaltes gestützter Antrag des Beschwerdeführers vor, sodass ihm - sofern er die sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt -

eine Niederlassungsbewilligung für Private zu erteilen ist (§ 1 Abs. 1 Z. 3 BosnierG).

Durch die Bezugnahme auf die §§ 5 bis 16 FrG in § 1 BosnierG ist klargestellt, dass den dort genannten Fremden nur dann eine weitere Niederlassungsbewilligung zu erteilen ist, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen hiefür, insbesondere dass kein Versagungsgrund gemäß § 10 FrG vorliegt, erfüllen.

Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass sein Bruder, in dessen Haushalt er lebe, für seinen Unterhalt aufkäme. Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen (auch in Verbindung mit dem Inhalt der eingangs erwähnten Verpflichtungserklärung seines Bruder N. H. vom 4. September 1997) ein zur dauernden Sicherung des Unterhaltes ausreichendes, nicht nur auf freiwilliger Basis, sondern auf einem Rechtsanspruch beruhendes, regelmäßiges Einkommen dargetan hat, und/oder ob ihm gegen seinen Bruder N. H. allenfalls ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zusteht:

Verfügte der Beschwerdeführer nicht über eigene Unterhaltsmittel, erfüllte er zwar den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG, doch folgt daraus - auch bei Vorlage einer im Sinne des § 10 Abs. 3 zweiter Satz FrG untauglichen Verpflichtungserklärung -

noch nicht zwingend, dass die begehrte Berechtigung zu versagen ist. Dies wäre im Verfahren zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung nur dann der Fall, wenn auf Grund dieses Sachverhaltes eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot erlassen werden könnte (vgl. § 12 Abs. 3 FrG 1997). Bei Prüfung dieser Frage ist aber auch § 37 Abs. 1 FrG zu beachten und zu untersuchen, ob ein durch die Anwendung des Versagungsgrundes bewirkter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht aus den im Abs. 2 dieser Bestimmung genannten Gründen dringend geboten ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich unstrittig bereits seit 29. April 1993, somit seit mehr als sieben Jahren im Bundesgebiet, wobei sein Aufenthalt auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechtes gemäß § 12 AufG bis 31 August 1997 rechtmäßig war. Er wohnt im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder, dessen Gattin und minderjährigem Kind in einer rund 52 m2 großen Hauptmietwohnung (bestehend aus Küche, zwei Zimmern und zwei Nebenräumen), die Anbetracht ihrer Größe und der Anzahl der sie bewohnenden Personen als ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 8 Abs. 5 FrG 1997 anzusehen ist (zur Interpretation des Begriffes "ortsübliche Unterkunft vgl. im Übrigen das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2000, Zl. 99/19/0010, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Er verfügt über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Er hat seine ausländerbeschäftigungsrechtlich erlaubte unselbstständige Erwerbstätigkeit wieder aufgegeben. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer nach Erteilung der gegenständlichen Bewilligung diese Erwerbstätigkeit, deren Ausübung über den Zweckumfang dieser Bewilligung hinausginge, wieder aufnehmen wird. Es ist weiters nach den durchgeführten Erhebungen strafrechtlich unbescholten und weist lediglich einen Verwaltungsvormerkung (Übertretung des § 108 Abs. 1 Z 3 lit. a iVm § 2 Abs. 1 FrG) auf.

Angesichts der dargestellten Umstände wäre durch eine der in § 37 FrG genannten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen jedenfalls ein schwer wiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden.

Dem steht gegenüber, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nur deshalb unrechtmäßig ist, weil der verfahrensgegenständliche Antrag erst am 4. September 1997, und nicht bis zum Ablauf des bis 31. August 1997 gültigen Aufenthaltsrechtes gemäß § 12 AufG gestellt wurde und dem Beschwerdeführer deshalb § 31 Abs. 4 FrG nicht zu Gute kommt. Es kann dahin stehen, ob dieser unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers, der auf einen Versäumung von lediglich vier Tagen zurückzuführen ist, den Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht:

Wenn auch der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet insoweit öffentliche Interessen auf dem Gebiet des Fremdenwesens beeinträchtigt, als dieser deswegen den Tatbestand des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, weil das am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene FrG eine dauernde Niederlassung auf Grund einer Verpflichtungserklärung nicht mehr zulässt, führt diese Beeinträchtigung der maßgeblichen öffentlichen Interessen selbst in Verbindung mit einem auf einer Fristversäumung von lediglich vier Tagen beruhenden unrechtmäßigen Aufenthalt unter Berücksichtigung der gewichtigen aus dem inländischen Privat- und Familienleben erfließenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführer am Verbleib im Inland einerseits und der faktischen Sicherung seines Lebensunterhaltes durch Zuwendungen seines Bruders andererseits jedoch nicht dazu, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grunde des § 37 Abs. 1 zulässig wäre.

Gemäß § 23 Abs. 1 und 4 iVm § 112 FrG und § 1 Abs. 1 Z. 3 BosnierG war dem Beschwerdeführer daher eine Niederlassungsbewilligung für Private zu erteilen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. November 2000

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