Normen
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
StGB §142 Abs1;
StGB §229 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §38;
StGB §142 Abs1;
StGB §229 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. November 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I. Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich auf Grund ihm erteilter Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen seit 1991 im Bundesgebiet. Sein letzter Aufenthaltstitel sei bis 11. Dezember 1995 gültig gewesen. Gegen die letztinstanzliche rechtskräftige Abweisung eines Verlängerungsantrags sei vom Beschwerdeführer eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde eingebracht worden, welcher aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Das Verfahren sei derzeit noch anhängig.
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe (Z. 2).
Mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 27. August 1996 sei der Beschwerdeführer wegen Raubes und Urkundenunterdrückung nach den §§ 142 Abs. 1 und 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 28. Juni 1996 einem Anderen mit Gewalt gegen seine Person das Mobiltelefon, einen Terminplaner sowie einen Reisepass und Lottobestätigungen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen habe, indem er diesen am Arm festgehalten, gegen ein Auto gedrückt und ihm einen Tritt versetzt habe, während ein unbekannter Mittäter dem Opfer ins Gesicht geschlagen habe. Einen Reisepass und die Lottobestätigung habe der Beschwerdeführer unterdrückt, um zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr gebraucht würden. Die Tat sei zuvor vom Beschwerdeführer mit seinem Mittäter im Kaffeehaus geplant worden.
Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährde. Für das vom Beschwerdeführer verübte Verbrechen sehe das StGB eine Strafdrohung von ein bis zehn Jahren vor. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung gegen den Erstbescheid könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht seiner Tat keine große Bedeutung beigemessen habe, weil auf Grund des Alters des Beschwerdeführers im gerichtlichen Verfahren die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes zur Anwendung gekommen seien, weshalb die für dieses Delikt sonst vorgesehene Mindeststrafe habe entsprechend unterschritten werden können. Nur den Jugendliche begünstigenden Bestimmungen verdanke der Beschwerdeführer seine vergleichsweise geringe Strafe. Auch wenn die genannte Verurteilung den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG (noch) nicht erfülle, sei auf Grund des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG angeführte Annahme und damit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei seit etwa sieben Jahren in Österreich aufhältig. Er lebe im gemeinsamen Haushalt mit seinem Vater und seiner Schwester. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten. Art und Schwere der der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftat ließen daher die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig erscheinen.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf die aus der Dauer des Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen gewesen, dass dieser kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Die Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen Angehörigen erführen insofern eine Relativierung, als der Beschwerdeführer bereits volljährig sei.
Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers habe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber gestanden. Selbst unter Bedachtnahme auf den bereits mehrjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Vaters und der Schwester des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde bei Abwägung dieser Interessenlagen zu dem Schluss gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie weniger schwer wögen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers hätte daher hinter die öffentlichen Interessen zurückzutreten gehabt.
Da sonst keine besonderen berücksichtigungswürdigen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand nehmen können.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid u.a. ein, der Gesetzgeber habe mit der Bestimmung des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG zum Ausdruck gebracht, dass erst bei einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten ein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe, weshalb - wie im Beschwerdefall - bei Freiheitsstrafen, die diese Grenze nicht überschritten, ein Aufenthaltsverbot nicht geboten erscheine. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
2. Der Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, es begegne keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 36 Abs. 1 FrG (§ 18 Abs. 1 Fremdengesetz 1992) (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf die §§ 37 und 38 FrG bzw. die §§ 19 und 20 Abs. 1 Fremdengesetz 1992) zu stützen, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. etwa das einen Suchtgiftfall betreffende Erkenntnis vom 26. März 1999, Zl. 98/18/0344, und das Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0567, jeweils mwH.).
Die belangte Behörde sah im Beschwerdefall - wie sie auch in ihrer Gegenschrift herausstreicht - das für die Erlassung des Aufenthaltsverbots nach § 36 Abs. 1 FrG bedeutsame Gesamt(Fehl)verhalten des Beschwerdeführers ausschließlich in dem seiner unter I.1. genannten Verurteilung durch den Jugendgerichtshof Wien zugrundeliegenden, im angefochtenen Bescheid näher beschrieben Fehlverhalten. Wenn auch der Behörde einzuräumen ist, dass das besagte verpönte Verhalten des Beschwerdeführers eine nicht unerhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, reicht dieses aber auf dem Boden der vorgenannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um von die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erlaubenden triftigen Gründen im besagten Sinn sprechen zu können. Dass sich das Strafausmaß vorliegend nach den Bestimmungen des Jugendgerichtess richtete, vermag an dieser Beurteilung - entgegen der Behörde - nichts zu ändern. Im Übrigen steht der Berücksichtigung des im angefochtenen Bescheid eingangs genannten Umstands, dass der letzte Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers lediglich bis 11. Mai 1995 gültig gewesen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung letztinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden sei, im Rahmen des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Fehlverhaltens entgegen, dass der Beschwerdeführer gegen den angesprochenen Versagungsbescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einbrachte, und der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde - unbestritten - aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, weshalb der besagte Versagungsbescheid für die Dauer des diesbezüglichen - zum Zeitpunkt der Erlassung des vorliegend angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheides (ebenfalls unbestritten) noch nicht abgeschlossenen - verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Rechtswirkungen zu äußern vermochte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1995, Zl. 93/18/0350), und von daher der nach der genannten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung liegende inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers diesem nicht als unrechtmäßig zur Last gelegt werden durfte.
3. Dadurch, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall irrigerweise die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. Jänner 2000
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