VwGH 98/18/0361

VwGH98/18/036124.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des E, (geb. 1960), vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Brockmanngasse 91, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. September 1998, Zl. SD 367/98, betreffend Antrag gemäß § 114 Abs. 3 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §88 Abs5;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §16 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;
VwRallg;
FrG 1993 §88 Abs5;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §16 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 21. September 1998 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 8. (nach den vorgelegten Verwaltungsakten richtig: 7.) Jänner 1998 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 29. November 1996 gemäß § 114 Abs. 3 iVm § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage am 24. März 1996 in Wien festgenommen worden. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme habe er beim Bezirkspolizeikommissariat Margareten angegeben, seit 1977 in Österreich zu sein, sich jedoch von 1987 bis 1989 in der Türkei aufgehalten zu haben. Er sei "20 %iger Teilhaber" einer näher genannten Gesellschaft mbH und in dem von dieser geführten Lokal als Kellner tätig. Vor der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer am 27. März 1996 zu Protokoll gegeben, zuletzt am 18. Juli 1989 mit einem deutschen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Er habe zwar einen Tag später bei der Erstbehörde die Erteilung eines Sichtvermerks beantragt, sich jedoch in weiterer Folge um seine Aufenthaltsberechtigung nicht mehr gekümmert, weil er ungefähr "1,7 Millionen Schulden" gehabt hätte. Nunmehr würden sich seine Schulden auf etwa S 800.000,-- belaufen. Zum Zeitpunkt der Einreise im Jahr 1989 wäre er im Besitz von DM 11.000,-- gewesen, nunmehr würde er nichts mehr besitzen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 27. März 1996 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Zeitraum vom 20. Oktober 1989 bis 23. März 1996 rechtskräftig bestraft und mit Bescheid vom selben Tag gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen worden. In Vollstreckung dieser Maßnahme sei der Beschwerdeführer am 3. April 1996 abgeschoben worden. Kurze Zeit später, nämlich am 22. Mai 1996, habe der Beschwerdeführer bei der Grenzkontrollstelle Spielfeld-Bahn neuerlich in das Bundesgebiet einzureisen versucht. Bei der Passkontrolle durch Kriminalbeamte der Bundespolizeidirektion Graz habe sich der Beschwerdeführer mit einem österreichischen Reisepass lautend auf einen näher genannten Namen ausgewiesen. Daraufhin sei der Beschwerdeführer zurückgewiesen worden. Am 28. Mai 1996 sei es dem Beschwerdeführer dennoch gelungen, wieder in das Bundesgebiet einzureisen. Wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes sei er am 30. Mai 1996 in Wien festgenommen worden. Beim Bezirkspolizeikommissariat Wieden habe er deponiert, mit dem Zug über Spielfeld nach Österreich gelangt zu sein, wobei er sich im Zug unter einer Bank versteckt hätte. Bei seiner Einreise hätte er etwa S 13.000,-- bei sich gehabt, von dem ihm lediglich S 200,-- verblieben wären. Vor der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer am 3. Juni 1996 diese Angaben bestätigt und ergänzt, dass er am 18. April 1996 bei der österreichischen Botschaft in Zagreb einen Touristensichtvermerk beantragt hätte, der - wie er glauben würde - abgewiesen worden wäre. Der Beschwerdeführer habe auch zugegeben, am 22. Mai 1996 bei der Grenzkontrollstelle Spielfeld versucht zu haben, mit dem besagten österreichischen Reisepass einzureisen. Diesen Reisepass hätte er von einem bosnischen Staatsangehörigen gegen die Bezahlung von S 14.000,-- in Marburg erhalten.

Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 3. Juni 1996 wegen unrechtmäßigen Aufenthalts und wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes rechtskräftig bestraft, mit Bescheid ausgewiesen und am 13. Juni 1996 neuerlich in sein Heimatland abgeschoben worden. Dessen ungeachtet sei der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet zurückgekehrt und am 26. November 1996 in Wien wegen Verdachtes der gefährlichen Drohung und des Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgenommen worden. Vor der Erstbehörde habe der Beschwerdeführer am 29. November 1996 ausgeführt, zuletzt am 20. November 1996 illegal über die grüne Grenze nach Österreich gekommen zu sein, um hier seine Kinder zu besuchen. Er hätte zum Zeitpunkt seiner Einreise etwa S 8.000,-- besessen, nunmehr wäre er im Besitz von S 1.000,-- . Nachdem der Beschwerdeführer von der Erstbehörde neuerlich wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden sei, sei gegen ihn mit Bescheid vom 29. November 1996 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen und der Beschwerdeführer in weiterer Folge am 5. Dezember 1996 in sein Heimatland abgeschoben worden. Aber auch das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot habe den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten, neuerlich nach Österreich zu kommen. Er sei am 15. September 1997 in Wien (unter anderem) wegen des Verdachtes des versuchten Raubes festgenommen worden. Beim Bezirkspolizeikommissariat Margareten habe der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, von dem gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbot Kenntnis zu haben. Er wäre aber nach Österreich gekommen, um hier persönliche Angelegenheiten zu regeln. Bei seiner Einreise hätte er S 1.100,-- bei sich gehabt, nunmehr verfüge er lediglich über S 150,--. Nach Bestrafung wegen Übertretung des § 23 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, durch die Erstbehörde sei der Beschwerdeführer am 5. Oktober 1997 neuerlich in sein Heimatland abgeschoben worden.

Den vorliegenden ausdrücklich auf § 114 Abs. 3 FrG gestützten Antrag begründe der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der seit Inkrafttreten des FrG geänderten Rechtslage, wobei er unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 35 Abs. 3 und des § 38 Abs. 1 Z. 3 dieses Gesetzes seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum von 1977 bis 1987 ins Treffen führe. Darüber hinaus vertrete der Beschwerdeführer die Auffassung, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, nicht hätte erlassen werden dürfen.

§ 114 Abs. 3 FrG stelle zweifellos eine lex specialis zu der Bestimmung des § 44 leg. cit. dar, wonach ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben ist, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt hätten, weggefallen seien. Die Behörde habe demnach zum einen zu beurteilen, ob das Aufenthaltsverbot zum Zeitpunkt seiner Erlassung auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 zulässig gewesen wäre, und sich zum anderen mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigt sei. Ausgehend von dieser Rechtslage sei zunächst festzuhalten, dass das Aufenthaltsverbot auch aus dem Blickwinkel des FrG hätte erlassen werden können. Der Beschwerdeführer sei - wie dargelegt - in einem Zeitraum von wenigen Monaten dreimal wegen schwerwiegender Übertretungen des Fremdengesetzes bestraft worden. Hinzu sei gekommen, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel darzulegen. Diese Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sowie seine geradezu beharrlichen Verstöße gegen wesentliche fremdenpolizeiliche Vorschriften ließen zweifellos die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt erscheinen. Die durch das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtigten öffentlichen Interessen, vor allem jenes an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, seien von solchem Gewicht, dass ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde nunmehr zustehenden Ermessens in Kauf genommen hätte werden können.

Der vom Beschwerdeführer relevierte Umstand, er hätte sich von 1977 bis 1987 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, vermöge daran nichts zu ändern. Er übersehe in diesem Zusammenhang, dass er sich vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts - das sei sein Fehlverhalten sowie seine Mittellosigkeit im Jahr 1996 gewesen - bereits seit Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, sodass keinesfalls von einer allfälligen Aufenthaltsverfestigung seiner Person gesprochen werden könne.

Ebenso hätte sich das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 FrG und im Grund des § 37 Abs. 2 leg. cit. als zulässig erwiesen, zumal sich die diesbezügliche Rechtslage inhaltlich nicht geändert habe. Auf die private und familiäre Situation des Beschwerdeführers sei aber bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Bedacht genommen worden, wobei sämtliche für den Beschwerdeführer sprechenden Umstände berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer behaupte auch gar nicht, dass sich in diesem Zusammenhang eine entscheidungsrelevante Änderung ergeben hätte. Die Änderung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände wäre aber gerade für das Vorliegen der Voraussetzung nach § 44 FrG entscheidend gewesen. Demgegenüber habe sich die zu beurteilende Interessenlage auf Grund des der Erlassung des Aufenthaltsverbotes folgenden, aus der Sicht der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens durchaus nicht zu vernachlässigenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, dessentwegen er auch bestraft worden sei und das schließlich auch seine neuerliche Abschiebung zur Folge gehabt habe, weiter zu seinen Ungunsten verschoben.

Da sohin das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können und die Voraussetzungen des § 44 leg. cit. nicht vorlägen, sei der Antrag von der Erstbehörde zu Recht abgewiesen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen seinen Antrag vom 7. Jänner 1998 (bei der Erstbehörde eingelangt am 8. Jänner 1998), das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot vom 29. November 1996 (das nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten an diesem Tag durch Übergabe des Bescheides an den Beschwerdeführer erlassen wurde, vgl. Blatt 132 ff (133 verso)) aufzuheben, lediglich auf § 114 Abs. 3 FrG gestützt. Auch gegen den angefochtenen Bescheid wendet er sich ausschließlich im Grund des § 114 Abs. 3 FrG und führt diesbezüglich (u.a.) ins Treffen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit einem Schlag seine Existenzgrundlage in Österreich zerstört habe. Er habe sich im Jahr 1996 mit eineinhalbjähriger Unterbrechung faktisch seit fast zwei Jahrzehnten in Österreich aufgehalten und somit etwa die Hälfte seines Lebens in Österreich verbracht. Hier lebten auch sämtliche seiner Verwandten. Der Beschwerdeführer sei über mehr als ein Jahrzehnt (in zwei Ehen) mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und sei Vater zweier minderjähriger Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger seien. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer hätte sohin zu seiner "völligen Entwurzelung" geführt, da er in sein Heimatland Türkei keinerlei Verbindungen mehr gehabt hätte. Die Interessenabwägung hätte zweifellos dazu führen müssen, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes auf Grund der damaligen familiären Situation des Beschwerdeführers "niemals in Betracht gekommen wäre".

2. Für - auf das Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, gegründete - Aufenthaltsverbote, die wie das vorliegende vor dem Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 FrG Folgendes:

"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."

§ 44 FrG lautet:

"Das Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind."

§ 114 Abs. 3 FrG unterscheidet sich - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30. November 2000, Zl. 98/18/0408, näher dargelegt hat - sowohl von seinem Inhalt als auch von seiner Zielsetzung her maßgeblich von § 44 FrG. § 114 Abs. 3 leg. cit. stellt anders als § 44 leg. cit. nicht auf eine Änderung der maßgeblichen Umstände nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes, sondern ausschließlich darauf ab, ob der von der belangten Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG diese Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Verhängung gerechtfertigt hätte, und will somit sicherstellen, dass ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des FrG (mit 1. Jänner 1998) Aufenthaltsverbote, die nicht auf der Grundlage dieses Gesetzes hätten erlassen werden können, aufgehoben werden. Dabei ist eine Ausnahme für Fälle, in denen der Fremde seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein Verhalten gesetzt hat, das die neuerliche Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt hätte, wie sie in der Übergangsbestimmung des § 88 Abs. 5 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, enthalten war, nicht vorgesehen. Bei der Beurteilung nach § 114 Abs. 3 FrG ist daher, anders als bei jener nach § 44 leg. cit., nicht auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen, gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen.

3. Die belangte Behörde hat - wie sich der Wiedergabe des bekämpften Bescheides unter I.1. entnehmen lässt - dem ihrer Entscheidung zu Grunde liegenden Antrag des Beschwerdeführers als ausdrücklich auf § 114 Abs. 3 FrG gestützt gesehen und festgehalten, dass diese Bestimmung zweifellos eine lex specialis zu § 44 FrG darstelle. Mit ihren weiteren oben I.1. wiedergegebenen Ausführungen zu § 114 Abs. 3 und § 44 FrG hat sie zu erkennen gegeben, dass es bei der von ihr vorzunehmenden Beurteilung nach § 114 Abs. 3 FrG auch erforderlich sei zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 44 FrG vorliegen würden. Insoweit hat die belangte Behörde unter Zugrundelegung des oben II.2. Gesagten die Rechtslage verkannt. Da es ihr nach § 44 FrG aber auch offen stand, von Amts wegen zu prüfen, ob die Gründe, die zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen seien, wurde dadurch der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt.

4. Ungeachtet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach den unbestrittenen Feststellungen in dem besagten Aufenthaltsverbotsverbotsbescheid vom 29. November 1996 bei dessen Erlassung mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war. Nach § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstückes dieses Gesetzes. Zu den im § 47 Abs. 3 FrG genannten Angehörigen zählt u.a. der Ehegatte (Z. 1), ohne dass der Gesetzgeber hier auf ein gemeinsames Familienleben abstellt. Da sich gemäß § 27 des Ehegesetzes niemand auf die Nichtigkeit einer Ehe berufen kann, solange nicht die Ehe durch gerichtliches Urteil für nichtig erklärt worden ist, kommt es für die Stellung als begünstigter Angehöriger eines Österreichers auch nicht darauf an, ob die Gründe für die Nichtigerklärung einer (formal bestehenden) Ehe vorliegen. Auf den Beschwerdeführer ist daher bei der Beurteilung des besagten Aufenthaltsverbotsbescheides gemäß § 114 Abs. 3 FrG die Bestimmung des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG anzuwenden, derzufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig ist, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Unbeschadet dessen ist § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erlassen werden darf; dabei kann auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. "als Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Gleiches gilt auch für die vorliegend nach § 114 Abs. 3 FrG (fiktiv) zu beurteilende Frage, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer die in § 48 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt gewesen wäre. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 98/18/0349.) Angesichts der Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin zum Zeitpunkt der Erlassung des besagten Aufenthaltsverbotes wäre diesem im Grund des § 47 Abs. 2 FrG Niederlassungsfreiheit zugekommen, und ihm wäre eine Niederlassungsbewilligung auszustellen gewesen, wenn sein Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet hätte.

Vor diesem Hintergrund hätte nach der hg. Rechtsprechung aus den in Rede stehenden rechtswidrigen Aufenthalten und den darauf beruhenden Bestrafungen des Beschwerdeführers - entgegen der belangten Behörde, die bei ihrer nach § 36 Abs. 1 FrG vorgenommenen Beurteilung gerade diese drei Bestrafungen nach dem FrG (neben der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers) herausstrich - keine Gefährdung im Sinn des § 48 Abs. 1 FrG abgeleitet werden können (vgl. das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch hier einschlägige Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 97/18/0220). Weiters sind vor diesem Hintergrund der nach § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, erlassene Ausweisungsbescheid vom 27. März 1996 (Blatt 22 f der vorgelegten Verwaltungsakten), die Ausweisung des Beschwerdeführers wegen "Umgehung der Grenzkontrolle" und "Missachtung der Einreisebestimmungen" nach § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. vom 3. Juni 1996 (vgl. Blatt 70 f), seine rechtskräftige Bestrafung nach dem Grenzkontrollgesetz vom 3. Juni 1996, weil er sich "innerhalb des Grenzkontrollbereiches anlässlich des Grenzübertrittes nicht ohne unnötigen Aufschub der Grenzkontrolle unterzogen" habe (vgl. Blatt 69), sowie die ihm unstrittig zur Last liegende Verletzung seiner Verpflichtung, sich bei seiner Einreise am 20. November 1996 der Grenzkontrolle zu stellen, in ihrer Bedeutung für eine vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung im Sinn des § 48 Abs. 1 FrG maßgeblich relativiert.

Damit erscheint aber das Gewicht der öffentlichen Interessen an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme im Rahmen der nach § 37 FrG durchzuführenden Interessenabwägung entscheidend herabgesetzt. Von daher kann nicht gesagt werden, dass die nicht unbeachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich - sein durchgehender Aufenthalt in Österreich von Juli 1989 bis 3. April 1996 (wobei nach dem Gesagten das Fehlen eines Aufenthaltstitels nicht maßgeblich zu seinen Ungunsten ins Gewicht fällt, weil ihm als Ehemann einer Österreicherin Niederlassungsfreiheit zukommt), seine im Aufenthaltsverbotsbescheid genannte Sorgepflicht für zwei minderjährige Kinder sowie sein früherer durchgehender Aufenthalt von 1977 bis 1987 in Österreich - von geringerem Gewicht oder höchstens von gleichem Gewicht wie die öffentlichen Interessen an der Erlassung der vorliegenden fremdenpolizeilichen Maßnahme wären.

5. Der angefochtene Bescheid war daher - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen eingehen zu müssen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Juli 2002

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