Normen
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §48 Abs1;
FrG 1997 §49 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. September 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine slowakische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die sich seit November 1992 im Bundesgebiet aufhalte, sei am 22. Dezember 1997 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der Veruntreuung, der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung sowie des versuchten schweren Betruges (jeweils als Beteiligte) zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Sohin sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Der Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass vom Haupttäter ein Kraftfahrzeug geleast worden sei, das in weiterer Folge der Beschwerdeführerin und einer Mittäterin schenkungsweise überlassen worden sei. Während die Beschwerdeführerin und die Mittäterin das Kraftfahrzeug "über die Tschechoslowakei nach Russland" verbracht hätten (der PKW sei bis dato nicht mehr aufgetaucht), habe der Haupttäter Diebstahlsanzeige erstattet und versucht, von der Kaskoversicherung den Wert des Wagens von etwa S 420.000,-- zu erhalten. Es könne kein Zweifel bestehen, dass dieses eine krasse Geringschätzung fremden Eigentums zum Ausdruck bringende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß gefährde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich sohin auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt.
Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und im Hinblick darauf, dass sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Angesichts der Schwere der der gerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin zu Grunde liegenden Straftaten und der darin zum Ausdruck kommenden Geringschätzung fremden Eigentums sei das Aufenthaltsverbot gegen sie zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch die Beschwerdeführerin sowie zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 EMRK) als dringend geboten zu erachten. Die vom Gericht ausgesprochene bedingte Strafnachsicht ändere daran nichts. Abgesehen davon, dass dieser Umstand keinesfalls - wie die Beschwerdeführerin offensichtlich meine - eine Garantie für ihr künftiges Wohlverhalten sein könne, habe die Behörde die Frage der Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen, somit ohne an die Erwägungen gebunden zu sein, die das Gericht veranlasst hätten, die Strafe bedingt nachzusehen. Auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr seien durch das strafbare Verhalten keine Vermögensvorteile erwachsen, schlage nicht zu ihren Gunsten aus. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang auf die Feststellungen des Landesgerichts für Strafsachen Wien zu verweisen, wonach als Gewinn für die Beschwerdeführerin der Erlös aus der Weitergabe des Kraftfahrzeuges (im Ausland) vorgesehen gewesen wäre. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Dauer von etwa fünfdreiviertel Jahren Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich gemindert werde. Dass sie wegen des Aufenthaltsverbotes nicht mehr mit ihrem Ehemann in Österreich zusammen leben könne, müsse sie angesichts der genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen in Kauf nehmen; allerdings könne die Beschwerdeführerin den Kontakt zu ihrem Ehegatten dadurch aufrecht erhalten, dass sie im Ausland von ihrem Angehörigen besucht oder dorthin begleitet werde. Diese - solcherart geschmälerten - familiären und privaten Interessen der Beschwerdeführerin hätten jedenfalls gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in den Hintergrund treten müssen. Dieses öffentliche Interesse sei von solchem Gewicht, dass ein weiterer Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens in Kauf genommen werden könne.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin ist nach den unbestrittenen Feststellungen mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet. Nach § 49 Abs. 1 erster Satz FrG genießen Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3 FrG, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt des 4. Hauptstückes dieses Gesetzes. Zu den im § 47 Abs. 3 FrG genannten Angehörigen zählt u.a. der Ehegatte (Z. 1). Auf die Beschwerdeführerin findet daher § 48 Abs. 1 erster Satz FrG Anwendung, demzufolge die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig ist, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
Der bloße Umstand, dass die belangte Behörde im Spruch ihres Bescheid das Aufenthaltsverbot allein auf § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, bewirkt indes keine Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin, weil § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 leg. cit. bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 2000/18/0008.)
2.1.Die Beschwerdeführerin wendet sich in der Beschwerde unter anderem gegen die von der Behörde im Grund des § 37 FrG vorgenommene Beurteilung. Diesbezüglich macht sie insbesondere geltend, dass sie sich bereits seit sechs Jahren legal in Österreich aufhalte, hier einer geregelten Arbeit nachgegangen sei und nachgehe und in aufrechter Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger lebe.
2.2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend. Im angefochtenen Bescheid wird zwar zutreffend die Auffassung vertreten, dass dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität im Licht von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - Schutz der öffentlichen Ordnung, Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und Schutz der Rechte anderer - großes Gewicht zukommt. Die Beschwerdeführerin weist aber mit ihrem inländischen Aufenthalt in der Dauer von etwa fünf Jahren und zehn Monaten, ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger sowie ihrer Berufstätigkeit beträchtliche private und familiäre Interessen auf. Die Behörde hat weder festgestellt, dass dieser Aufenthalt unrechtmäßig sei, noch, dass allenfalls eine Scheinehe vorliege oder kein gemeinsames Familienleben geführt werde. Sie hat weiters nicht festgestellt, dass der Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin auf Grund des mehrmaligen Wechsels der bzw. keiner dauerhaften Beschäftigung untergeordnete Bedeutung zukomme. Dem steht, wie erwähnt, zwar ein im Licht des Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität nicht unbeträchtliches Fehlverhalten der Beschwerdeführerin gegenüber, dem aber auf dem Boden der von der Behörde getroffenen Feststellungen im Verhältnis zu den eben dargestellten, sehr gewichtigen privaten und familiären Interessen kein größeres oder zumindest gleich starkes Gewicht zukommt.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Bei diesem Ergebnis war es nicht erforderlich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Jänner 2001
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