VwGH 98/17/0010

VwGH98/17/001019.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des FH in L, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. Oktober 1992, Zl. Prü(Ge)-300032/1- 1992/Pö/Ra, wegen Übertretung des Preisgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51 Abs4;
VStG §51 Abs6 idF 1990/358 impl;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;
VStG §51 Abs4;
VStG §51 Abs6 idF 1990/358 impl;
VwGG §42 Abs2;
VwGG §42 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit damit das Straferkenntnis erster Instanz hinsichtlich der Strafhöhe bestätigt und dem Beschwerdeführer ein Kostenbeitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von S 300,-- vorgeschrieben wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Sachverhalt des zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahrens ist auf das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 90/17/0426, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof

den Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 29. September 1990 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, weil die belangte Behörde für die Schaltung von zwei Inseraten ohne Angabe des Bruttopreises der angekündigten Waren zwei Strafen in der Höhe von ATS 1.000,-- an Stelle einer einheitlichen Strafe für ein fortgesetztes Delikt verhängt hatte.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte die von der Behörde erster Instanz verhängte Strafe in der Höhe von ATS 3.000,--. Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst aus, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im oben genannten Erkenntnis ein fortgesetztes Delikt vorliege, und stellt dar, weshalb der angefochtene Bescheid noch innerhalb der dreijährigen Strafbarkeitsverjährungsfrist nach § 31 Abs. 3 VStG ergehe.

Zur Strafhöhe verweist die belangte Behörde "auf die Ausführungen im Bescheid vom 25. September 1990, insbesondere in bezug auf die verletzten öffentlichen Interessen und die subjektiven Strafzumessungskriterien (Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, mildernde Umstände)". Eine Herabsetzung der Strafhöhe sei auf Grund des voll zu bestätigenden Straftatbestandes nicht angezeigt, wobei das Ausmaß ohnedies nur ein Fünftel des möglichen Strafrahmens ausschöpfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Aus Anlass dieser Beschwerde entstanden beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen das VStG-Übergangsrecht 1991, dem zufolge am 1. Jänner 1991 bereits anhängige Strafverfahren nach der alten Rechtslage zu Ende zu führen waren und somit keine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates vorgesehen war. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des Absatzes 2 des VStG-Übergangsrechts 1991, Anlage 2 der Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 52/1991 als verfassungswidrig, in eventu auf Feststellung, dass die Wortfolge "11c Abs. 1 bis 5" in § 16 Abs. 1 des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976 idF BGBl. Nr. 337/1988, bis zum Ablauf des 31. Dezember 1990 verfassungswidrig war.

Eine verfassungsrechtliche Deckung dieser einfachgesetzlichen Rechtslage in Art. IX Abs. 2 B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, könnte uU nur insoweit gegeben sein, als es sich um Straftatbestände handelte, die zulässigerweise in die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden verwiesen werden konnten. Der Verwaltungsgerichtshof verwies hiezu auf die jüngere Rechtsprechung des EGMR, insbesondere im Fall Gradinger gegen Österreich, ÖJZ 1995, 954, der zufolge der Vorbehalt zu Art. 5 EMRK nur zum Tragen komme, wenn die materiellen und die verfahrensrechtlichen Bestimmungen eines der vier im Vorbehalt genannten Verwaltungsverfahrensgesetze angewendet wurden, nicht jedoch bei Anwendung eines anderen Gesetzes.

Mit Erkenntnis vom 2. Dezember 1997, Zlen. G 217/96 u.a., gab der Verfassungsgerichtshof (u.a.) diesem Antrag keine Folge. Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass bereits der Verfassungsgesetzgeber (in Art. 8 Abs. 4 PersFrSchG sowie vor allem in Art. IX Abs. 2 der B-VG-Novelle 1988) ausdrücklich angeordnet habe, dass am 1. Jänner 1991 bereits anhängige Verfahren verwaltungsstrafrechtlicher Art nicht vor den als Tribunale im Sinne des Art. 6 EMRK einzurichtenden unabhängigen Verwaltungsenaten zu Ende geführt werden sollten. Insbesondere sehe sich der Verfassungsgerichtshof im Gegensatz zu der vom Verwaltungsgerichtshof in seinen Prüfungsanträgen vertretenen Rechtsmeinung nicht veranlasst, aufgrund einer vom EGMR im Jahr 1995 entwickelten Rechtsauffassung die für den jahrzehntelangen Vollzug des Verwaltungsstrafrechts maßgeblichen Grundsätze der österreichischen Behördenorganisation im nachhinein als verfassungswidrig zu verstehen.

Das vorliegende Beschwerdeverfahren ist daher auf dem Boden der Annahme, dass die angewendeten materiellen Verwaltungsvorschriften bzw. die Zuständigkeitsbestimmungen verfassungskonform waren, zu Ende zu führen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Sache erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid "vollinhaltlich" unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen das auch für den Fall der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof geltende Verbot der reformatio in peius und wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung des genannten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Unzulässigkeit der Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Die Beschwerde ist im Hinblick auf die Bestätigung der Strafhöhe und die Verhängung eines Kostenbeitrags zum Berufungsverfahren im Recht.

Ungeachtet der Frage, in welcher Weise das Verbot der reformatio in peius nach den vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnissen aus dem Jahre 1928 und 1966 für den Fall der Aufhebung eines Strafbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof im Einzelnen gilt, ergibt sich aus dem hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1928, Slg. Nr. 15.057/A, dass jedenfalls dann, wenn mit dem Straferkenntnis zweiter Instanz eine bestimmte Strafe (und sei es auch nur durch Bestätigung der in erster Instanz verhängten Strafe) festgesetzt wurde, die Behörde im fortgesetzten Verfahren nach Aufhebung des Berufungsbescheides im ersten Rechtsgang keine höhere Strafe verhängen darf. - (Zum Erkenntnis vom 28. November 1966, Zl. 1955/65, wird noch Folgendes bemerkt: Darin wurde ein Berufungsbescheid deshalb aufgehoben, weil die belangte Behörde verfehlterweise die Verhängung einer "Geldstrafe" bestätigt hatte, obwohl in erster Instanz eine Arreststrafe verhängt worden war; der Gerichtshof verwies für das fortgesetzte Verfahren auf das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1928, Slg. Nr. 15.057/A; es stellt sich die Frage, wie der Verwaltungsgerichtshof diesen Hinweis verstanden hat; bezieht man das Verbot der reformatio in peius nach Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof auf jene Strafe, die von der Behörde zweiter Instanz im ersten Rechtsgang verhängt wurde, stellt sich im Fall des Erkenntnisses aus dem Jahre 1966 die Frage, welche Strafe dies gewesen wäre bzw. ob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Hinweis zum Ausdruck bringen wollte, dass keine Arreststrafe mehr verhängt werden könnte, da die belangte Behörde keine solche verhängt hatte; der Hinweis auf das Verbot der reformatio in peius in diesem Erkenntnis bleibt daher unklar; man könnte in einer derartigen Situation allenfalls davon ausgehen, dass keine Strafe verhängt war - der Grund für die Aufhebung war in jenem Verfahren auch, dass ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vorgelegen sei- und insoweit eine Beurteilung des Ersatzbescheides unter dem Blickwinkel der reformatio in peius nicht möglich wäre, wodurch allerdings der Hinweis auf den Grundsatz in jenem Erkenntnis seine Bedeutung verlöre).

Geht man mit dem genannten Erkenntnis aus dem Jahre 1928 für den hier vorliegenden Fall einer eindeutigen Verhängung einer Strafe durch einen Bescheid, der vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, davon aus, dass die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren keine strengere Strafe verhängen darf als im aufgehobenen Bescheid, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig (vgl. zur Anwendung des Grundsatzes des Verbots der reformatio in peius nach Aufhebung eines erstinstanzlichen Bescheids wegen Unzuständigkeit für die Verhängung einer Strafe durch die zuständige erstinstanzliche Behörde das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1978, Slg. Nr. 9675/A; auch in diesem Fall wurde der - damals - nur in § 51 Abs. 4 VStG 1950 für die Entscheidung der Berufungsbehörde positivierte Grundsatz im Fall des Erfolges eines Rechtsmittels, auf Grund dessen es zu einer neuerlichen Entscheidung kommen konnte, angewendet). Daran ändert auch nichts der in der Gegenschrift der belangten Behörde hervorgehobene Umstand, dass nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang entgegen der von der belangte Behörde ursprünglich zugrunde gelegten Ansicht ein fortgesetztes Delikt vorliege. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, dass somit das ursprünglich nicht bei der Strafbemessung maßgebliche Faktum des zeitlich ersten Inserats wieder berücksichtigt hätte werden können. Abgesehen davon, dass diese Ausführungen in der Gegenschrift und nicht im angefochtenen Bescheid erfolgten und sich somit als unzulässige Ergänzung der Begründung des angefochtenen Bescheides darstellen würden, ist ihnen Folgendes entgegenzuhalten:

Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der im damaligen Verfahren angefochtene Bescheid mit dem hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 90/17/0426, im Hinblick auf den keine Einschränkung enthaltenden Spruch zur Gänze aufgehoben worden sei und dass damit dieser Bescheid auch insoweit aufgehoben worden sei, als damit die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des zeitlich ersten Inserats vorgenommen worden war, ergibt sich daraus nicht die Befugnis der belangten Behörde, bei der Strafbemessung jenes Ausmaß zu überschreiten, welches im aufgehobenen Bescheid festgesetzt worden war. Die Auffassung, dass das Verbot der reformatio in peius nur gelte, "wo der Tatbestand ungeändert" bleibe, trifft nämlich nicht zu. Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius bedeutet in den Fällen, in denen es zu einer Bescheidaufhebung gekommen war, dass für das dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren zur Last gelegte Verhalten im fortgesetzten Verfahren keine strengere Strafe verhängt werden darf als in dem (hier: vom Verwaltungsgerichtshof) aufgehobenen Bescheid. Es ist daher unerheblich, ob sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, dass dem Beschuldigten mehr oder andere Fakten zum Vorwurf gemacht hätten werden können bzw. dass die Berufungsbehörde im Fall eines fortgesetzten Delikts auch frühere (einzelne) Tathandlungen in die Beurteilung miteinbeziehen hätte können; andernfalls würde gerade die Geltung des Grundsatzes im Ergebnis geleugnet.

Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Bestätigung des Ausspruches über die Strafe im Straferkenntnis erster Instanz erweist sich auch der Ausspruch über den Kostenbeitrag in der Höhe von ATS 300,-- als inhaltlich rechtswidrig, da die belangte Behörde auf der Basis der im aufgehobenen Bescheid festgesetzten Strafhöhe über die Kosten gemäß § 64 Abs. 2 VStG entschieden hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Februar 1987, Zl. 85/18/0074, und vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0224).

Hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruchs enthält die Beschwerde keine Ausführungen, inwieweit insofern eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vorliegen sollte. Auch dem Verwaltungsgerichtshof ist eine solche Rechtswidrigkeit, die von Amts wegen aufzugreifen wäre, nicht ersichtlich.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, soweit damit der Ausspruch über die Strafhöhe bestätigt wurde und der Beschwerdeführer zur Zahlung eines Kostenbeitrags für das Berufungsverfahren verpflichtet wurde. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 19. März 2001

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