VwGH 98/16/0121

VwGH98/16/01211.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Bankhauses K Co AG in W, vertreten durch Doralt-Seist-Csoklich, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien IX, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 23. Feber 1998, Zl. GA 9-786/95, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §696;
BAO §19 Abs1;
KVG 1934 §2;
KVG 1934 §5 Abs1 Z2;
SpaltG 1996 §1;
SpaltG 1996 §14 Abs2 Z1;
VwRallg;
ABGB §696;
BAO §19 Abs1;
KVG 1934 §2;
KVG 1934 §5 Abs1 Z2;
SpaltG 1996 §1;
SpaltG 1996 §14 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 18. Februar 1993 kam es zwischen der Bankhaus Rössler AG und acht anderen Kreditinstituten (die sich als "Gläubigerkonsorten" bezeichneten) zu einer "Forderungsverzichts- und Besserungsvereinbarung", die - auszugsweise - folgenden Inhalt hat:

"PRÄAMBEL

Getragen von der Absicht den ihnen letztlich selbst zugute kommenden Ruf des Bankplatzes Wien zu erhalten und eine Auszahlung an die Einleger zu gewährleisten, haben sich die Gläubigerkonsorten entschlossen, Gesellschafter der Rösslerbank zu werden und zur Absicherung dieser Gesellschafterstellung auf je 25 % ihrer gegenüber der Rösslerbank zum 31. Dezember 1992 aushaftenden Einlagen gegen Besserung zu verzichten.

Im Hinblick darauf vereinbaren die Vertragsteile wie folgt:

I.

Die Rösslerbank schuldet den Gläubigerkonsorten zum 31. Dezember 1992 aus bei der Rösslerbank von den Gläubigerkonsorten getätigten Einlagen, im folgenden kurz 'Forderungen' genannt, im einzelnen nachstehend angeführte Beträge, wobei die jeweiligen Beträge bis einschließlich 1. Dezember 1992 mit den jeweils ursprünglich vereinbarten Zinssätzen und von 2. Dezember 1992 bis einschließlich 31. Dezember 1992 einheitlich mit einem Zinsatz, der dem in dieser Zeit jeweils geltenden VIBOR für 1-Monatsgeld gemäß Tabelle 5.2 aus den Statistischen Monatsheften der Oesterreichischen Nationalbank entspricht, verzinst werden, insgesamt einen Gesamtbetrag von S 485,596.483,51 (100 %). Hievon entfallen auf: ...

...

II.

Die Gläubigerkonsorten erlassen hiemit jeder für sich der Rösslerbank einen Teilbetrag in der Höhe von 25 % der jeweiligen in Punkt I. angeführten Forderungen samt Zinsen ab 1. Jänner 1993 in der Höhe des jeweils geltenden VIBOR (12 Monatsgeld) gegen Besserung. Besserung bedeutet die hiemit von der Rösslerbank gegenüber den Gläubigerkonsorten übernommene Verpflichtung, auf diese gegen Besserung erlassenen Forderungen Zahlungen an die jeweiligen Gläubigerkonsorten im Verhältnis von deren Forderungserlässen samt Zinsen zu leisten, sobald es die wirtschaftliche Lage der Rösslerbank erlaubt, dh immer dann und insoweit als sonst Gewinne ausgewiesen würden oder im Fall der Liquidation ein sonst auszuschüttender Überschuß verbliebe. ..."

Auf Grund eines Verschmelzungsvertrages vom 25. Juni 1993 wurde die Bankhaus Rössler AG mit der Beschwerdeführerin dergestalt verschmolzen, dass die Beschwerdeführerin die erstgenannte Gesellschaft aufnahm und ihre Gesamtrechtsnachfolgerin wurde.

Mit Bescheid vom 16. März 1995 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) gegenüber der Beschwerdeführerin für die Vereinbarung vom 18. Februar 1993 Gesellschaftsteuer fest, wobei (im verwendeten Formular) als steuerpflichtiger Rechtsvorgang die Rubrik "Erster Erwerb von Gesellschaftsrechten" angekreuzt wurde.

Gegen diesen Bescheid berief die Beschwerdeführerin. Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 18. April 1995 als unbegründet ab, worauf die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.

Mit notariellem Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 30. August 1996 (GZ 17.013 des öffentlichen Notars Dr. Georg Weißmann, Wien - Innere Stadt) wurde der Teilbereich "Kommerzkundengeschäft" im Wege einer Abspaltung zur Aufnahme von der Beschwerdeführerin auf ihre Alleingesellschafterin, die Raiffeisenzentralbank Österreich Aktiengesellschaft, übertragen, während der Teilbereich "Privatkundengeschäft" bei der Beschwerdeführerin verblieb.

Punkt 4. dieses Vertrags lautet auszugsweise:

"4.

Beschreibung der Vermögensteile, die an die übernehmende Gesellschaft übertragen werden

Der Teilbetrieb der Bankhaus Kathrein & Co AG, der der Betreuung des Kommerzkundengeschäftes und dessen Fortführung dient, umfasst jene Aktiva und Passiva, wie sie in der Eröffnungsbilanz laut Anlage 3 ausgewiesen sind.

Ebenso werden alle nicht bilanzierungsfähigen Rechtsverhältnisse, die dem Teilbetrieb zugehören, mit übertragen.

Der Teilbetrieb 'Kommerzkundengeschäft' umfasst unter Bedachtnahme auf Pkt. 6 dieses Vertrages nachstehende Geschäftsbereiche, Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse:

a) Das Kommerzkundengeschäft, das sind alle bankgeschäftlichen Kundenbeziehungen der Bankhaus Kathrein & Co AG mit in- und ausländischen Unternehmern (§ 1 (1) Zif. 1 KSchG) einschließlich allfälliger der Bankhaus Kathrein & Co. Aktiengesellschaft bestellten Sicherheiten, soferne die buchmäßige Kennzeichnung der jeweiligen Referentennummer mit der Ziffer '7' (in Worten: sieben) beginnt.

b) Die Kreditverhältnisse, welche im Rahmen der Verschmelzung des Bankhauses Rössler AG mit der Bankhaus Kathrein & Co AG mit Stichtag zum 30.12.1992 auf die Bankhaus Kathrein & Co AG übergegangen sind ..."

Punkt 6. des Vertrages (Auffangregelung für nicht zugeordnete Vermögensteile) lautet:

"Soweit aufgrund vorstehender Regelungen Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse keiner der beiden Gesellschaften zugeordnet werden können, gehen sie auf die Raiffeisen Zentralbank Österreich AG über."

In der Anlage 3 zum Spaltungs- und Übernahmsvertrag, der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1996, sind auf der Passivseite unter Pkt. 1 lit. b Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist in der Höhe von S 1.273.688.178,44 ausgewiesen.

Der Spaltungs- und Aufnahmevertrag wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien als Firmenbuchgericht vom 18. Oktober 1996 bewilligt und am 19. Oktober 1996 unter FN 144838 y in das Firmenbuch eingetragen.

Die belangte Behörde wies mit dem an die Beschwerdeführerin "als Rechtsnachfolgerin der Bankhaus Rössler AG" gerichteten Bescheid vom 23. Februar 1998 die Berufung als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, mit dem Forderungsverzicht hätten die Gläubigerkonsorten Genussrechte erworben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ua. in ihrem Recht auf Berücksichtigung der Gesamtrechtsnachfolge und auf Nichtfestsetzung der Gesellschaftsteuer verletzt, wobei in erster Linie geltend gemacht wird, dass der Spaltungsvorgang der belangten Behörde gesondert bekannt gegeben worden sei.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der weder der Spaltungsvertrag noch die Behauptung bestritten wird, dieser Vorgang sei der belangten Behörde bei Erlassung ihres Bescheides bekannt gewesen. Die belangte Behörde vertritt vielmehr die Ansicht, das Gesellschaftsteuerverfahren sei weiterhin der Beschwerdeführerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Bankhaus Rössler AG zuzurechnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 1 SpaltungsG (= Art. XIII EU-GesellschaftsrechtsänderungsG)

lautet auszugsweise:

"Begriff der Spaltung

§ 1 (1) Eine Kapitalgesellschaft kann ihr Vermögen nach diesem

Bundesgesetz spalten.

(2) Die Spaltung ist möglich

  1. 1. ....
  2. 2. unter Fortbestand der übertragenden Gesellschaft durch Übertragung eines oder mehrerer Vermögensteile dieser Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine oder mehrere dadurch gegründete neue Kapitalgesellschaften (Abspaltung zur Neugründung) oder auf übernehmende Kapitalgesellschaften (Abspaltung zur Aufnahme) gegen Gewährung von Anteilen (Aktien oder Geschäftsanteilen) der neuen oder übernehmenden Kapitalgesellschaften an die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft.

(3) ..."

§ 14 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. lautet:

"(2) Mit der Eintragung der Spaltung in das Firmenbuch treten folgende Rechtswirkungen ein:

1. Die Vermögensteile der übertragenden Gesellschaft gehen entsprechend der im Spaltungsplan vorgesehenen Zuordnung jeweils im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Gesellschaft oder die neuen Gesellschaften über."

Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts.

Die Spaltung nach § 1 SpaltG bewirkt eine Gesamtrechtsnachfolge (vgl. zB. Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 1 zu § 19 BAO), wobei § 14 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. eine partielle Gesamtrechtsnachfolge bewirkt (Ritz aaO Rz 16), die auch verfahrensrechtliche Positionen umfasst, und zwar unabhängig davon, ob der Rechtsvorgänger (= hier die Beschwerdeführerin) nach dem Rechtsübergang weiter existent bleibt (Ritz aaO Rz 18). Abgabenfestsetzungen haben ab der Wirksamkeit der partiellen Gesamtrechtsnachfolge nur mehr gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger zu erfolgen (Ritz aaO Rz 18 Abs. 3).

Da nach dem Wortlaut des Punktes 4a) des Spaltungs- und Übernahmsvertrages (iVm der Bilanz Anlage 3) die Rechtsbeziehungen aus bankgeschäftlichen Kundenbeziehungen der Beschwerdeführerin "mit in- und ausländischen Unternehmen", wozu wohl die Rechtsbeziehungen aus der Forderungsverzichts- und Besserungsvereinbarung (der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin mit dem Gläubigerkonsortium) vom 18. Februar 1993 gehören, zum Teilbetrieb Kommerzgeschäft gehören, jedenfalls aber aufgrund des Auffangtatbestandes gemäß Pkt. 6 des Spaltungs- und Übernahmsvertrages dem Bereich zuzuordnen sind, der gemäß § 14 Abs. 2 Z. 1 SpaltG mit der Eintragung im Firmenbuch im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf die Raiffeisenzentralbank Österreich Aktiengesellschaft übertragen wurde, ist diese gemäß § 19 Abs. 1 BAO damit auch in die verfahrensrechtliche Position der Beschwerdeführerin als Berufungswerberin im vorliegenden Gesellschaftsteuerverfahren eingetreten. Die belangte Behörde durfte daher den angefochtenen Bescheid nicht mehr an die Beschwerdeführerin richten.

Bereits dies belastet den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.

Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof betreffend die Hauptsache aber noch zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

Was den von der Abgabenbehörde erster Instanz angenommenen Tatbestand nach § 2 Z. 1 KVG (Erster Erwerb von Gesellschaftsrechten) betrifft, fehlt es an jeglichen Feststellungen des Vorliegens der diesbezüglich relevanten Tatbestandselemente. Dazu wäre insbesondere zu erheben, ob es auf Grund des Vertrages vom 18. Februar 1993 zu einer Kapitalerhöhung oder zu einem sonstigen Vorgang gekommen ist, der als Ersterwerb von Gesellschaftsrechten anzusehen ist (vgl. dazu zB. Dorazil, KVG Kurzkommentar2 56 Anm. II.2 zu § 2 KVG).

Betreffend den von der belangten Behörde angenommenen Erwerb eines Genussrechtes ist darauf hinzuweisen, dass es nach der hg. Judikatur (vgl. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 92/16/0025 und die dort zitierte Literatur) für ein Genussrecht wesentlich darauf ankommt, dass dieses dem Berechtigten einen Anspruch einräumt, der seinem Inhalt nach ein typisches Vermögensrecht eines Gesellschafters ist, wovon im vorliegenden Fall aber keine Rede sein kann. Das Übereinkommen vom 18. Februar 1993 sieht nämlich nur vor, dass die Mitglieder des Gläubigerkonsortiums im Falle des Eintrittes der dort näher umschriebenen Bedingung (Vorhandensein von Gewinn oder eines Liquidationserlöses) doch Zahlungen auf die nachgelassenen Forderungen erhalten, was insoweit eine auflösende Bedingung für den gewährten partiellen Forderungsverzicht darstellt, keinesfalls aber einen Anspruch auf Gewinnbeteiligung oder auf ein anderes, typischerweise einem Gesellschafter zustehendes Vermögensrecht begründet.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 1. September 1999

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