VwGH 98/09/0014

VwGH98/09/001428.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, in der Beschwerdesache des R in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 3. Dezember 1997, Zl. 10/13117/813 952, betreffend Abweisung der Berufung gegen einen Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft Wien, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zuerkannt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Dezember 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Feststellungsbescheid der Behörde erster Instanz vom 16. Oktober 1997 - mit dem über Antrag des Beschwerdeführers festgestellt worden war, dass er die Voraussetzungen gemäß Artikel 6 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. 9. 1980 über die Entwicklung der Assoziation zwischen der EWG und der Türkei im Zeitpunkt der Entscheidung erfülle - gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Der - vom angefochtenen Bescheid unverändert

übernommene - Spruch des Bescheides erster Instanz enthält noch

folgende Ausführungen:

"Fällt einer der Voraussetzungen weg, verliert dieser Bescheid seine Gültigkeit.

Für die Aufnahme einer unselbstständigen Beschäftigung in Österreich sind Sie nicht vom Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgenommen.

Eine Arbeitsaufnahme ist nur möglich, wenn Sie im Besitz einer gültigen Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder eines gültigen Befreiungsscheines sind."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in "meinen Rechten nach Art. 6 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19.9.1980 verletzt." In der Beschwerde wird unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit im Wesentlichen geltend gemacht, der erstinstanzliche Feststellungsbescheid habe im Spruch einschränkende Bedingungen bzw. unzulässige Auflagen enthalten. Der Beschwerdeführer beantragt, nach Abschluss des Vorverfahrens eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid "gemäß § 42 Abs. 2 VwGG" kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der unter Hinweis auf die aus Art. 6 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des ARB Nr. 1/80 sich ergebenden Einschränkungen und Vorbehalte - weshalb der Beschwerdeführer anders als nach dem dritten Gedankenstrich noch keinen freier Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt habe - sowie auf die Bescheidbegründung die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Gemäß § 32 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 78/1997) verlieren die vom Arbeitsmarktservice in unmittelbarer Anwendung des ARB (Beschluß des Assoziationsrates EWG-Türkei) Nr. 1/1980 ausgestellten Feststellungsbescheide mit 1. Jänner 1999 ihre Gültigkeit. Sie sind bis zu diesem Zeitpunkt auf die Höchstzahlen nach diesem Bundesgesetz anzurechnen. Auf Grund eines Feststellungsbescheides vor dem 1. Jänner 1999 eingegangene Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt.

Diese per 1. Jänner 1999 eingetretene Änderung der Rechtslage verbunden mit der Anfrage, inwieweit eine meritorische verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die vorliegende Beschwerde erforderlich sei, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 VwGG mit Klaglosstellungsanfrage vom 15. März 2000 zur Stellungnahme vorgehalten.

Der Beschwerdeführer hat sich zu dieser, seinem rechtsfreundlichen Vertreter am 22. März 2000 ordnungsgemäß zugestellten Anfrage innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. NF Nr. 10 092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte - insbesondere auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189, vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026).

Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall gegeben. Nach dem unbestritten gebliebenen Sachverhalt ist der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache entschieden und den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides inhaltlich unverändert übernommen hat, mit 1. Jänner 1999 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung in bezug auf die im erlassenen Feststellungsbescheid - nach Ansicht des Beschwerdeführers - enthaltenen Bedingungen bzw. Auflagen wirkt daher nicht fort, ist doch nicht zu erkennen, inwieweit eine meritorische Entscheidung über die Beschwerde gegen den seit 1. Jänner 1999 dem Rechtsbestand nicht mehr angehörenden angefochtenen Bescheid (Feststellungsbescheid) zur Wahrung der Rechtsstellung des Beschwerdeführers erforderlich sein sollte. Dass durch den angefochtenen Bescheid eine fortwirkende Verletzung seiner geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte bestünde, oder eine den angefochtenen Bescheid aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine Veränderung seiner Rechtsstellung bewirken könnte, wurde vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Ist durch den angefochtenen Bescheid somit keine fortwirkende Verletzung des geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers mehr gegeben, dann ist sein Interesse an einer meritorischen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die erhobene Beschwerde zu verneinen. Die Beschwerde war daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. hiezu auch die hg. Beschlüsse jeweils vom 26. Mai 1999, Zl. 97/09/0048 und Zl. 97/09/0047). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich in diesem Zusammenhang zu der Klarstellung veranlasst, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich darlegte, dass der Beschwerdeführer im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers (gemeint : in einem anderen Beruf) den Bestimmungen des AuslBG unterliege und die bekämpften Erläuterungen im erstinstanzlichen Spruch des Feststellungsbescheides nicht als Auflagen zu werten, sondern als Hinweise auf seine aus Art. 6 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich ARB Nr. 1/80 sich ergebende arbeitsrechtliche Stellung zu verstehen seien.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt im vorliegenden Fall die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch an die beschwerdeführende Partei gemäß § 56 VwGG nicht vor. Ein Zuspruch von Kosten nach § 58 Abs. 2 VwGG (eingefügt durch die Novelle BGBl. I Nr. 88/1997) setzt voraus, dass bereits ohne unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes der fiktive Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wäre der Fall der Gegenstandslosigkeit (hier: durch Beseitigung des erstinstanzlichen Bescheides aus dem Rechtsbestand) nicht eingetreten - eindeutig ist, also entweder der angefochtene Bescheid offenkundig als rechtswidrig zu erkennen, oder die Beschwerde offenkundig unbegründet ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 9. September 1997, Zl. 96/09/0324, vom 7. Oktober 1997, Zl. 97/11/0094, vom 21. Jänner 1998, Zl. 96/09/0001, vom 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0337, und vom 3. September 1998, Zl. 98/09/0049). Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren von den Parteien erstatteten Vorbringen sind von vornherein ohne nähere Prüfung nicht als zutreffend oder unzutreffend zu qualifizieren. Da die Klärung der Frage, wer als obsiegende Partei anzusehen wäre, im vorliegenden Fall demnach mit einem derartigen unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, wird im Sinne der Übung der freien Überzeugung nach § 58 Abs. 2 VwGG kein Kostenersatz (womit erkennbar Aufwandersatz gemeint ist) zuerkannt.

Wien, am 28. Juli 2000

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